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INCURSION – The Hunter

~ 2020 (No Remorse Records) – Stil: Heavy Metal ~


Ich freue mich sehr für INCURSION, dass sie endlich ein Label gefunden haben (oder das Label sie?) und dann mit „No Remorse Records“ auch noch eines, das ihrer würdig ist.
Traditionalisten sollten auf jeden Fall weiterlesen, denn es sind wahrlich keine Anfänger, die hier am Werk sind und es ist schon verblüffend zu erfahren, welche Geschichte hinter der Band und den Songs auf der hier präsentierten EP steckt.

INCURSION wurden nämlich bereits im Jahr 1982 in Miami gegründet, brachten aber, natürlich im Eigenvertrieb, erst drei Jahre später ihre erste Demo-Kassette mit drei Stücken heraus. Noch im selben Jahr wurden daraus ´Vengeance´ und ´Tell Me The Truth´ auf dem Sampler ´Florida Explosion´ veröffentlicht, der bemerkenswerterweise Songs lokaler Bands enthält, die vorwiegend dem Hardcore und Punk zuzuordnen sind. Es bleibt also festzuhalten, dass ´Crown Of Thorns´ bis heute ein Exklusivsong des Demos ist . Ich stelle das an dieser Stelle besonders heraus, da auch alle Stücke der vorliegenden EP ´The Hunter´ aus den Jahren 1982 bis 1986 stammen, jedoch niemals auf einem Medium verewigt worden sind. Diese Ehre blieb bisher lediglich den drei genannten Stücken vorbehalten. Das Jahr 1986 war dann aber auch das Jahr der Auflösung von INCURSION, die es in den knapp fünf Jahren ihrer Existenz nicht zu einer offiziellen Veröffentlichung gebracht hatten. Angeblich existieren aus jener Zeit Mitschnitte aus dem Proberaum und von Live-Auftritten, aber ich möchte mir nicht ausmalen, über welche Soundqualität diese wohl verfügen mögen.

 

 

Ich habe keine Ahnung, was die damaligen Bandmitglieder in den 32 Jahren nach der Auflösung von INCURSION getrieben haben…wahrscheinlich das Übliche, also Heiraten, Haus bauen, Kinder zeugen und einen Baum pflanzen. Als das alles dann erledigt war und irgendwann die eigenen Kinder damit anfingen, diesen Zyklus zu wiederholen, hat man sich vermutlich gefragt, was man nun mit seiner freien Zeit und wiedergewonnenen Freiheit wohl anfangen könne. Und da war ja mal was…und Songs sind aus jener Zeit auch noch übriggeblieben. Warum also nicht die alte Truppe zusammentrommeln und sehen, was so geht. Immerhin fanden sich so 2018 drei der vier Gründungsmitglieder wieder zusammen und verfolgten hartnäckig ihren frisch geschmiedeten Plan, die unerledigten Dinge aus der Vergangenheit aufzuarbeiten und vielleicht sogar endlich ein vollwertiges Debütalbum mit neuen Songs herauszubringen. Dem Vernehmen nach ist letzteres auch bereits für das nächste Jahr geplant. Zwei Veränderungen hat es nun aber doch gegeben. Zum einen gibt es mit Steve Samson, der David Russel ersetzt, einen neuen Sänger und der ehemalige Bassist Maxx Havick hat sich nun die Gitarre umgeschnallt. Da der alte Gitarrist Mike Lashinsky aber ebenfalls Teil der Reunion ist, agieren INCURSION nun mit zwei Gitarren, was dem Sound der Band und den mittlerweile ja rund 35 Jahre alten Songs sicherlich zusätzlichen Druck verleiht. Den Bass bedient nun Neuzugang Stone Jamess und am Schlagzeug sitzt weiterhin das Urgestein Buddy Norris, womit INCURSION zu einem Quintett angewachsen ist.

Die knapp 22 Minuten lange EP, von denen knapp drei Minuten von einem Intro und einem Outro eingenommen werden, erzählen in den noch verbleibenden vier Songs eine, egal ob im Mittelalter, oder in einer Fantasy-Welt angesiedelt, nicht ganz neue Geschichte. Die Hauptperson dieses Konzeptalbums kämpft seit seiner Geburt in einem von Krieg und Verwüstung gebeutelten Land um sein Überleben. Auf der Suche nach dem einzig wahren König muss er stark im Glauben sein, aber auch gegen seine inneren Dämonen kämpfen. Logischerweise führt ihn diese Reise auch zu einem letzten Kampf gegen den herrschenden falschen König. Hmmm…stand da vielleicht Robin Hood auf der Suche nach König Löwenherz Pate, der sich gegen die Machtergreifung von Johann Ohneland zur Wehr setzten und die Klinge mit seinen Schergen kreuzen musste?

Der Prolog beginnt mit den melodischen Klängen einer Gitarre, die alsbald von einem Riff abgelöst werden, welches Kirk Hammet zur Ehre gereichen würde. Nach einer gesprochenen Einleitung in die Geschichte des Jägers geht es dann aber auch schon nahtlos in ´Warrior Of Destruction´ über, wo mich gleich die erste Überraschung erwartet. Die Band stammt doch aus den USA?! Was mir da entgegenschallt ist aber klassischer NWoBHM. Ein erster Eindruck, der beim Einsatz des Gesangs von Tim Samson sogar noch verstärkt wird. Eine warme, aber kräftige Stimme, die auch auf eine der Anfang der 80er in England erschienen Scheiben perfekt gepasst hätte. Der Song wird aber vor allem durch das Killerriff getragen, welches den gesamten Song durchzieht, sich förmlich in das Hirn hämmert und auch noch Stunden nach dem Hören des Stückes in den Gehörgängen wiederhallt. Ein Hammersong, der alles enthält, was sich Liebhaber des Heavy Metal nur wünschen können. Ein prägnantes Riff, eine tolle Stimme, ein Refrain mit stimmigen Chören, ausgefeilte Gitarrenarbeit im Mittelteil…OK, ich glaube ihr habt verstanden. Danach folgt ´Guiding Faith´…und mein Herz setzt kurz aus. Ohohoh-Chöre? Damit soll wohl zum Titel passend eine besonders epische Atmosphäre verbreitet werden, aber Gott sei Dank hält dieser Moment nur eine Schrecksekunde an (OK, es sind derer knapp 30) und der Song bietet wieder das, was der Opener versprochen hat. Allerdings düsterer und im Mid-Tempo gehalten, erinnert dieser, nun klar im US Metal-Bereich zu verortender Song, an Bands wie OMEN, WARLORD, MANILLA ROAD und sogar CIRITH UNGOL (natürlich nicht an Tims Gesang ). Das folgende ´Fade To Black´ gibt dann wieder Gas und geht recht geradlinig zu Werke. Lediglich der Refrain ist mir einen Tick zu kitschig geraten, aber gerade das werden die Anhänger großer epischer Gesten, die alle MANOWAR-Alben in einem eigens dafür angefertigten Schrein aufbewahren, lieben. Ich werde dafür aber wieder mit dem klassischen Spiel beider Gitarren, entsprechenden Soli und der in diesem Song besonders intensiv agierenden Stimme von Steve zufrieden gestellt. Mein persönliches Highlight ist aber das letzte reguläre Stück ´Kingdom Of The Dead´. Vielleicht liegt es ja daran, dass mir Richard Löwenherz nicht aus dem Kopf geht (er nahm am 3. Kreuzzug teil), aber zu Beginn des Stückes meine ich einen orientalischen Grundton in der Melodie zu erkennen. Der atmosphärisch dichte, epische und fast schon doomig zu nennende, sehr gelungene Beginn des Stückes wechselt nach ca. einer Minute sehr abrupt in einen speedigen Part, der vom Double-Bass-Spiel und Steves sehr energisch vorgetragenem Gesang dominiert wird. Der treibende Rhythmus wird regelmäßig von melodischen Gitarrensoli aufgelockert und der vom Chor unterlegte Refrain trägt zusätzlich zur Abwechslung in diesem Stück bei. Mit dem abschließenden Outro ist es dann aber auch schon mit ´The Hunter´ gewesen. Leider, aber wie ganz oben bereits angemerkt, arbeitet die Band wohl derzeit tatsächlich an ihrem echten Debüt mit neuen Songs, das irgendwann im Laufe des nächsten Jahres das Licht der Welt erblicken soll. Wenn es qualitativ auch nur in die Nähe dieser EP kommt, dann prophezeie ich jetzt schon ein Highlight des Jahres 2021.

Wer INCURSION zum ersten Mal ohne die Geschichte der Band zu kennen hört, könnte zwar auf den Gedanken kommen, einer weiteren dieser aktuell sehr angesagten und beliebten NWOTHM-Bands zu lauschen, aber weit gefehlt. Hier liegt nämlich ein Original aus der Zeit vor, wo man noch nicht zwischen den Schubladen NWoBHM und US Metal differenzierte. Alles war verdammter Heavy Metal. Das Schöne daran ist aber, dass die EP nach heutigen Standards aufgenommen und produziert worden ist und solch erfahrene Leute wie Chris Short (Alpaca Ranch Recording in Florida) und Jorg Uken (Soundlodge Tonstudio im ostfriesischen Rauderfehn) für den Klang dieses Werkes verantwortlich sind. Auch die Verpflichtung von Philip Lawvere für das Artwork, der unter anderem bereits die Arbeiten von CELTIC FROST, KREATOR und HIRAX verschönert hat, ist ein Beweis dafür, dass es die Band nun ernst meint. Denn wohlgemerkt, das Album erschien in digitaler Form bereits am 29. Mai in Eigenregie. „No Remorse“ hat sich erst danach der Band angenommen und bringt nun am 11. Dezember ´The Hunter´ auf CD und LP heraus.

Nicht nur die Musik, sondern auch diesen Einsatz muss ich einfach mit

8,5 Punkten

belohnen.

 

INCURSION sind:
Steve Samson – Gesang
Maxx Havick – Gitarre
Michael Lashinsky – Gitarre
Stone Jamess – Bass
Buddy Norris – Schlagzeug

 

https://www.facebook.com/TheBandIncursion/
http://www.incursionheavymetal.com/


(VÖ: 11.12.2020)

 

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