OBLIVIAX – Obliviax
~ 2020 (Alone Records) – Stil: Heavy Metal ~
Es ist einfach unglaublich! Das Ausbuddeln alter, längst verschollener Bands und das Veröffentlichen ihrer als einziges Zeichen der Existenz hinterlassenen Demos nimmt einfach kein Ende. Nach STORMBRINGER, ENCHANTER und…und…und…nun auch die aus Hoboken (New Jersey) stammenden OBLIVIAX. Aber so lange es sich um solche Perlen handelt, soll es mir recht sein.
Auch diese Mal hat ein griechisches Label seine Hand im Spiel, aber ausnahmsweise nicht “Cult Metal Classics”, “No Remorse”, “Eat Metal” oder “Arkeyn Steel”, wobei letztere dieses lediglich auf CD tun, sondern das seit 2013 existierende und in Thessaloniki ansässige Label “Alone Records”. Neben aktuellen Sachen legt dieses Label nämlich regelmäßig auch längst verschollenes auf CD und Vinyl wieder auf, oder tut dies sogar, wie im Falle von OBLIVIAX, erstmalig.
Der Startschuss für OBLIVIAX wurde im April 1985 abgegeben, als sich der sechzehn Jahre alte Gitarrist John Seymour und der siebzehn Jahre alte Bassist Scott Moon auf die Suche nach einem Drummer begaben, den sie dann mit dem neunzehnjährigen Paul Gurgurich auch fanden. In der Zwischenzeit waren sogar noch mit Mark Schlaudecker ein Leadgitarrist und mit Brett Gravatt ein Sänger rekrutiert worden, so dass bereits vier Monate später ihr erster Gig vor Publikum stattfinden konnte. Die jungen Musiker waren musikalisch vor allem von STRYPER, DOKKEN, ANTHRAX, METALLICA und QUEENSRYCHE geprägt worden, was sie auch in ihrer Band zum Ausdruck brachten und bei ihrem Publikum so gut ankam, dass sie lokal schnell zu einer bekannten Größe wurden. Aber wie so häufig, wenn sich eine Gruppe so junger Menschen zusammenfindet, möchte jeder seine (musikalischen) Vorstellungen umgesetzt sehen und die fehlende Kompromissbereitschaft führt dann schlussendlich dazu, dass jeder über kurz oder lang seiner Wege zieht. Der erste im Bunde war bereits Ende 1985 Sänger Brett, der aber bereits im Januar 1986 durch Frank Uvegas ersetzt werden konnte. Im Frühjahr 1986 verließ dann Mark die Truppe, um sich eine Auszeit von der Band zu gönnen. Aber auch er konnte bereits nach kurzer Zeit durch den damals erst sechzehnjährigen Brian Genicola ersetzt werden. Zusammen schafften sie es zwar noch 1987 mit Hilfe des Preisgeldes aus einem Wettbewerb das Demo ´I Know What You’re After‘ aufzunehmen, aber 1988 war dann bereits endgültig Schluss mit dem gemeinsamen Abenteuer. Man blieb aber über die Jahre weiterhin freundschaftlich verbunden und veranstaltete 2010 anlässlich des 25-jährigen Gründungsjubiläums der Band ein Familientreffen, welches wohl so positiv verlief, dass man sich im Sommer 2015 wieder traf, um einige ihrer alten Lieblingstücke aufzunehmen. Mit von der Partie war nun sogar der Original-Leadgitarrist Mark Schlaudecker.
Die fünf Stücke der 87er EP können klar dem US Metal zugeordnet werden und obwohl es Sänger Frank Uvegas durchaus versteht, seine variabel eingesetzte Stimme auch in sehr hohe Tonlagen zu ziehen, verfällt er dennoch nicht in den insbesondere beim US Powermetal sehr beliebten Dauereinsatz der Kopfstimme. Grundsätzlich operiert er in einer sehr angenehmen und warmen mittleren Stimmlage, die er mit sehr viel Gefühl auszufüllen in der Lage ist. Seine gefühlvolle Seite kommt insbesondere bei dem das Demo abschließenden Song ´Taken By Storm´ zum Ausdruck, auch wenn er gerade bei diesem Stück besonders ausgiebig Tate’sche Stimmbereiche erkundet. Der Vergleich von Franks Stimme mit der von Geoff Tate wurde bereits von einem seiner Bandkollegen gezogen und drängt sich bei diesem Stück auch förmlich auf. Kein Wunder also, dass auf der B-Seite auch ein Cover von ´Queen Of The Reich´ zu finden ist. Aber auch der beim Bewerben dieser Platte verwendete Vergleich mit dem jungen Carl Albert, vor allem als dieser in den Jahren zwischen 1984 und 1986 bei VILLAIN und RUFFIANS aktiv war, muss mit einem Kopfnicken quittiert werden, obwohl dessen Stimme, besonders in den höheren Tonlagen, klarer und ausgeprägter gewesen ist. Insbesondere der melodische US Metal der RUFFIANS kann aber sehr gut als Referenz für die Musik von OBLIVIAX herhalten. Überhaupt muss bei OBLIVIAX von melodischem US Metal gesprochen werden, wie ihn beispielsweise und auch hier treffen die zur Verkaufsförderung getroffenen Vergleiche zu einem großen Teil zu, RIOT (vor allem in der frühen Phase mit Guy Speranza) und WARRIOR (mit Parramore McCarty) gespielt haben. Ich füge dem an dieser Stelle noch einen etwas exotischeren Vergleich hinzu und verorte OBLIVIAX irgendwo zwischen SACRED WARRIOR, aber nicht ganz so progressiv und LETCHEN GREY, aber nicht ganz so schnulzig. Ich bin mir sicher, dass Musikliebhaber, die sich in der Schnittmenge zwischen frühen GREAT WHITE bis hin zu ARMORED SAINT bewegen, ihren Spaß an diesem Demo haben werden. So, nun aber genug des Namedroppings.
Auch wenn ich weiter oben die Musik von OBLIVIAX pauschal als Melodic US Metal charakterisiert habe, was vor allem für die bereits angesprochene Powerballade ´Taken By Storm´ und dem im Mid-Tempo gehaltenen ´Like A Dream´ gilt (der Titel spricht Bände und beginnt sogar mit Keyboardklängen), so bietet ihre Musik durchaus auch flottere Rhythmen. Beispielsweise eignet sich ´I Live For Rock And Roll´ zum echten Gassenhauer, dessen Gangshouts logischerweise wunderbar zum Mitgrölen animieren, wobei der Song aber auch mit auffälligem Bassspiel und einem exzellenten Gitarrensolo aufwartet. In die gleiche Kerbe schlägt das im Vergleich dazu recht nüchtern gehaltene ´Rock Me Up´ und das flottere, jugendlich beschwingt und unbeschwert erklingende ´I Know What You’re After´, dessen Refrain nicht minder dazu animiert, in den Gesang des Chors einzustimmen. Neben einem wiederum gelungenen Riffing der Gitarre, erhält in diesem Stück aber auch der Bass wieder ausreichend Freiraum, um sich zu entfalten. Für dieses und alle anderen Stücke des Demos gilt, dass nicht nur die instrumentale Arbeit, über die gesangstechnische habe ich mich ja bereits ausreichend ausgelassen, hervorragend ist, sondern mich auch kompositorisch zu überzeugen wissen.
Für ein Demo aus dem Jahr 1987 haben die Stücke eine erstaunlich gute Tonqualität und mir hätte es völlig ausgereicht, wenn nur dieses auf Vinyl gepresst worden wäre. Von mir aus auch doppelt mit identischer A und B-Seite. Das hat es ja schließlich schon mal gegeben. Aber in diesem Fall hat man sich dafür entschieden, dem Demo noch ein paar im Jahr 2015 aufgenommene Coverversionen hinzuzufügen. Bei den Coverversionen handelt es sich um absolute Klassiker, um nicht zu sagen Standards, was aber natürlich nicht sonderlich fantasievoll ist. Allerdings war es sicherlich auch nicht die Intention der Band, eine besonders außergewöhnliche Auswahl zu treffen und damit Titel auszubuddeln, die keiner kennt. Es ist wohl eher vom genauen Gegenteil auszugehen. Hinter der Auswahl dieser Stücke liegt meiner Ansicht nach die Absicht, den Käufern des Albums nach dem Hören des Demos auf der A-Seite deutlich zu machen, mit welcher Musik die Mitglieder von OBLIVIAX aufgewachsen sind und welche Bands sie musikalisch geprägt haben. Und wenn man ehrlich ist, dann zaubern auch heute noch Stücke wie ´Queen Of The Reich´, oder ´Am I Evil´ ein Lächeln auf unsere Gesichter. Dies gilt zumindest dann, wenn man im gleichen Alter wie die Musiker von OBLIVIAX, also Anfang Fünfzig, oder sogar noch älter ist. An der Interpretation der Songs ist auch nichts auszusetzen. Natürlich fehlt ´Queen Of The Reich´ die Magie des Originals und es mit DIO (´Don’t Talk To Strangers´) aufnehmen zu wollen, ist schon recht verwegen. Aber als Gratiszugabe nimmt man die fünf Stücke, die unter ´Garage Days Revisited´ laufen, gerne mit. Bei den anderen beiden noch nicht erwähnten Stücken handelt es sich übrigens noch um ´Give Em The Axe´ von LIZZY BORDEN und ´Metal Thrashing Mad´ von ANTHRAX.
Fazit: Ein klasse Demo einer großartigen, aber leider viel zu früh dahingeschiedenen Band, die mehr Erfolg verdient hätte, nun aber mit dieser tollen Veröffentlichung eine späte Würdigung erfährt.
(8,5 Punkte)
Die CD ist bereits am 28. September in einer handnummerierten Auflage von 500 Exemplaren erschienen. Dieser Veröffentlichung wurde am 30. Oktober zusätzlich noch eine 250er, ebenfalls handnummerierte Vinylauflage, davon 150 in Schwarz und 100 in Splatter, hinterhergeschoben. Bei beidem handelt es sich wohlgemerkt um Erstauflagen, da das Originaldemo lediglich auf Kassette erschienen war.
Wer sich übrigens fragt, wo der komische Bandname herkommt…ein Obliviax ist ein magisches Monster aus Dungeons & Dragons mit der Fähigkeit, intelligenten Lebewesen Erinnerungen zu stehlen. Und ja, Dungeon & Dragons gibt es bereits seit 1979, also lange vor Erfindung der Videospiele und gilt als erstes Pen & Paper Rollenspiel. Einer der beiden Erfinder, nämlich Gary Gygax, durfte erst vor wenigen Jahren als Namensgeber für eine Band aus unserem kleinen Heavy Metal Universum herhalten. Aber das ist eine ganz andere Geschichte…
Die Besetzung der EP von 1987 lautet:
John Seymour – Gitarre
Brian Genicola – Gitarre
Scott Moon – Bass
Paul Gurgurich – Schlagzeug
Frank Uveges – Gesang
Die Besetzung der ´Garage Days Revisited´ von 2015 lautet:
John Seymour – Rhythmusgitarre und ´Give Em The Axe´ – Solo
Mark Schlaudecker – Leadgitarre
Paul Gurgurich – Schlagzeug
Derrick Klybish – Bass
Frank Uveges – Gesang bei ´Queen Of The Reich´, ´Metal Thrashing Mad´ und ´Give Em The Axe´
John Seymor – Gesang bei ´Don’t Talk To Strangers´ und ´Am I Evil´