THRONEHAMMER – Incantation Rites
~ 2021 (Supreme Chaos Records) – Stil: Doom ~
Irgendwann wird alles immer gut. Gerade wenn man liebe Freunde hat, egal wo auf der Welt die sitzen. So hab ich vor einiger Zeit einen alten Weggefährten aus Plattenladenzeiten wieder aufgegabelt, den es von Norddeutschland nach Japan verschlagen hat. Wir chatten viel über den WhatsApp Messenger und schmeißen uns unsere alten, wie auch aktuellen Lieblingsbands um die Ohren. So kamen wir auf THRONEHAMMER zu sprechen, welche mein Stefan überaus gut findet und weil mein alter Freund mir etwas Gutes tun wollte, hat er mir so ohne mit der Wimper zu zucken das gerade erschienene Album ´Incantation Rites´ zukommen lassen. Wenn das vierte Stück vorüber ist, sei man komplett weggedoomt, so seine letzte WhatsApp Nachricht. Und verdammt, er hat vollkommen Recht.
THRONEHAMMER sind mir natürlich ein Begriff, auch wenn ich in ihre Musik nur oberflächlich reingehört hab. So locker sitzt die Kohle nicht und eigentlich ist Einkaufsstopp angesagt. Ich weiß, dass es Doom Metal ist, der eine gewisse schmutzige, sludgige Kante hat. Gitarrist Stuart Bootsy West, eigentlich Torsten, kenne ich von seinen Ex-Bands VERSUS THE STILLBORN MINDED (Sludgedoom) und OBELYSKKH (ebenso Sludgedoom), wobei ich letztere sehr schätze, zwei Alben in meiner Sammlung habe (ein drittes hat meine Ex in einem Wutanfall geschreddert) und sie im Rahmen des HELL OVER HAMMABURG auch live erleben durfte. Sängerin Kat kenn ich irgendwie über Facebook, hab bei ihr schon eine CD ihrer alten Band BLESSED REALM gekauft und finde sie echt töfte, als Musikerin, wie als Mensch. Nur THRONEHAMMER kannte ich vorher halt eher im Vorbeihören.
Die deutsch-britische Zusammenarbeit soll nun also auch zu mir ins Gemach kommen. Und ich bin nicht nur ob der wunderbaren Geste meines alten Freundes, sondern auch wegen der fantastischen Musik begeistert, die ich auf ´Incantation Rites´ hören darf.
Doom ist es, wuchtig, episch, monumental erhaben. Die ELECTRIC WIZARD und WINDHAND Fraktion, zwei Kapellen übrigens, die ich sehr wertschätze, bleibt außen vor. Die Sludge-/Hardcore-Fraktion ebenfalls. Aber THRONEHAMMER sind härter, schmutziger als die ganzen epischen Saubermänner wie CANDLEMASS und SOLITUDE AETURNUS. Das liegt nicht nur an dem kräftigen Gesang von Kat (und sie klingt sehr maskulin) und ihren zuweilen eingestreuten grollenden Deathmetalvocals, die ihre Wurzeln in eben jenem Sound offenbaren (Kat ist inzwischen auch 45 und ein Urgestein der 90er UK Underground Szene in beiden Lagern, Doom und Death Metal). Da ist etwas in den Songs, das dem Epic Doom-Metal Puristen die Ohren gewaltig aufreißt, obgleich Stuart und seine Rhythmuscrew eine epische Erhabenheit durch große, mystische Melodien und entsprechend machtvoll stampfende Rhythmik kreieren. Die Gitarre von Stuart klingt einfach roher, dunkler, monolithischer und die Riffberge werden immer wieder von singenden Tönen umspielt, die aber nicht nach den im epischen Metaldoom so gerne zitierten altmetallenen Einflüsse klingen, nicht nach edlen, gepflegten Hochglanzriffs und -läufen, sondern eher nach öligen, schwer ächzenden alten Maschinen, die ein überdimensionales Räderwerk betreiben.
Aber nach wie vor ist das hier Doom, so TRUE wie Doom nur sein kann. Die Höchstgeschwindigkeit liegt im majestätischen Stampfen und Schreiten, wie allein ein Gottwesen über diesen Planeten zu schreiten Vermag. Ob das nun eher der große Cthulhu oder eine uns Menschenwürmern freundlicher gesonnene Entität ist, muss jeder beim Anhören der CD selbst entscheiden. Fest steht, dass die Band hier tatsächlich Hymnen geschmiedet hat, welche die Grenzen des Doom immer im Auge behalten und doch einen Schritt weiter gehen. Virtuos wird gerifft, gebasst und getrommelt. Das tosende, wogende Spiel des Schlagzeugs ist ein besonders vergnüglicher Aspekt des Albums. Der Schlagzeuger errichtet wunderbare Figuren, lässt den imaginären Riesen über das Antlitz des Planeten schreiten und schiebt die Stücke vorwärts, sehr gnadenlos sogar. Der Bass ist dagegen unauffällig, aber sehr präzise und bei aller Reduzierung auf die Notwendigkeiten im Spiel doch ein absoluter Stützpfeiler dieses Klangs. Komplex sind die Aufbauten der Musik, die sich hochtürmt und auf deren Spitze der Thron steht, welcher Gesangskaiserin Kat einen feinen Sitzplatz bietet, von dem aus sie mit ihrer Stimme die Welt beherrscht.
THRONEHAMMER haben ein Album geschaffen, welches locker eine Menge aktueller Doomalben, von denen so unglaublich viele auf höchstem Niveau stattfinden, erblassen lässt. Jetzt weiß ich auch, was ihnen bei aller Melodik abgeht. Es ist einfach unkitschige Musik und doch packend, eingängig, wenn man so will, aber gleichsam gewaltig. So machtvoll morbide wie der schwarze Monolith aus Robert E. Howard’s Kultgeschichte. Dieses Album entfacht eine spirituelle Sogwirkung, die Dich als Hörer auf der Stelle aus der Realität beamt und in eine Parallelwelt versetzt, die sich in irgendeinem Höhlensystem abspielt, wo eben jene schon von mir erwähnte Maschine als Lebensgeber und -erhalter ächzt und stöhnt und merkwürdige dunkle Gestalten, denen man ihre Wurzeln in der Menschlichkeit kaum mehr ansieht, ihr Leben fristen.
Ruhige Momente gibt es tatsächlich auch und THRONEHAMMER bleiben dabei stets im Rahmen dessen, was der klassische Doom und Doommetal epischer Machart als unumstößliche Genreeckpfeiler vor Jahrzehnten bereits festgeschrieben haben. Aber sie bauen diese Klangwelt neu nach ihrem Gutdünken auf.
Also doch modern, abseits der Traditionen? Oder nicht? Bei THRONEHAMMER kann man nie sicher sein, sie haben Läufe, Riffs, Rhythmen, die ganz eindeutig im klassischen Hardrock und Metal verwurzelt sind und die auch Herz und Seele der Musik sein sollen, aber sie füttern den klassischen Ansatz mit frischer Kreativität. Sie könnten so niemals 1986 stattgefunden haben und sind doch gar nicht weit von den alten Heldenplatten weg. Ich kann mich gerade vor Begeisterung kaum halten. Die letzte derartig prägende Platte im Doommetal haben vor fast zwanzig Jahren die verrückten Finnen REVEREND BIZARRE mit ihrem Debüt veröffentlicht.
Je weiter man in den Klangkosmos auf ´Incantation Rites´ vordringt, desto weniger relevant ist die physische Realität. ESOTERIC, Englands Vorzeige Deathdoomer haben mit ihrem Debüt 1994 solch eine Monstrosität von Album erschaffen, aber weit, weit weniger den Aspekten verhaftet, welche die True Doom Fanatiker mitnehmen. Ach, keine Ahnung. Mein Freund Stefan hatte Recht, der hatte einfach Recht. Wenn Du den vierten Song durch hast, bist Du soweit weggedoomt, dass Du einfach in den Klängen von THRONEHAMMER verharrst und wenn die CD um ist, dann hast Du zumindest für eine Weile keine andere Musik im Player, weil es danach einfach nichts mehr gibt und Du selbst erstmal den Weg zurück in eine Welt finden musst, die mit jedem Durchlauf des Albums ein wenig karger anmutet.
Kein Vertun. Kat, Stuart und ihre Crew haben hier abgeliefert, wie lange schon keiner mehr abgeliefert hat. 10 von 10.