ICED EARTH – Iced Earth
~ 1990/2020 (Century Media) – Stil: US Metal ~
Mein Verhältnis zu ICED EARTH ist irgendwie zwiegespalten. ´Night Of The Stormrider´ lief lange rauf und runter, bis das kopierte Tape als Salat im Autoradio endete. Dieses Ende war so brutal, da halfen auch Bleistift und Tesa nicht mehr. Ähnlich verliebt war ich in ´Burnt Offerings´. Die war als CD ein Dauerbrenner. Selbst heute wird sie immer wieder ausgegraben. Auch mein Sohn hat sie sich auf sein Handy kopiert.
Mit ´The Dark Saga´ habe ich mich schwer getan. Irgendwie fiel der leicht thrashige Ansatz weg, der mich so beeindruckt hat, die verrückten Breaks und überraschenden Volten. Bis heute ist das kein Glanzstück für mich.
Erst 2004 kam ein neuer Versuch. Zu ´The Glorious Burden´ war einiges zu lesen, was mich neugierig machte. Vor allem war ich gespannt, ob des Einsatzes eines Orchesters. Ja, ´Gettysburg´ ist ein Highlight in der Diskographie der Floridianer. Diese Trilogie bringt Atmosphäre mit, Spannung und Gefühl. Das Orchester ist geschickt eingewebt. Doch ich fand auch viel Schatten. Nicht nur ich etwa stoße mich etwa an einem miefigen, penetranten Patriotismus, der einen faden Beigeschmack verursacht. Man kann es ignorant finden oder konsequent, ich habe tatsächlich hoch gelobte Alben wie ´Something Incorruptible In Athens´ übergangen.
Was ich allerdings festhalten will, was Riffgott Jon Schaffer mit seiner Axt so angestellt hat, es gibt kaum eine andere Band, die einen so typischen Sound entwickelt hat. Ebenso wichtig waren die Stimmen. Egal ob Gene Adam, Matt Barlow, Ripper Owens oder Stu Block, das Mikro war und ist immer noch stark besetzt. Auffällig ist, jeder Sänger konnte seinen eigenen Stempel aufdrücken. Allerdings führte das unter den Fans zum Teil zu einem gewissen “Blaze Bayley Effekt”.
Ich war nie so richtig tief im Underground, mit Demosammlern hatte ich auch kaum Kontakt. Darum ist der ´Stormrider´ seit je das gefühlte Debüt von ICED EARTH. So gesehen hatte es etwas Überraschendes, zu lesen, ´Iced Earth´ von ICED EARTH wird neu gemastert wiederveröffentlicht.
Verdammt.
Dreißig Jahre bin ich zu spät. Das ist schon ziemlich ärgerlich, dieses Scheibchen damals verpasst zu haben. Aber, wie sagte meine Oma? “Du kannst alt werden wie ‘ne Kuh, Du lernst immer noch dazu.”
Und? Wie ist jetzt mein Eindruck? ´Iced Earth´ zu hören ist wie nach Hause zu kommen. Ich höre jeden einzelnen dieser Songs. Bei jedem fühle ich mich daheim. Das war ein Debüt, verdammt, so viele arrivierte Bands würden sich die Hand abhacken, um so eine Scheibe zu schreiben.
Gut, Gene Adam ist nicht der beste Sänger in den Reihen von ICED EARTH gewesen. Ich glaube, er hatte noch nicht ganz seinen Stil gefunden. Dennoch macht er seine Sache gut. Man spürt sein Potential. Ganz ehrlich, eine gute Stimme ist da zu hören. In einigen Passagen erinnert er mich ein klein wenig an Paul Di’Anno.
Die Songs, da sind Ideen drin. Überraschende Breaks, aber immer so harmonisch, das geht nicht anders. Man kann Ideen hören, die auf ´Stormrider´ oder gerade im Magnum Opus ´Dante’s Inferno´ noch einmal auftauchen, ohne dass sie da recycelt wirken. Es galoppiert, im nächsten Augenblick kommt eine ruhige Passage. So stelle ich mir angethrashten Power Metal vor. Da war noch Power drin. Das ist Energie, die die Batterien lädt, die treibt.
Und vor allem, Jon riffelt da einen zusammen, die rechte Hand versucht immer die Bewegungen nachzuvollziehen. Teufel noch eins, das geht manchmal nicht. Irgendwie ist das wie eine Tüte Chips, erst einmal offen, langt man immer wieder hinein, bis die Tüte bis auf die letzten Krümel leer ist. Und ´Iced Earth´ möchte ich gerade wieder und wieder hören. Nur wird diese Tüte nie leer. So bleibt dauernder Genuss. Sogar ganz ohne Kalorien.
Da bin ich fast froh, dass ich die erst heute entdeckt habe. Und ich schäme mich kein bisschen dafür, dass ich immer noch dazu lernen darf. Für die Zukunft hoffe ich, dass ICED EARTH so eine Platte wie ihre drei ersten noch einmal auf die Kette bekommen.
(9 Riffel-Chips mit Alligator Barbecue-Geschmack)