TOMAHAWK – Tonic Immobility
~ 2021 (Ipecac) – Stil: Post-Punk/Alternative Rock/Experimental ~
Wie so viele andere Supergroups weisen auch TOMAHAWK einen bemerkenswerten Stammbaum auf. Da ist einerseits natürlich Mike Patton, Frontmann von FAITH NO MORE, Initiator zahlreicher weiterer Musikprojekte und nebenbei auch noch Labelchef von „Ipecac“. Dazu gesellen sich Duane Denison, Gitarrist von JESUS LIZARD, Trevor Dunn, bei MR. BUNGLE und den MELVINS am Bass unterwegs, sowie John Stanier, der seit HELMET hauptverantwortlich bei BATTLES die Stöcke schwingt. TOMAHAWK beweisen sich nun seit über 20 Jahren in diesem Nebenprojekt und `Tonic Immobility` ist ihr mittlerweile fünftes Album in voller Länge.
Schon lange bevor er mit seiner Interpretation des Themas „Teenage Mutant Ninja Turtles“ zu einem kleinen Mem wurde, reichten die unzähligen Projekte Pattons vom lässigen Crooning bis hin zur schrägen Freeform-Improvisation, und der relativ lineare Charakter TOMAHAWKS stellte vergleichsweise etwas dar, das beinahe so zugänglich war wie seine langjährige Stammband.
Seinen Ruf als Workaholic hat er sich jedenfalls auch in jüngster Zeit redlich verdient und die kurze Wiedervereinigung MR. BUNGLEs, inklusive der Neuaufnahme des ersten Demos, sowie der bereits erwähnte Beitrag zum Soundtrack eines Videospiels ließen ihn auch während der Pandemie alles andere als beschäftigungslos.
Trotz aller Talente Pattons fühlt sich TOMAHAWKS aktuelles Werk jedoch so an, als ob es in erster Linie von Duane Denisons Gitarrenarbeit inszeniert worden wäre. Seine unnachahmliche Verschmelzung von Metal, Jazz, Punk und Country-Flair erschafft jedenfalls ein durchgängig beunruhigendes Ambiente sowie den dynamischen Nervenkitzel an schriller, weiträumiger Gruseligkeit und schierer Gewalt.
Die erste Hälfte von `Tonic Immobility` ist prall gefüllt an jenen archetypischen TOMAHAWK-Momenten, wobei `Business Casual` und `Predators And Scavengers` die Angst sogar noch verstärken, bevor sie unmittelbar an die Halsschlagadern gehen.
Überall gibt es Schattierungen der verwandten musikalischen Projekte, wie etwa auch beim trampelnden, dissonanten `Doomsday Fatigue` das ganz in den dunklen Tiefen von JESUS LIZARD herumwabert oder die tuckernden, mit Testosteron beladenen Haken im HELMET-Stil bei `Fatback` oder `Dog Eat Dog`.
Patton serviert in gewohnter Weise seine spastischen Stimmanstrengungen und wechselt unter anderem abrupt von einem schrillen Kreischen zu bloßem Brüllen über und serviert seine bekanntermaßen fröhlich-vulgären Texte, wenn auch mit einem deutlich moderneren Touch.
Wie bei früheren Veröffentlichungen von FAITH NO MORE und MR. BUNGLE klingt Pattons Lyrik wie von Cartoons und Trash Cinema geprägt, aber wie bei jedem guten Comic oder Trash-Film gibt es eben auch eine dunkle Unterströmung – seine Witze sind oft grob und unsozial und begehen mühelos die schmale Linie zwischen Komödie und Albtraum.
`Tonic Immobility` bietet jedenfalls erneut Tritone, hyperaktive Vocals, schmutzige Witze und faustpumpende Refrains in Hülle und Fülle – wie bei einer Zugreise durch eine Welt, in der man nicht sein möchte, der man aber auch nicht ganz entkommen kann.
(7,5 Punkte)