V/A – KRAUT! – Die innovativen Jahre des Krautrock 1968-1979 (Teil 4)
~ 2020 (Bear Family Produktions) – Stil: Krautrock ~
Krautrock wird alle Zeiten und alle Trends überdauern. Krautrock lebt am Jahresende so wie zu Beginn eines jeden Jahres schlichtweg immer weiter. Die Schönheiten müssen nur entdeckt und bekannt gemacht werden, um diese Tradition zu pflegen – dachte sich die „Bear Family“ und begann die Sampler-Reihe ´KRAUT! – Die innovativen Jahre des Krautrock 1968-1979´. Mit der vierten und letzten Ausgabe gelangt diese feine Reihe aktuell zu ihrem Ende. Nachdem die Vorgänger den Krautrock im Norden (mit Teil 1) und in der Mitte des Landes (mit Teil 2) sowie den Süden der Republik (mit Teil 3) beleuchtet hatten, landet nun die Szene West-Berlins im Scheinwerferlicht der Sampler-Reihe.
Diesmal versammeln sich 17 Lieder, die in der Regel durch Marcus Heumann von den digitalen Bandkopien neu gemastert und doch im gewohnten Klang belassen wurden, äußerst legendärer Musiker auf zwei Silberlingen. Dazu kommentiert Burghard Rausch (DeeJay, Rundfunkmoderator, Vinylsammler, Schlagzeuger bei u. a. AGITATION FREE) auf 128 Seiten viele Details, die abermals den Wissensdurst befriedigen und einen echten Informationsgehalt besitzen.
Da Berlin selbstverständlich Ursprung der “Berliner Schule”, der Elektronik-Pioniere Klaus Schulze, Edgar Froese, Günter Schickert, Dieter Mœbius oder Hans-Joachim Roedelius war, wird die vierte Ausgabe der Sampler-Reihe auch elektronisch. Von TANGERINE DREAMs fünftem Major-Release aus 1974 (in der legendären Besetzung Edgar Froese, Christopher Franke und Peter Baumann) hören wird das 17-minütige Titelstück ´Phaedra´ sowie das ebenso lange Lied ´Waves Of Changes´ aus dem dritten, 1974er Werk ´Blackdance´ von Klaus Schulze, der wiederum mit Manuel Göttsching und Hartmut Enke 1970 die Band ASH RA TEMPEL gründete. Von dieser Formation dürfen wir aus derem zweiten Album ´Schwingungen´ den ersten Teil namens ´Light – Look At Your Sun´ des die erste Plattenseite einnehmenden ´Light And Darkness´ goutieren. CLUSTER (in der legendären Besetzung Hans-Joachim Roedelius und Dieter Moebius sowie Michael Rother als Produzent, mit dem sie zusammen in HARMONIA spielten) schenken uns von ihrem dritten Album, ihrem Meisterwerk des futuristischen Pops ´Zuckerzeit´, den Song ´Rote Riki´. Aus dem Projekt HARMONIA gibt es ´Walky Talky´ und aus dem ersten Solo-Werk von Keyboarder Hans-Joachim Roedelius, der neben CLUSTER und HARMONIA auch bei dem Ambient-Jazz-Trio AQUARELLO musizierte, den ´Regenmacher´ zu vernehmen. Als leckere Zugabe lauschen wir einem 17-minütigen Ausschnitt aus dem knapp einstündigen Werk ´Human Being´ der Improvisations-Avantgarde-Formation HUMAN BEING, an der 1968 auch Hans-Joachim Roedelius beteiligt war.
Aus KARTHAGOs 1973er Zweitling übernimmt die Sampler-Reihe ´Don’t Send Me Your Money, Send Me Your Heart´. Da sich die Band selbst als “einen der berühmtesten Rock Acts in Deutschland” ansieht, kommt natürlich niemand an KARTHAGO vorbei. Erst recht nicht an BIRTH CONTROL, die sich am britischen, orgellastigen Hardrock orientierten, mit ihrem 1973er Kult-Song ´Gamma Ray´, der später einer Heavy Metal-Band ihren Namen schenken sollte. Psychedelic Rock und Space Rock aus Berlin mit den Reiseerinnerungen aus dem Libanon, Ägypten und Griechenland bieten AGITATION FREE auf ihrem 1972er Debüt und dem achtminütigen Titelsong ´Malesch´. Zwischen Jazzrock und Hardrock agierten OS MUNDI auf ihrem 1972er Album ´43 Minuten´ und dem Song ´Children’s Games´. Daneben horchen wir der Politrock-Band LOKOMOTIVE KREUZBERG bei der 1975er ´Nostalgie´ zu. In der Gruppe spielten auch Uve Müllrich (ebenfalls EMBRYO und DISSIDENTEN) und später Bernhard Potschka, Manfred Praeker und Herwig Mitteregger, die nach Bandauflösung SPLIFF gründen sollten. Uve Müllrich und Michael Wehmeyer erweiterten den Ansatz der Weltmusik von EMBRYO bei den DISSIDENTEN und bezeichnen sich selbst als „Godfathers of World Beat“, hier mit dem Lied ´Germanistan´ vertreten, ausnahmsweise aus dem Jahr 1982. TON STEINE SCHERBEN tragen aus ihrem dritten und 1975er Studioalbum ´Wenn die Nacht am tiefsten …´ den für ihren Stil zu dieser Zeit exemplarischen Song ´Halt Dich an Deiner Liebe fest´ bei.
Kraut willst Du essen? Kraut kannst Du rauchen und Kraut musst Du hören. ´KRAUT! – Die innovativen Jahre des Krautrock´ hält glückselig machende Musik aus der heimischen Republik und den Jahren 1968 – 1979 bereit.
