THE BODY – I’ve Seen All I Need To See
~ 2021 (Thrill Jockey) – Stil: Sludge/Doom/Experimental ~
THE BODY aus Portland, Oregon sind nun bereits seit vielen Jahren eine höchst produktive, musikalische Kraft, deren Kreativität nur durch das erstaunliche Gewicht ihres Klanges erreicht wird. Das Duo, bestehend aus Lee Buford und Chip King, hat inzwischen eine eigene Musiksprache etabliert, die neu interpretiert wie Rhythmus, Dynamik und Klang die Songstruktur formen oder gar zerstören können.
Dabei haben die beiden US-Amerikaner sich stets jeglicher Kategorisierung widersetzt und der Übergang von einstigen Sludge-Metal-Oddballs zu furchtlosen Genre-Sprengern verlief sowohl stetig wie organisch. Gerade in den letzten Jahren gab es eine Slo-Mo-Explosion an Kreativität, deren minimalistischer Doom-Sound sich zu etwas noch Extremerem entwickelte, das sich aus Industrial, Hip-Hop, Techno, hartem Lärm, zeitgenössischer Klassik und noch viel mehr zusammensetzte, das in die kollektive Vorstellungskraft der Band eingedrungen war.
Im Gegensatz zu den elektronisch zentrierten Instrumenten und produktionsintensiven Arrangements früherer Alben und Bufords Arbeit mit SIGHTLESS PIT, konzentriert sich das neue Album nun jedoch wieder auf den Kern-Live-Sound der Band – nämlich Bufords dröhnendes, entschlossenes Schlagzeug gepaart mit Kings abrasiver und auslöschender Gitarre. Die Klarheit und die Kakophonie übertreffen dabei nahezu alles, was sie zuvor geschaffen haben und verwandeln trostlose, eiternde Klanglandschaften in ein berauschendes Klanguniversum.
`I‘ve Seen All I Need To See` zeigt allerdings nicht nur den furchtlosen Geist und die bösartige Schärfe von THE BODY, sondern auch ihr intellektuelles, musikalisches Gewicht durch die Erforschung verzerrter Klänge und die unbändige Kraft des Zusammenspiels. Riffs werden zu zischenden Wellen an stotternden Geräuschen ausgestreckt oder unersättlich entkernt, bis sie nur noch Hülsen von riesigen, bedrohlichen Low-End-Fragmenten sind. Es gibt nur ein paar vereinzelte Songs, die eine verzerrte E-Gitarre deutlich in den Mix einbringen und dabei eher in aufwühlendem Industrial kleben bleiben als im Metal. Das Ergebnis sind bemerkenswert reichhaltige, strukturelle Bombardements, die den überwältigenden Klang ihrer Live-Auftritte in weiteren, aufschlussreichen Details präsentieren.
THE BODY hatten schon immer mehr emotionale Tiefe als ein flüchtiger Blick auf ihre T-Shirt-Designs vermuten lässt und dieses Album ist wohl ihre am besten artikulierte und auch ihre nuancierteste Darstellung des Sludge. Obwohl die Band die generischen Fallen des Metals fast vollständig verlassen hat, haben sie dennoch einige der schwersten und intensivsten Musikstücke geschaffen, die wir in diesem Jahr zweifellos zu hören bekommen. `I‘ve Seen All I Need To See` ist ein verheerender, facettenreicher Schlag, rein an tiefsitzenden Ängsten und von albtraumhafter Qualität. Ein hoch aufragender Monolith aus Lärm in seiner prägnantesten Form.
(8 Punkte)
(VÖ: 29.01.2021)