MeilensteineVergessene Juwelen

BLUE CHEER – Dining With The Sharks

~ 1991 (Nibelung Records) – Stil: Heavy Rock ~


Es geschah Anfang der 90er Jahre, dass ich mich mit der Sanges- und Bass-Legende Richard “Dickie” Peterson, dem Ur-Schlagzeuger und Powerdrummer Paul Whaley und dem damaligen deutschen Gitarristen Dieter Saller im gefühlt 5 qm großen Backstage-Bereich des legendären Schwimmbad-Clubs in Heidelberg (der schon weit vor Corona dem Tode anheimfiel) traf. Nach dem großartigen Konzert führte ich ein Interview. Alle drei waren sehr freundliche Gesprächspartner und insbesondere Dickie Peterson blieb mir wegen seiner charismatischen Persönlichkeit und seinem Interesse lange im Gedächtnis.

Dickie Peterson war (leider ist er 2009 in seiner Wahlheimat Deutschland verstorben) nicht irgendwer. Er war das Idol von vielen authentischen Rock’n‘Rollern, schon weit vor Lemmy der Meister des rauen, kehligen Gesangs und des brachialen Bassspiels und BLUE CHEER vor allem als anfängliches “Power-Trio” stark. Vielleicht waren BLUE CHEER nicht die Erfinder des Heavy Metal oder Stoner Rock, aber mit ´Vincebus Eruptum´ definierten sie die Rock-Lautstärke neu (und zwar ziemlich hoch) und waren insbesondere mit der brachialen Version von ´Summertime Blues´ die Lieblingsband der Hells Angels und der Gegenentwurf zur Hippie- und Flower Power-Bewegung. Leider begaben sie sich schnell auch auf psychedelische und progressive Wege mit Keyboards-Einsatz und ständigen Besetzungswechseln an der Gitarre (der erste Leigh Stephens ging wohl, weil er langsam taub wurde) und tauchten folgerichtig Anfang der 70er Jahre schnell unter.

1985 gab es ein erstes Lebenzeichen auf dem Metal-Label “Megaforce” mit neu eingespielten alten Titeln unter dem Namen ´The Beast Is…Back´. 1990 bekam ich die schon recht starke, aber noch etwas unentschlossene von Jack Endino produzierte Comeback-Studio-LP ´Highlights And Lowlives´ mit neuen Songs auf den Besprechungstisch gelegt und befasste mich zum ersten Mal so richtig mit der Band. Ende der 80er wurden sie vom THE GROUNDHOGS und Tony McPhee-Supporter und “Nibelung Records”-Besitzer Roland Hofmann nach Deutschland gelotst und unter die Fittiche genommen.

Zurück ins Jahr 1991. Mit ´Dining With The Sharks´, dem zweiten Studio-Output nach dem Comeback, begab sich die Band mit dem deutschen Metal-Gitarristen Dieter Saller in deutlich härteres Fahrwasser. Saller gab sich im Interview mit mir im Schwimmbad zunächst als Amerikaner aus (sehr witzig! –  nein, das war es wirklich!) und kam nach eigener Aussage von einer Black Metal-Band aus dem Fränkischen oder Bayrischen (des woass I nimmer). Er brachte auch ein metallisches Element in die Band, die trotzdem natürlich unverkennbar BLUE CHEER war und blieb.

Denn Dickie Peterson, der eigentlich vom harten City-Blues kam, war jederzeit sofort identifizierbar. ´Dining With The Sharks´ ist stark, aber zwei Titel stechen heraus. ´Outrider´ ist in puncto Rauheit und Authentizität kaum mehr zu toppen. Diese Stimme! Jeder andere würde sofort Knoten in die Stimmbänder bekommen. Stimmbandkillender kann kaum mehr gesungen werden. Mit ´Gunfighter´ gibt es ein zweites absolutes Highlight auf der Veröffentlichung. Nach melodischem Intro einen richtigen ´Banger´ mit Outlaw-Text. Auch wenn dieses hohe Niveau bei den anderen Songs nicht durchgehend gehalten werden konnte, so ist ´Dining With The Sharks´ eine brachiale und ehrliche Rockscheibe, wie es sie selten gibt. Leider verschwand Dieter Saller wieder im Nirvana und auch BLUE CHEER tauchten wieder unter und es gab mit ehemaligen Möchtegernmitgliedern Streit um die Namensrechte. Erst das auch sehr empfehlenswerte Alterswerk ´What Doesn‘t Kill You….´ (teilweise mit Metal-Drummer Joe Hasselvander neben Paul Whaley) brachte noch ein bemerkenswertes Lebenszeichen vor dem Exitus von Richard “Dickie” Peterson. Auch Paul Whaley ist leider 2019 in die ewigen Rock-Jagdgründe entschwunden. BLUE CHEER waren keine Band aus der ersten Reihe. Aber die genannten Alben sind Originale wie der großartige Dickie Peterson und absolut empfehlenswert. Und dieses sowieso…

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