DEATH ANGEL
~ Die Unkaputtbaren ~
Beim Stöbern auf Discogs fallen mir gerade DEATH ANGELs `The Enigma Years (1987-1990)` ins Auge. Eine 4-CD Box, die ziemlich interessant klingt. Bevor ich sie aber gleich kaufe, check ich lieber nochmal, was so alles von der Bay Area-Truppe im Regal steht. Shit, richtig, alles, was in der Box geliefert wird, war schon einmal veröffentlicht und steht in der Sammlung. Also weg damit.
Gleichzeitig ist jetzt aber Lust auf das grandiose Debüt `The Ultra-Violence` aufgekommen. Als das Album 1987 veröffentlichte wurde, war das hier ein Dauerläufer. Und auch über all die Jahre hinweg hat dieses Album nichts von seiner Klasse verloren.
Irre mit welcher Power, Energie und vor allem mit welcher Originalität die Jungs hier agierten. Für mich persönlich eines der fünf wichtigsten Thrash Metal-Debüts, die in den Achtzigern aus der Bay Area kamen. Während die Konkurrenz mit zweieinhalb bis dreiminütigen Thrash Metal-Bomben zu überzeugen wussten, hatten DEATH ANGEL keinerlei Probleme damit, ihre massiven Thrash-Orgien auf 4-7 Minuten auszudehnen, ohne sich dabei zu verlieren.
Also eigentlich mal Zeit, um sich den gesamten Back-Katalog DEATH ANGELs vorzunehmen. Denn es war rückblickend über die Jahre gesehen nicht alles auf höchstem Niveau. Mit neun Studioalben seit der Gründung ist die Sache noch übersichtlich. Zu diesen Veröffentlichungen kommen noch diverse Live- sowie Compilation-Releases. Wobei sich die Tracklisten bei den Compilations fast komplett überschneiden. Aber dazu später.
DEATH ANGEL werden 1982 in S.F. gegründet und fallen durch die Filipino-Wurzeln der Bandmitglieder auf. Zudem ist die Band fast schon als Familienunternehmen zu sehen. 1983 veröffentlicht man mit dem `Heavy Metal Insanity` Demo ein erstes Lebenszeichen, das sich musikalisch allerdings eher als normaler Metal mit englischem Einfluss outet. Zu diesem Zeitpunkt beginnt es in der S.F. Szene zu brodeln und die später als Bay Area-Thrash Metal-Szene bekannte Bewegung expandiert in einem enormen Tempo. Junge Thrash Metal-Bands übernehmen die Szene und setzen neue Maßstäbe in Sachen Härte und Kompromisslosigkeit. Das geht auch an DEATH ANGEL nicht vorbei. Mit dem Einstieg von Sänger Mark Osegueda spielt man dann das zweite Demo `Kill As One` ein. Dieses legendäre 3-Track-Demo ebnet den Weg zu einem Albumdeal und rüttelt gleichzeitig die Untergrundszene enorm durch. Produziert wird dieses Demo von keinem geringeren als METALLICAs Kirk Hammett!
Enigma nehmen DEATH ANGEL unter Vertrag und stellen die sehr junge Band, alle sind weit unter 20 Jahre und Drummer Andy Galeon ist gerade einmal 14 Jahre alt, ins Studio, wo man jenes legendäre Debüt namens `The Ultra-Violence` einhämmert.
Beginnen wir also mit dem Album, mit dem DEATH ANGEL ihren Namen in der Thrash Metal Szene zementieren: `The Ultra-Violence`. Einem Thrash Metal Meisterwerk, einem echten Klassiker des Genres, ausgestattet mit Songs, die auch 2021 einen komplett vom Hocker fegen. Schnell, hart, kompromisslos und was sogar noch wichtiger ist: Eigenständigkeit. Ihr Stil mit den furiosen Doppelgitarren und vielen Tempo- sowie Rhythmuswechsel ist damals einzigartig. Mit fünf All-Time-Klassikern auf dem Album (´Thrashers´, ´Evil Priest´, ´Kill As One´, ´The Ultra-Violence´, ´Mistress Of Pain´) ist dieses Album DEATH ANGELs Referenz-Werk. Die frische, ungezügelte Energie der Jungs ist schwer in Worte zu packen. Dazu einzigartige Kompositionen deren Klasse man auf den weiteren Alben nur noch selten erreichen wird. Stellvertretend für das gesamte Album steht der Opener `Thrashers`, der sieben (!!!) Minuten pure Raserei darstellt. Sozusagen ein Thrash Metal-Longtrack, der sich jenseits der 3-Minutenregel bewegt und schon dadurch einen Klassiker-Status besitzt.
Man unternimmt aber nie gezielt den Versuch, sein Debüt zu kopieren, das muss man rückblickend der Band allerdings zu Gute halten. `The Ultra-Violence` wird bis heute in verschiedenen Varianten immer wieder mal veröffentlicht. Allerdings leider nie in einer Do-Vinyl-Auflage, wo der Sound wohl richtig zur Geltung kommen könnte.
Wer nichts von der Band bisher in der Sammlung stehen hat, dieses Album sollte der Einstieg und eventuell auch das einzige sein, das man haben sollte. Gleich nach Veröffentlichung des Debüts spielt die Band sogar Shows mit z.B. VOI VOD oder EXODUS und tourt umgehend.
Nur ein Jahr später schiebt man `Frolic Through The Park` nach. Schon das Cover Artwork lässt die Augenbraun hochzucken. Untypisch für Thrash Metal-Verhältnisse. Und dieses schräge Artwork spiegelt sich dann auch im musikalischen Geschehen des Albums wieder. Steigt man noch mit einem fetten Hammer wie `3rd Floor` ein, wird der fiebrige Fan allerdings im weiteren Verlauf des Albums immer wieder mal mit Songs ausgebremst, die nicht wirklich in den Gesamtkontext passen wollen. Dass DEATH ANGEL den KISS-Song `Cold Gin` auf diesem Album covern, muss eigentlich schon aufschrecken. Von den elf Songs dieses Albums ist die Hälfte auf einem hohen Niveau, ohne allerdings das Debüt zu erreichen, denn man wird das Gefühl nicht los, die Songs sind etwas einfacher ausgefallen. Weitere zwei/drei Songs sind interessant und auch gut, aber nicht mit den ganz speziellen DEATH ANGEL-Akzenten ausgestattet. Allerdings gibt es neben der blassen KISS-Coverversion mit `Confused` sowie dem funky-groovigen `Open Up` drei Songs, die das Album runterziehen. Rückblickend muss man den Mut der Band anerkennen, sich musikalisch anders aufzustellen. Die Presse reagiert damals meist etwas verwirrt und dementsprechend eher verhalten fallen die Reviews aus. Dass das Album überraschenderweise von Davy Vain (VAIN) und dem jungen Drummer Andy Galleon sowie Bandleader und Gitarrist Rob Cavestany zusammen produziert wird, ist vielleicht einer der Gründe warum dieses zweite Album nicht so gnadenlos straight nach vorne los geht. Gerade kürzlich wurde dieses Album von “Music On Vinyl” als Do-LP veröffentlicht , was schon einmal durch „Metal Blade Records“ 2016 geschah, nur hatte die Version keine Bonustracks. Die neuaufgelegte Version in “Silver Wax” enthält mit `Silent Killer`, `Witches Of Knave`, `Dehumanization` drei Bonusstücke. Wenn ich mich richtig erinnere, spielten DEATH ANGEL im Veröffentlichungsjahr 1988, zusammen mit ASSASSIN, eine Handvoll Deutschlandshows.
Dass die junge Thrasher auch ins Blickfeld der Majorlabels geraten, ist irgendwie abzusehen. Und Bingo, „Geffen Records“ treten an die Band heran, lösen DEATH ANGEL aus dem Vertrag mit „Enigma“ und veröffentlichen 1990 `Act III`. In der Szene kommt das nicht wirklich gut an, denn mit Max Norman, der u.a. MEGADETH, OZZY, SAVATAGE, etc., schon produziert hat, stellt man einen Produzenten mit ins Studio, der zwar unter kommerziellen Gesichtspunkten der richtige Mann ist, aber in der Thrash Metal-Szene auf Ablehnung stößt.
Dass viele Fans `Act III` nicht wirklich als Thrash Metal durchgehen lassen ist eher kleinkariert. 1990 ist der Beginn von dem, was man als den Abstieg des Thrash Metal rückblickend sieht. DEATH ANGEL sind so gesehen in einer unkomfortablen Position. Man hat sie gesigned mit der Aussicht auf hohe Verkaufszahlen. Die Szene ist gerade dabei, sich grundlegend musikalisch neu aufzustellen und im gleichen Augenblick will man die Altfans nicht vor den Kopf stoßen. Eine äußerst verzwickte Situation für die junge Band, die aber mit `Act III` eine saubere Lösung präsentiert. Mit zwei Balladen an Bord, schreien umgehend die Immer-Nörgler gleich los: „kommerzieller Ausverkauf“! Dass aber gerade eine der beiden Balladen zu einem der wichtigsten Songs in der Karriere von DEATH ANGEL wird, hat keiner auf dem Schirm. `A Room With A View` wird auf MTV regelmäßig gespielt, was der Band einen deutlich Push in Richtung Popularität gibt. Ich bin beileibe kein Balladen-Nerd, aber die Nummer ist doch ein angenehmer Ohrwurm. Dass das Album dennoch kein Verkaufserfolg wird, liegt dann wiederum an einer recht knalligen Ausführung einiger Songs, die sich unter knapp 40% Füllmaterial mischen. Der unbedarfte Hörer, welcher durch die Ballade eventuell das Album kauft, wird durch die beiden ersten Tracks `Seemingly Endless Time` sowie `Stop` eher geschockt. Denn hier zeigen DEATH ANGEL woher sie kommen und liefern ihre gnadenlos einmalige und unverwechselbare Doppelgitarrenpower, die die Gehörgänge umpflügt. Die hektische Spielweise des Debüts findet sich eigentlich nicht mehr auf dem Album, aber die Gitarrenarbeit ist dennoch brillant. Ebenso kommen die breiten mehrstimmig gesungenen Refrains zurück. `Act III` ist ein sehr ambitioniertes Werk. DEATH ANGEL beweisen, man muss seine Thrash Metal-Roots nicht verraten, um ein kreatives Album zu liefern. Neben fetten Thrash Boliden wie `The Organization`, EX-TC` und den beiden Eröffnungsnummern kann auch das eher weniger thrashige Material komplett überzeugen. Aufgrund des Albums können die Jungs massiv touren und bekommen auch hochprofitable Tourneen angeboten, aber eine weltweite Dominanz soll nicht sein. Während einer US-Tour auf dem Weg nach Las Vegas kommt es zu einem Unfall mit weitreichenden Folgen. Das jüngste Bandmitglied, Drummer Andy, wird so schwer verletzt, dass über ein Jahr Auszeit für ihn ansteht. Das Label bedrängt die Band mit einem temporären Drummer weiterzumachen, was im Bandcamp nicht gut ankommt. Nach einem kurzen Japan-Trip, mit einem angeheuerten Drummer, geht langsam das Licht bei DEATH ANGEL aus. Weitere Probleme folgen, man überwirft sich mit dem Label etc, was letztendlich dazu führt, dass Sänger Mark Osegueda die Band verlässt und “Geffen” den Vertrag aufkündigt. Nach nur drei Alben steht eine der vielversprechendsten Thrash Metal-Bands der Bay Area vor dem Aus. Im laufenden Jahr 1991 wird dann leider klar, DEATH ANGEL sind Vergangenheit. Die verbliebenen Mitglieder ohne Mark, inkl. des inzwischen guterholten Andy, gründen THE ORGANIZATION und veröffentlichen zwei Alben, die stilistisch allerdings dem DEATH ANGEL-Sound komplett abgeschworen haben.
Während dies alles geschieht, kommt das alte Label „Enigma“ auf die Idee, noch schnell ein Livealbum auf den Markt zu schmeißen, um ein bisschen Kohle nebenbei einzufahren, mit einer Band, die man gerade verkauft hat. Gerüchte besagen, dass das Livealbum `Fall From Grace` ein nicht autorisiertes Album sei. Die Band hat keinerlei Einfluss auf diesen Release. Dementsprechend billig und lieblos ist auch die Aufmachung. `Fall From Grace` wird 1988 im “Paradiso” in Amsterdam aufgenommen und ist ursprünglich nicht als Livealbum geplant. „Enigma“ nutzen im Zuge der Veröffentlichung von `Act III` den Hype und veröffentlichen dieses Livealbum. Gehen wir davon aus, dass `Fall From Grace` also ein offizielles Live Bootleg ist, dafür ist der Sound dann sehr ordentlich und authentisch und vor allem nicht nachbearbeitet. Die Songauswahl, was selbstredend ist, besteht aus Tracks der beiden ersten Alben. Wobei man von `Frolic Through The Park` kurioserweise die schwächeren Songs spielt. Ein akzeptables Livedokument und somit auch das vorerst letzte Lebenszeichen der hoffnungsvollen Bay Area Combo.
2001 verdichten sich die Gerüchte, dass DEATH ANGEL auf einer Benefit Show für TESTAMENT-Fronter Chuck Billy auftreten sollen. Unter dem Titel „Thrash Of The Titans“ spielen Bands wie SADUS, ANTHRAX, S.O.D., VIO-LENCE, FLOTSAM & JETSAM, EXODUS, HEATHEN etc. auf. Witzig dabei ist, dass sich nach dieser Show EXODUS, HEATHEN und auch DEATH ANGEL offiziell als Bands zurückmelden. DEATH ANGEL spielen daraufhin noch ein paar US-Shows und kommen sogar für Gigs nach Europa. Das Feuer brennt wieder und für 2004 wird ein neues Album angekündigt.
14 Jahre nach `Act III` wird `The Art Of Dying` veröffentlicht. Ein Comeback-Album, das auf großes Interesse stößt, und vor allem eines erst einmal produziert: einen extrem hohen Erwartungsdruck. Nicht im Original-Line up, aber zumindest im Fast-Original-Line up, Rob Cavestany, Mark Osegueda, Ted Aguliar, Andy Galeon und Dennis Pepa, startet der zweite Frühling für die Bay Area-Jungs.
`The Art Of Dying` ist für die Fans der ersten Stunde nicht der erwartete Heilsbringer. Nur zum Teil agieren DEATH ANGEL in Richtung des ersten Albums. Aber wenn man ehrlich zu sich selbst ist, dann ist es doch eigentlich naiv zu denken, die Jungs würden da weitermachen wo `The Ultra-Violence` endete. Was ja auch zeitlich gesehen eigentlich nicht möglich ist, immerhin liegt hier eine Zeitspanne von 17 langen Jahren dazwischen. Dass sich Menschen/Musiker musikalisch und persönlich verändern ist ein Fakt und dass sich dies dann letztendlich auf die Kreativität auswirkt unbestritten. `The Art Of Dying`, das kann man rückblickend nun sagen, ist ein Mix aus den drei ersten Alben, gepaart mit der musikalischen sowie persönlichen Entwicklung der beteiligten Musiker. Die harten, thrashigen Nummern gehen tendenziell Richtung `Act III`, wie der fulminante Opener `Thrown To The Wolves` deutlich beweist. Während die folgende Nummer schon wieder eher an `Frolic Through The Park` erinnert. `Thicker Than Blood` liefert dann erstmals die Rasanz und den Spielwitz des Debüts. Was grundsätzlich auffällt, die Band bemüht sich um eine hohe Musikalität und Abwechslung. Es fällt aber auch auf, dass die schnellen Thrash-Granaten einfacher gestrickt sind wie das Material des Debüts. Und mit Songs wie `Famine` oder `Word To The Wise` oder `Never Me` hat man sich keinen wirklichen Gefallen getan. Erinnern solche Tracks doch nicht wenig an den kurzlebigen Sidekick THE ORGANIZATION. Was bleibt mit dem Comeback-Album, sind eine Handvoll Songs, die den alten Spirit nicht zu 100 Prozent einfangen, aber zumindest die richtigen Spuren für zukünftige Alben vorgeben. Persönlich kann ich mit dem Album recht viel anfangen, zumal es durch eine, wie schon erwähnt, hohe Musikalität glänzt und sich nicht nur auf Härte und Brachialität versteift.
Das Album wurde in verschiedenen Formaten veröffentlicht, wobei eine limitierte Box mit einer Live-DVD von einer Show in Pratteln vom 17.11.2003 eine der interessantesten Varianten darstellt, da die Setlist der Show echt superb ist.
Ein knappes halbes/dreiviertel Jahr später, allerdings schon 2005, erscheint mit `Archives And Artifacts` ein nettes Boxset mit den ersten beiden Alben samt Bonustracks. Des Weiteren findet sich eine CD mit an Bord, die “B-Sides und Rarities” beinhaltet und eine DVD mit offiziellen DEATH ANGEL-Videoclips, Interview etc… Die erste Pressung des Boxsets wird allerdings verhunzt. Die Bonustracks der beiden ersten CDs werden vertauscht bzw. das `Kill As One` Demo, ursprünglich als `The Ultra-Violence` Bonus gedacht, findet sich überhaupt nicht auf der Fehlpressung. In der Zweitauflage ist der Fehler dann korrigiert. Interessanterweise wird die Fehlpressung billiger gehandelt als die korrigierte Neuauflage. Erwähnte B-Sides-CD wird von “Enigma” auch in einer Einzelversion unter dem Titel `Rarities` veröffentlicht. Eigentlich unnötig, zumal das `Archives And Artifacts` Boxset günstig angeboten wird.
Vier Jahre lassen sich DEATH ANGEL Zeit um einen Nachfolger von `The Art Of Dying` aufzunehmen. 2008 erscheint `Killing Season` und macht deutlich, die Jungs agieren nun weniger vielfältig und liefern deutlich mehr puren Thrash Metal als auf dem Vorgänger. Die Marschrichtung ist klar: Konsequent nach vorne, hohes Tempo, aber auch hier auffällig: die Tracks wirken weniger komplex als auf ihrem Benchmark-Album `The Ultra-Violence`. Dennoch lässt sich ohne große Umschweife erkennen, hier sind DEATH ANGEL am Werk. Was u.a. auch an Marks unverwechselbarem Gesang liegt. Das in DAVE GROHLs Studio aufgenommene Album wirkt in seiner Gesamtheit weniger zerfahren als der Vorgänger und verdeutlicht, dass Gitarrist Rob Cavestany die dominante Figur in der Band ist. Das Album ist durchweg recht stark, aber Tracks wie `When Worlds Colide` oder `God Vs God` haben eine deutlich modernere Ausrichtung, die ein gewisses “Geschmäckle” hervorrufen. Dafür überzeugen gut ausgearbeitete Stücke wie `Land Of Hate`, `Dethroned` oder `Buried Alive` auf Anhieb. Aber selbst dieses Tracks sind nicht wenigen Thrash Metal Puristen ein Dorn im Auge, weil nicht Old School genug. `Killing Season` ist daher die Fortsetzung des Vorgängers, nur etwas direkter.
2009 kommt kein neues Studioalbum, dafür das erste offizielle Livealbum: `Sonic German Beatdown-Live In Germany`. Aufgenommen auf dem “Rock Hard Festival 2007”, ist es eine gute Momentaufnahme einer Band, die versucht, nicht zwischen Tradition und Moderne aufgerieben zu werden. Die Veröffentlichung kommt als CD/DVD-Package und enthält neben dem erwähnten Gig auf dem “Rock Hard Festival” auf der DVD noch eine weitere Show von 2008 in Adelsheim. Als “CD only“ Release hat es den Rock Hard-Gig nur in Japan gegeben und auf einer limitierten Vinyl-Version. Ansonsten nur CD/DVD-Kombi. Alles nett, aber wirklich ein Must-Have ist das Teil nicht. Für Komplett-Fetischisten interessant, gerade weil sich die Setlisten der beiden Shows sehr unterscheiden.
Erst 2010 steht ein neues Studioalbum in den Läden. Inzwischen haben sich Bassist Dennis Pepa und Drummer Andy Galeon verabschiedet und werden durch Will Carroll (Drums) sowie Damien Sisson (Bass, POTENTIAL THREAT, SCARECROW) ersetzt. Letzterer ersetzt den kurzfristig eingesprungenen Sammy Diosdado. In diesem Line-up prügelt man, im wahrsten Sinne des Wortes, `Relentless Retribution` ein. Nach zwei eher durchwachsenen Alben seit dem Comeback, liefert man nun endlich ein brachiales Thrash Metal-Monster. Die Stücke sind trotz der enormen Härte wieder anspruchsvoller ausgefallen und weniger auf das nötigste reduziert. Nummern wie `River Of Rapture`, `This Hate`, `Truce` oder der Titeltrack hinterlassen nichts wie verbrannte Erde durch leicht hektisch getriebene Riffs. Auch kommen deutlich mehr Tempowechsel in den Stücken vor, die dann den typischen DEATH ANGEL-Spirit aufflammen lassen. Einer der wenigen Songs, der durch einen echt scheußlichen Gesangseinsatz negativ auffällt, ist `Claws In So Deep`, der allerdings von der Gitarrenseite her großartig ist. Das hart-groovende `Opponents At Sides` wächst mit der Zeit enorm, obwohl das Stück bei den ersten Durchgängen nicht so ganz ins Albumkonzept passen will. Was sie hier auch nicht ablegen können, ist der Hang zu Balladen. Die liefern sie mit `Volcanic`, bei der vermutlich Mark nicht singt, sondern diesen Part an Rob abgibt. Nett, aber nicht zwingend. Unter den zwölf Songs also drei, die nicht ganz ins Schema passen, aber die das Album auch nicht wirklich schwächen. Produziert hat das Album übrigens Jason Suecof in Florida, der bis dahin Metalcore Bands wie AUGUST BURNS RED, THE BLACK DAHLIA MURDER, WHITECHAPEL oder TRIVIUM produziert hatte. Zu diesem Album tourten DEATH ANGEL in Europa im Rahmen der „Thrashfest Tour“ zusammen mit EXODUS, KREATOR und SUICIDAL ANGELS.
Es dauert drei Jahre bis sich die Amis mit ihrem siebten Studioalbum zurückmelden. `The Dream Calls For Blood` nennt sich der Zehn-Tracker, der umgehend verdeutlicht, DEATH ANGEL führen die Linie vom Vorgänger fort, gehen dabei aber auch weit in die Vergangenheit zurück. Nicht dass das legendäre Debüt Pate gestanden hätte, aber das, was DEATH ANGEL hier liefern, ist von der Kompromisslosigkeit nach dem Debüt das konsequenteste. `The Dream Calls For Blood` ist in der DEATH ANGEL-Discografie das `The Ultra-Violence` des neuen Jahrtausends, aus meiner unbedeutenden Sicht. Auf diesem Album dominieren all die Aspekte, die eigentlich die Old Schooler seit der Reunion vermisst haben. Schnelle, teils rasende Songs, enorme Tempowechsel, die hektisch harten Riffs, die unerwarteten Breaks, ein Osegueda, der hier so nach Debüt klingt, dass man verblüfft den Kopf schüttelt. Interessanterweise sehen das die Fans in den USA auch so und so schafft es das Album in die Billboard Charts! Komischerweise hat das Album in der deutschen Thrash Szene keinen Eindruck hinterlassen, obwohl es das DEATH ANGEL-Album ist, das am meisten an `The Ultra-Violence` erinnert. Das alleine sollte schon einen Kauf rechtfertigen.
Die Band tourt sich den Arsch wund, legt erst einmal Pläne für ein weiteres Studioalbum auf Eis und veröffentlicht stattdessen `A Thrashumentary`. Darin wird die Geschichte der Truppe aufgearbeitet und die DVD wird mit einer Live-CD namens `The Bay Calls For Blood (Live in San Francisco)` aufgewertet. Genau diese CD wird im gleichen Jahr noch einmal als Einzel-Release in CD- und Vinyl-Format mit dem gleichen Titel rausgehauen. Der Zehn-Tracker hat einen satten, kraftvollen Sound. Allerdings ist die Songauswahl eher von den letzten Alben geprägt. Vom Debüt findet sich überraschenderweise kein Song in der Setlist. Nett, aber nicht zwingend.
Standen zwischen `Relentless Retribution` und `The Dream Calls For Blood` drei Jahre im Raum, sind es nun wiederum drei Jahre zwischen letztgenanntem und dem achten Studioalbum namens `The Evil Divide`. Wiederum sitzt Produzent Jason Suecof zusammen mit Rob Cavestany am Mischpult. `The Evil Divide` setzt ohne jegliche Verwässerungen die eingeschlagene Richtung des Vorgängers fort, geht sogar noch einen kleinen Schritt weiter in die Vergangenheit. `The Evil Divide` ist ein lupenreines, knallhartes Thrash Metal-Album, das die Trademarks der Band in den Vordergrund stellt, hektisch-energischen Riffstrukturen die Dominanz überlässt und dennoch frisch und unverbraucht klingt. Nummern wie `The Electric Cell`, `Cause For Alarm`, `Father Of Lies` oder `Hell To Pay` schrauben einem kompromisslos die Rübe ab. 2016 eines der wichtigsten und bedeutendsten Thrash Metal-Veröffentlichungen.
Wiederum steigt auch dieses Album in die Billboard Charts, zugleich hat man die Ehre, mit SLAYER in den USA zu touren, während man in Europa sich die Bühnen mit TESTAMENT auf deren “Brotherhood Of The Snake”-Tour teilt. Bis Ende 2018 tourt die Band für `The Evil Divide` und kommt recht ausgebrannt in S.F. an, haut aber über die Social Media Plattformen die News raus, dass man umgehend mit den Arbeiten für das neue Album beginnen wolle.
DEATH ANGEL sind mit den letzten beiden Alben recht erfolgreich, gerade in den USA kann man enorm zulegen. Im Bandcamp selbst hat man wohl auch gemerkt, dass die beiden Alben, die ja gegenüber den Vorgängern mehrheitlich extrem hart und auch Old School-orientiert sind, die alten Fans zurückbringt. Warum also die Rezeptur verändern? Wiederum drei Jahre nach dem letzten Album haut man mit `Humanicide` sein neuntes Studioalbum raus und liefert erwartungsgemäß stilvollen Thrash Metal, wie er nur aus dem Hause DEATH ANGEL kommen kann. Erneut ist Produzent Jason Suecof mit an Bord, so dass ein eingespieltes Team bestens harmoniert. Das Resultat in Form von `Humanicide` ist beachtlich. Der Sound ist wärmer ausgefallen als auf den Vorgängern, zudem versucht man durch mehrstimmige Refrains etwas die Aggressivität rauszunehmen. Das gelingt kaum, denn die Grundstruktur der Stücke ist einfach zu hart, aber dennoch wirkt das Album etwas aufgeräumter als das letzte. Zwar setzt man mit Tracks wie `I Came For Blood` oder `Alive And Screaming` die mörderische Reise fort, hält auch die typischen Kill-Alles-Trademarks parat. Die harmonisch-aggressiven Parts überraschen dennoch positiv. Die Gitarrenbreiteseite des Duos Aguilar/Cavestany gehört zum Besten, was es im Thrash Metal gibt. Ein Album ohne erkennbar große Schwächen. Und doch ziehe ich die beiden Vorgänger vor. Warum? Gute Frage, jedoch nicht zu beantworten. Vielleicht weil auf `Humanicide` sich dann schon eine gewisse Routine des Stils eingestellt hat? Dennoch ein markant stillvolles Thrash-Album mit einer einzigartigen Breitseiten-Gitarrenwand. Der inzwischen verstorbene Alexi Laiho (CHILDREN OF BODOM) hat übrigens bei `Ghost Of Me` ein Solo beigesteuert.
Wie bei DEATH ANGEL schon Routine, geht es nach der Veröffentlichung wieder ans exzessive Touren. Anfang 2020, so ziemlich zu Beginn des Corona-Wahnsinns, trifft die “The Bay Strikes Back”-Tour in Deutschland ein. Zusammen mit TESTAMENT und EXODUS zerlegen DEATH ANGEL die Bühnen. Müssen aber die Tour aufgrund Corona abbrechen, u.a. weil auch Drummer Will Carroll sich das Virus einfängt, ebenso wie weitere Musiker des Tourtrosses. Allerdings ist Will der, den es am härtesten erwischt und im Krankenhaus liegt. Nach zwei unklaren Wochen meldet sich Will zurück und redet schon von einem neuen Album. Man sieht, echte Road Warriors sind widerstandsfähig.
Top-4-DEATH ANGEL-Alben:
`The Ultra-Violence`
`The Dream Calls For Blood`
`The Evil Divide`
`Act III`
Lohnenswert:
`Archives And Artifacts` Boxset
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