LE GRAND SBAM – Furvent
~ 2020 (Dur Et Doux) – Stil: Musique Cosmique ~
Die Fragezeichen in den schier euphorischen Gesichtern der Hörer des Debüts von LE GRAND SBAM, ´Vaisseau Monde´ aus 2019, waren bisher nicht auszutreiben. Sollte die Musik als japanischer Zeuhl klassifiziert werden oder als avantgardistischer und experimenteller Rock mit dem Hang zu abgedrehten und dissonanten Klangmustern sowie mit Auswüchsen bis hin zu Moderner Klassik und Freakshow? Das französische Künstlerkollektiv, das in seiner Besetzung Verbindungen zu POIL und PINOIL unterhält, besteht tatsächlich aus zeitgenössischen Komponisten, klassischen und barocken Musikern, aus Rockern und traditionellen Musikern sowie Improvisatoren.
Scheinbar schrill und fieberhaft spielen LE GRAND SBAM im Café “Pionnier” deiner Träume auf. Alles tönt zu Beginn sehr nach Zeuhl, wahrhaftig nach RIO und Avantgarde. Drei Sänger und – weitaus mehr im Mittelpunkt stehend – drei Sängerinnen schälen sich aus dem Oktett heraus. Jessica Martin Maresco und Marie Nachury, aber auch Neuzugang Anne Quillier (Moog, Rhodes) singt. Das Trio aus der Besetzung von POIL und PINIOL, Antoine Arnera (Piano, Electronics), Boris Cassone (Bass, Mellotron) und Guilhem Meier (Drums, Amplified Percussion), stimmt gleichfalls in den Gesang ein. Frisch in der Formation sind außerdem Grégoire Ternois (Marimba, Toms, Dun Dun Bells, Gong) und Mihaï Trestian (Cimbalom).
Die Exzentrik bleibt während des Aufenthalts im Café “Pionnier” inmitten aller Dissonanz gewahrt. Der Spagat zwischen experimentell und avantgardistisch erschließt sich dennoch nachvollziehbar im Sinne der Progressive Music. Wenn der instrumentale Orkan Freiräume schenkt, ertönen einfach nur die Damen und trällern zum Klavierspiel ihre Stimmen hoch und runter (´Nephèsh´). Die 18-minütige Suite zu Beginn besitzt hingegen alle Merkmale zwischen wilder und üppig gelassener Atmosphäre, sowie ein Feuerwerk aus Wörtern und Silben (´La Trace´). Genauso experimentell ist bekanntermaßen die Gesangssprache von LE GRAND SBAM, die eine Mischung aus verschiedenen Muttersprachen, anfangs sollte es Japanisch sein, mit gar erfundenen Silben ist. Eine weitere, in acht Teile gegliederte Suite trägt die verschiedenen Stimmungen von Zeuhl zur Avantgarde (´Yi Yin´). Dass der Ausklang dieser vollen Stunde an “Musique Cosmique” überraschend schlicht und einfach französisch-orientalisch klingt (´Choon Choon´), lässt den drogenfreien Avantgardisten sprachlos im Café zurück.
(9 Punkte)