KLAUS MICHEL – Primavera
~ 2020 (Independent) – Stil: Singer-Songwriter ~
Frühling in Italien. Das Wetter angenehm, die Masse an Touristen noch fern. Bene.
Die italienische Reise von Klaus Michel, einem Songwriter aus dem Hunsrück, kann beginnen. ´Primavera´ zieht sich aber nicht über mehrere Jahre hinweg wie anno dazumal, von 1786 bis 1788 bei Johann Wolfgang von Goethe, sondern erstreckt sich auf mehrere Etappen, allein im Frühling und Sommer des abnormalen Jahres 2020.
Der musikalische Trip beginnt in Italien, sobald sich der Protagonist mit wehenden Fahnen, sprich mit Pedal Steel im Instrumentarium, gespielt von Martin Huch (MAVERICKS, oder Heinz Rudolf Kunze, Reinhard Mey, Herman van Veen), in ´Homeland´ über die Alpen schleicht. Bereits die Angst im Genick, welche Folgen und Auswirkungen dieser neue Virus für das Jahr 2020 mit sich bringt. Ebenfalls geheimnisumwittert gibt sich die Komposition ´Secrets´, den ungewollt entschleunigten Mai 2020 skizzierend, obwohl sie ebenfalls die Botschaft senden könnte, dass Reden doch manchmal Gold ist.
Währenddessen steht die Zierkirche aus dem Garten für das Coverartwork seelenruhig in ihrer vollen Blütenpracht Modell. Die Musiker selbst können mittlerweile nur noch separat voneinander ihren Anteil aufnehmen. ´Hands´ wird bei dieser unwirklichen Produktion zur ersten Single gekürt und versprüht echtes FM Radio-Americana-Feeling. Hoffnungsvolle Zeilen und Tonfolgen für die Wochen und Monate, die mit dem ersten Lockdown begannen. Bekanntermaßen heißt es von da an warten und warten, versüßt mit ´Waiting´ und einer “Gibson Les Paul Special Peter Frampton” in den Händen sowie der Pedal Steel Gitarre in denen von Mark Horn.
Zwischendurch ist die Welt entsetzt, als anderenorts ein Mann namens George Floyd bei seiner gewaltsamen Festnahme stirbt. Die Angst, vor dem großen ´American Dream´ Abschied nehmen zu müssen, umtreibt diesen musikalischen Höhepunkt. Der musikalische Nährboden von alledem kann hingegen natürlich bei Neil Young, Bruce Springsteen, WILCO und vielen anderen gesucht und gefunden werden.
Auf dem selben Niveau schwebt ´Don´t Give Up´ in einer gewissen Endzeitstimmung, mit Catherine Klier neben Klaus Michel am Mikrofon. Das Ende des früheren Lebens scheint also unwiderruflich gekommen. Der Virus löscht unterdessen Leben aus, ´Life Away´; tragischerweise selbst das des guten Freundes aus Italien. Dennoch geht es wieder zum Sommerurlaub für ´Three Weeks´ nach Italien ins eigene Ferienhaus. Wehmut klingt bei aller Vorsicht und vielen übereinander gelegten Gitarrenspuren sentimental mit. Selbstredend liegt es am E-Bow von Multiinstrumentalist Klaus Michel.
Die Ballade ´You And Me´ bleibt der Stimmung treu, trotz bisweilen frohlockender Gitarre á la The Edge. Denn ganz gleich wie, alles wird und muss sich weiterdrehen. ´The World Keeps Turning´ ist leicht countryesk mit Jürgen Schmidt an der Pedal Steel und geschrieben am Tag als C-19 dem im Krankenhaus mit Herzproblemen liegenden Dave Greenfield (THE STRANGLERS) den letzten Geist aushaucht. Restlos niedergeschlagen erklingt die Akustikballade ´Passing Away´ über das durch Brandstifter im Flüchtlingslager Moria verursachte Feuermeer.
Und irgendwann ist für uns doch wieder die Zeit gekommen, gegebenenfalls in den Urlaub zu fahren, vielleicht nach Griechenland, womöglich aber daneben mal im good old Country of Freedom einen Abstecher wagen. Oder mit Country Music auf ´Vacation´ in Italien. Mit Klaus Michels Musik im Gepäck. Molto bene.
(8 Punkte)