ANIMAL COLLECTIVE – Crestone (Original Score)
~ 2021 (Domino) – Stil: Soundtrack/Experimental ~
Sanfte Wüstenhügel, staubige Skylines und Wasserfälle schmücken Marnie Ellen Hertzlers “Crestone”, einen Dokumentarfilm, der letztes Jahr erschienen ist und einer Gruppe von Soundcloud-Rappern folgt, die in der titelgebenden Wüstenstadt im Bundesstaat Colorado ihr Unwesen treiben. Die in der Dokumentation dargestellte bunte Crew verbringt ihre meiste Zeit damit, Musik aufzunehmen, ihre Social-Media-Marke aufzubauen und viel Gras zu rauchen.
Für die experimentellen Pop-Titanen ANIMAL COLLECTIVE könnte der Handlungsort genauso gut eine weitere Figur im Film sein. Ihre Partitur fängt die ruhige Schönheit der Crestone-Landschaft in einem charakteristisch dunstigen und traumhaften Modus ein, wobei die meisten Tracks eindeutig zum Abstrakten und einer nahezu bloßen Formlosigkeit tendieren.
Warme Texturen, gepolsterte Atmosphären und gelegentliche Soundeffekte verleihen dem Album jedenfalls ein überwältigendes Gefühl von Frieden und Behaglichkeit. Zahlreiche Tracks nutzen dabei den leeren Raum ganz erheblich, und sie vermitteln einem das Gefühl, als schwebe man wie befreit in der Luft herum.
Beim Opener `Dome Yard` etwa rieseln Synthesizer-Melodien wie Regentropfen stetig über ein minimalistisches Drum-Pattern. `Ramshack` basiert auf dem leisen Klickgeräusch von tropfendem Wasser und trägt erneut zu den amorphen, fließenden Texturen bei, die das Album durchtränken. `Benz `s Dream` klingt tatsächlich wie ein Traum, mit einer ruhigen Flut von Klavierlinien, die auf einem luftigen, ätherischen Fundament kaskadieren.
`Sand That Moves` ist zweifellos einer der markantesten Momente des Scores. Auch dieser Track ist voller Synthesizer, aber dank eines melodischen Fingerpick-Gitarrenmusters und erkennbaren Rhythmus ist es eines der wenigen Stücke, die nahezu auch Songform erzielen.
Einige Soundbites aus dem Film werden übrigens ebenfalls geschmackvoll eingesetzt und weisen auf Themen wie kreative Gemeinschaft und Brüderlichkeit hin.
`Crestone (Original Score)` ist genauso bizarr, bekifft und pervers schön wie die im Film dargestellte Community. Jeder Track verschmilzt mit dem nächsten und erzeugt eine reiche, wirbelnde Masse an wässrigem Hall – eine Sound-Gestalt, in der konventionelle musikalische Elemente erst nach wiederholtem Hören zu erkennen sind.
(7,5 Punkte)