FLOATING POINTS, PHAROAH SANDERS & LONDON SYMPHONY ORCHESTRA – Promises
~ 2021 (Luaka Bop) – Stil: Electronica/Jazz ~
Fünf Jahre der Vorbereitung benötigte das Projekt von FLOATING POINTS und PHAROAH SANDERS, unterstützt von David Byrnes Label “Luaka Bop”, um das 46-minütige Stück ´Promises´ der Welt vorstellen zu können.
Der britische Neurowissenschaftler Sam Shepherd, der seit über fünf Jahren unter dem Künstlername FLOATING POINTS mit seinen Synthesizern in der klassischen Electronica-Szene für Furore sorgt, hat dieses Epos komponiert und produziert. Der mindestens doppelt so alte US-Amerikaner Pharoah Sanders ist sein Kompagnon und eine der großen, noch lebenden Legenden des Free Jazz. Ferell Sanders wurde im Oktober vergangenen Jahres 80 Jahre alt. Den Spitznamen Pharoah Sanders verpasste ihm einst sein Musikerkollege Sun Ra in den Sechzigerjahren. Von 1964 an spielte Sanders mit John Coltrane meisterlichen Free Jazz und nach dessen Tod mit Alice Coltrane, aber auch in eigenen Formationen.
Überraschenderweise fußt die Zusammenarbeit von FLOATING POINTS und PHAROAH SANDERS auf neuer Musik und nicht auf der Bearbeitung alter Jazz-Klassiker. Immerhin reicht Sanders Herzschlag-Produktion mit Graham Haynes bald zwei Dekaden und sein letztes Grosswerk mit Eigenkompositionen bis zu Beginn der Achtzigerjahre zurück. Die Aufnahmen vollzogen der Elektronik-Meister und die Jazz-Legende gemeinsam im Sommer des Jahres 2019 in Los Angeles. Das für dieses Projekt gewonnene LONDON SYMPHONY ORCHESTRA nahm seine Streicher-Partituren im Sommer 2020 in den “Air Studios” von George Martin auf. Zur Vollendung dieses Gesamtkunstwerkes designte obendrein die zeitgenössische Malerin Julie Mehretu aus New York das Artwork.
Der Titel lautet “Versprechen”. Das Jahr ist 2021. Das Erwachen in einer anderen Welt. Der Morgentau ist noch zu riechen. Die Stille im ersten von neun ineinander übergehenden Movements wird von einer Klangfolge des Cembalos unterbrochen, die fortwährend vorgetragen wird. Bewegungsgeräusche der Musiker sind zu vernehmen. Pharoah Sanders’ Tenor-Saxofon schwebt dazu klaren Blickes herein. Die ewige Klangfolge perlt dabei an Ort und Stelle weiter. Zu dieser gesellt sich im zweiten Satz vermehrte Elektronik, deren Wolken jedoch wieder vom Saxofon aufgebrochen werden. Das nächste und kürzere Movement hält sogar spacige und psychedelische Klänge bereit, ehe Pharoah Sanders im vierten Satz ins Mikrofon brummt und trällert. Doch sein Saxofon-Solo ist es, dass wieder die Maßstäbe setzt und sich nachfolgend spielerischer als auch intensiver zeigt, derweil das Cembalo immer noch beharrlich seine Klangfolge vorträgt. Die Elektronik schwirrt mit einem Oberheim OB-Xa Synthesizer und ARP 2600 und Buchla 200e mehr als traditionell heran. Sentimental zeigt sich das Saxofon zu Beginn des sechsten und mit seinen über acht Minuten zweitlängsten Movements. Das Violoncello streichelt die Saiten und das gesamte Orchester spielt sich unüberhörbar in die Szenerie. Die Sinfonie wallt mächtig schäumend auf und zeigt sogar ihre dissonante Stärke. Im sich anschließenden, mit über neun Minuten längsten Satz setzt wieder die Stille vor dem Sturm ein, den langsam das Saxofon heranbläst. Erst zögerlich, dann mit Vehemenz von der Elektronik unterstützt, ist Pharoah Sanders urplötzlich mit seinem letzten solistischen Auftritt lautstark zur Stelle. Magie kristallisiert sich. Orgelläufe der Hammond B3 unterstützen im Anschluss die Werk-ausfüllende Klangfolge und hallen von dannen. Stille. Das letzte und neunte Movement lässt die Streicher des Orchesters letztmalig hochsteigen. Welch kristallklare Kostbarkeit!
(Klassiker)
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