MeilensteineVergessene Juwelen

FREAK OF NATURE – Same

~ 1993 (Music For Nations) – Stil: Hard Rock ~


Es gab einmal einen dänischen Prinz, der nach einigen Pop-Lehrjahren und als Gewinner des nationalen European Song Contests mit der Band MABEL von den nordischen Hard Rock Göttern in die USA geschickt wurde (nein, nicht der Schlagzeuger mit den leichten Timing-Problemen), um eine Band zu gründen, die reinen und feinen Hard Rock spielen sollte.

Auf seinem Arm hatte der Prinz ein buntes Bild des irischen Rock-Gottes Philip Lynott, dem Anführer von THIN LIZZY, den Gottvätern des Hard Rock. Weil der Prinz eine blonde Mähne wie der König der Tiere hatte, nannte er seine Band WHITE LION. Mit Hilfe des Gitarrenkünstlers Vito Bratta, eines Supporters des leider kürzlich verstorbenen Gitarrengotts Eddie Van Halen, spielte er eine gar schöne, reine und feine Hard Rock-Platte mit metallischen Anleihen namens ´Fight To Survive´ ein, die bis heute aus glänzendem Gold besteht.

Aber dann fuhr der grausame AOR-Teufel in den weißen Löwen und die Kinder weinten und irgendwann auch die Freunde von ´Fight To Survive´ und fielen vom Glauben ab und die Band zerfiel in ihre Bestandteile und Vito Bratta hing die Gitarre für immer an den sprichwörtlichen Nagel.

Im Jahre 1993 kam der weiße Löwe auf die europäischen Bühnen zurück als FREAK OF NATURE mit einem gleichnamigen Album mit feinen Songs, die stilistisch deutlich rockiger als die letzten Alben der Vorgängerband waren. Die Band war hungrig und die Songs von schöner, melodischer Natur. Schon der Opener ´Turn The Other Way´ war ein Ohrwurm mit starken Riffs, feinen Gitarrenduellen nach dem Vorbild von THIN LIZZY und authentisch produziert mit dem charakteristischen Gesang des Mike Tramp, so hieß der dänische Prinz mit wirklichem Künstlernamen (eigentlich Michael Trempenau).

Nun Spaß beiseite. Denn dafür ist das Musikgeschäft viel zu humorlos. Mit  dem zweiten kräftigen Titel ´What Am I´, dem wütenden ´1992´ (wie wäre eine Neuauflage? „2020, I hate you!“) dem verschachtelten und philosophischen ´Possessed´ oder ´If I Leave´ gibt es weitere sehr starke Songs. Die Gitarristen Dennis Chick und Kenny Korade spielen sich die Bälle gegenseitig zu und über allem thront die Stimme von Mike Tramp, die man mag oder nicht mag. Ich tendiere klar zu erstem.

Dazu kommt, dass Mike Tramp zu den sehr sympathischen und nachdenklichen Zeitgenossen gehört, was man den teilweise hervorragenden und persönlichen Texten und der Stimmung des Albums auch anhört. Es wird viel positive Energie verbreitet, aber auch viel Reflexion. Selbst die erst gegen Ende folgenden Balladen wie ´Love Was Here´ sind nie oberflächlich.

Trotz einer gewissen Eingängigkeit, der mit beachtlichen Live-Qualitäten ausgestatteten Band und den bekannten Entertainer-Qualitäten von Mike („Bester authentischer Poser“) konnte diese ehrliche Seite von Mike Tramp letztlich nicht den gewünschten kommerziellen Erfolg bringen. Nach einem deutlich härteren und düsteren Zweitwerk (´Gathering Of Freaks´), das auch sehr stark, aber deutlich schwieriger zugänglich ist und Outtakes (namens ´Outcasts´) wollte Mike Tramp leider wieder den weißen Löwen zum Leben erwecken, der aber in der kalifornischen Sonne faul und lahm geworden war. Und bei Vito Bratta stieß Mike auf klare Gegenwehr und die weinenden Kinder wollte auch keiner mehr wirklich hören.

Mike veröffentlicht seit Jahren immer noch brauchbare bis sehr gute Alben unter seinem Namen, fast alle durchaus empfehlenswert und durch starkes Songwriting geprägt. Wer sehr guten Hard Rock mag, sollte FREAK OF NATURE eine Chance geben (und dem genialen ´Fight To Survive´ sowieso!).

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