DE WOLFF – Wolffpack
~ 2021 (Mascot / Rough Trade) – Stil: Classic Rock ~
Wir haben 2021 und ein neues DE WOLFF-Album landet auf meinem Schreibtisch. Und was sagt mir das jetzt? Ich habe daheim das ´Orchard – Lupins´ Album und die vorherige EP im CD-Ständer und sie bisher nicht rausgeworfen und auch lange nicht gehört. Ich habe vor einiger Zeit ihre, für ganz wenig Geld auf Tournee aufgenommene und produzierte ´Tascam Tapes´ Scheibe gehört und fand sie nicht übel. Aber Geld ausgegeben habe ich für DE WOLFF irgendwie noch nie. Anders als bei den bekannten Retrorock Größen wie KADAVAR, GRAVEYARD, BLUESPILLS, HORISONT. Ist das bezeichnend? Nun, vielleicht nicht.
DE WOLFF haben eine recht moderne Art, an den Sound von 1968 bis 1972 heranzugehen, was sich im Gitarrenfuzz und diversen Soundaspekten äußert, die es damals so nicht gegeben hätte. Lebendig ist ihre Musik natürlich und bei aller frischen Jugendlichkeit, inzwischen sind die Jungs doch auch über 30, hat die Musik eine alte Seele.
Der Opener ´Yes You Do´ steht stellvertretend für das, was uns DE WOLFF hier auf Albumlänge auftischen. Zackige, funkige Grooves, alles irgendwie klanglich fuzzy und auf gewisse Weise angenehm schmutzig wirkend. Der Charme einer verrauchten Insider Nachtbar dampft regelrecht aus allen Poren dieses Songs. Die Komposition ist zwar eingängig gehalten, lebt aber von den verspielten Instrumentalpassagen, wo die Orgel als Leitinstrument sehr häufig zur Geltung kommt. So erhält das Stück fast schon einen progressiv jammigen Ausdruck bei aller Geradlinigkeit. Die Gesangsmelodien inklusive Refrain sind recht bodenständig und durchaus packend, obgleich ihnen die große Originalität abgeht. Sie sind einschmeichelnd, ohrenfreundlich und wirken vertraut. Ein schöner kleiner Groover.
Der soulig-bluesige Garagerock der späten 60er taucht dann auch in ´Treasure City Moonchild´ auf. Hier klingen die drei Niederländer noch originaler, noch authentischer und auch dieser straighte Kraftrocker hat wieder einen ganz vertrauten Ausdruck. Das ist einerseits ein Makel, da ich dann auch solche echten 69er Kapellen wie THE ILLUSION oder BLACK PEARL anhören kann. Was ich natürlich daheim auch ganz offen und ehrlich mache. Es ist halt für damals typischer Rock mit kräftigerem Wesen, den uns DE WOLFF hier vorsetzen und von A bis Z geklaut. Aber so gut geklaut, dass der 60er-Jahre-Freak hier vor Verzückung mit den Ohren schlackert. Ab und an hört man eher zur jüngeren Zeit gehörende Effekte und wird dadurch auch daran erinnert, dass hier eine Retrorockband agiert. Nicht innovativ, aber absolut unterhaltsam. Und wieder sehr verspielt. Das Gitarrensolo in der Songmitte ist herrlich intensiv und zerbröselt schlichtweg alles, was sich ihm in den Weg stellt.
´Do Me´ ist eine soulige Rockballade, die ebenfalls bestens in die Zeit passt, 69 bis 72, sehr soft, sehr schmusig, etwas melancholisch. Und ein schöner Kontrast zu den beiden eröffnenden Rockern. Orgel, Mellotron, E-Piano und die sanft fudelnde E- Gitarre neben der sehr sanften, plüschigen Stimme machen den Song aus. Hier wird wirklich samtig und seidig die Grenze zum Schmalz überschritten. Ein erdiger Südstaatenrocker namens ´Sweet Loretta´ sorgt wieder für einen Ausgleich und schubbert den ganzen Flausch aus den Gehörgängen. Das Spielchen mit dem Ideendiebstahl bei den alten Helden der Rockmusik und der erfrischten Eigenverwertung geht natürlich weiter und so langsam bekommt man sogar als langjähriger Nichthörer von DE WOLFF eine Idee, was die eigene Identität der Band ausmacht. Und von der Band neu interpretierte urtypische Musik der Classic Rock-Ära hat auf einmal eine Unwiderstehlichkeit an sich, die einen förmlich zur Freude zwingt.
´Half Of Your Love´ ist dann wieder souliger Rock mit softerer Ausrichtung. Also, sehr soulig und sehr soft, aber keine Ballade. Dazu passt hervorragend der quäkige Eunuchengesang, den der Soul jener frühen 70er Tage nicht selten mit sich brachte. Auch hier gilt, aller bestens geklaut und haargenau reinterpretiert, nicht die Komposition an sich, sondern der Klang und die Harmonien der Zeit und des Genres. Der Mittelteil ist kräftiger, zerrige Orgel, zerrige Gitarre, peitschender Rhythmus, ein schöner Kontrast. Damit gehen DE WOLFF zwar sehr weit in den Pop hinein, aber sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, eben keine reine Hardrockband zu sein wie KADVAR oder GRAVEYARD.
Schmieriger Bluesrock wird dann auf ´Lady J´ geboten. Dieser Song ist nach wie vor eine exakte Kopie der Musik von 1969 und 1970, aber auch wieder gerade noch so mit der DE WOLFF’schen Eigensinnigkeit gesegnet, dass er bei allem Beharren auf den Traditionen des Genres noch seine Persönlichkeit zeigt. Nie zu hart, nie zu wild, aber durchaus erdig und kraftvoll mit coolen Gesangslinien und brodelnden Riffs. Das Solo ist endgeil, auf einem treibenden Unterbau gelegen, dampft die Leadgitarre direkt in die Seele hinein. ´Roll Up The Rise´ ist Rock, ist Funk, ist ein wenig Blues, hat einen packend groovigen Beat, eine herzerwärmende Südstaatenatmosphäre, die einen direkt ans Ufer des Mississippi verschlägt. ´Bona Fide´ hingegen rockt und stampft erdig mit knirschend zerrigen Gitarren und viel Dreck aus den Boxen direkt auf Deinen frisch gesaugten Wohnzimmerteppich. Die Hammond bollert kratzig und schmutzig unter den jaulenden Gitarren dahin und man hört sogar ein E-Piano.
Beide Nummern sind schön, aber nicht so recht auffällig im Gesamtkontext. Groovig wird es dann wieder mit ´R U My Saviour´, wo sogar eine Bläsertruppe integriert wird. Fluffig cooler Westcoastfunkrock halt. Kann dann der ´Hope Train´ noch was retten? Eine rohe Aufnahme, Akustikgitarre, das klingt wie Bluesfolk aus den 40ern. Ach, okay, das war nur ein Intro. Zerrige Gitarren auf spannendem Trommelgewirbel leiten dann in den moderneren Rocksong über. Moderner, naja, nicht so ganz. Natürlich ist auch hier der 70er Sound allgegenwärtig. Die atmosphärische, verspielte Komposition bluesrockt uns mit psychedelischer Note direkt in die ewigen Rauchschwaden und stimmt mich nochmals wohlwollend.
Ich habe die letzten Stücke einmal als Block zusammengefasst, weil ich merken musste, dass DE WOLFF sich tatsächlich nicht mehr von ihrer 69 bis 72 Schiene fortbewegen, alles klauen, was ihnen in die Finger kommt und zu ganz geilen Songs verarbeiten. Keine Innovation, sondern einfach viel Gefühl für die richtige Melodie an der richtigen Stelle und ein leidenschaftlicher Ausdruck, selbst in den schmalzigsten Momenten, sind es, welche dieses Album dann zu einem Must-Have für Retrorockfanatiker und 60er / 70er Fans machen, sofern diese auf Abwechslung stehen.
GRAND FUNK RAILROAD, ROLLING STONES, MOUNTAIN und CREAM treffen hier auf Stevie Wonder und die JACKSON 5 mit einem Hauch FUNKADELIC. Das muss erstmal verdaut werden, aber gute Songs sind gute Songs. Ich persönlich behalte die Band einmal im Auge und checke ihren Backkatalog. Sie wären ja auch nie so erfolgreich geworden, wenn sie nicht wirklich Klasse hätten. Für das aktuelle Album eine solide 8.