THE WEATHER STATION – Ignorance
~ 2021 (Fat Possum Records) – Stil: Folk ~
THE WEATHER STATION existieren seit 2006. Gleichbedeutend mit dem Bandnamen steht seit jeher Tamara Lindeman im Mittelpunkt. Die 36-jährige Kanadierin ist die treibende Kraft hinter THE WEATHER STATION, die Musiker um sie herum wechseln indessen beständig.
Im Vorfeld zum fünften Album widmete sich Tamara Lindeman ausgiebig dem Klimawandel und brachte neben ihren realen Aktivitäten all ihre Gedanken in die Songs von ´Ignorance´ ein. Denn ihrer Meinung nach ignorieren alle Menschen den längst sichtbaren Klimawandel. “Crisis? What Crisis?” – fragten bereits SUPERTRAMP provozierend. Doch dieses Problem der Missachtung haben derzeit nicht nur die Friday-For-Future-Kids, sondern alle Menschen, deren Gedanken sich mit den Vorgängen vor und hinter den Kulissen der seit 2020 ausgerufenen Pandemie befassen.
Daher hat Tamara Lindeman Lieder für die Stille, für die selbst gewählte oder nur notwendige Selbstisolation geschrieben, keine Protestsongs im gewöhnlichen Sinne. Sie gibt sich als beste Freundin oder als Aktivistin. Sie spricht für sich als Individuum oder für die universellen Problematiken. Sie singt, spielt Klavier und Gitarre, Moog und Wurlitzer. Neben Schlagzeuger Kieran Adams und den Percussionisten Ian Kehoe und Philippe Melanson, spielt auch Gitarristin Christine Bougie mit.
´Robber´ erscheint kraftvoll wie eine einzige Windböe, angetrieben durch die Violinen und einem Anflug von Jazz. Im Allgemeinen spricht Tamara Lindeman hier über die Auswüchse des Kapitalismus, aber im Besonderen über die kolonialistischen Räuber bei Kanadas Neubesiedelung. Die Unnachgiebigkeit von Schlagzeug und Percussions treibt ebenfalls ´Loss´ voran und mahnt, dass Verlust auch als solcher anzuerkennen ist.
Um die Welt und seine Mitmenschen zu verstehen, sollte man einfach mal die Welt wie ein Kleidungsstück überstreifen. ´Wear´ lässt jeden das Gefühl dabei spüren. Denn jeder darf doch jedem seine Gefühle mitteilen oder auch direkt teilen, so zumindest ´Heart´ in seiner Aussage. Der Beat von ´Separated´ führt den Hörer hin zu den Folgen der Kommunikation in den sozialen Medien. Wer sich hingegen in jedem Konflikt für den Bruch entscheidet, kann ´Trust´, das wie ein R.E.M.-Song beginnt, nicht nur als Liebeslied ansehen, sondern gleichfalls politisch und kulturell bezogen.
Mit einem New Yorker Bass-Beat der 80s beginnt ´Atlantic´, und dem Ausspruch: „Mein Gott, was für ein Sonnenuntergang“ – und will uns die Sinne gegenüber der Schönheit unseres Planeten schärfen – damit dieser so schön bleibt. Daher beobachtet Tamara Lindeman im mit Streichern unterfütterten ´Parking Lot´ die Vögel in der Großstadt, die in der von uns gebauten Welt überleben müssen. Viele Streicherarrangements umranken nämlich die Mehrzahl der Songs. Obwohl ´Tried To Tell You´ vom zwischenmenschlichen Verliebtsein erzählen könnte, spricht der Song ebenso unsere Vernachlässigung gegenüber Mutter Natur an. In das wonnigste Plätzchen kann sich jeder in dieser mit dem finalen ´Subdivisions´ fallen lassen.
´Ignorance´ ist das Album, das einlädt, sich mit Joni Mitchell, ARCADE FIRE und FLEETWOOD MAC für einen Besinnungstanz aufzustellen.
(8 Punkte)