MARATHON – Mark Kelly’s MARATHON
~ 2020 (earMUSIC/Edel) – Stil: Neo Prog / Rock ~
Mark Kelly’s MARATHON ist das allererste Solo-Werk des seit 1981 von der Gruppe MARILLION weltbekannten Keyboarders. Abseits der britischen Prog-Legende entwickelte Mark Kelly mit dem Texter Guy Vickers seit Jahren eigenes Songmaterial, das er dennoch nicht mit weltbekannten Musikerkollegen, sondern mit nicht gänzlich unbekannten Session-Musikern, dem Gitarristen Pete “Woody” Wood und Schlagzeuger Henry Rogers (TOUCHSTONE, EDISON’S CHILDREN), sowie mit Sänger Oliver M. Smith (RED VEIN), Gitarrist John Cordy und seinem Neffen Conal Kelly (WATERCOLOURS) an Bass und Gitarre eingespielt hat.
Aufgrund der Namensgleichheit mit den niederländischen SAGA-Liebhabern und Neo-Proggern MARATHON firmiert die englische Musikergemeinschaft wohl unter Mark Kelly’s MARATHON. Musikalisch lebt sich das Sextett dabei nicht unbedingt in den ehemaligen und heutigen Bahnen von MARILLION aus, bleibt sich jedoch zwischen Rock und Neo Prog treu, ohne sich schlicht einer bekannten Stilistik gänzlich hinzugeben. Grob umrissen tauchen wir in Welten zwischen poppigen MIKE & THE MECHANICS und proggigen LONELY ROBOT und ARENA ein. Ohne ein Konzeptwerk heraufzubeschwören, werden Geschichten zwischen Fiktion und Realität erzählt.
Die elfminütige Eröffnung ´Amelia´ beinhaltet die Geschichte von Amelia Mary Earhart (1897 – 1937), die als Tochter eines deutsch-amerikanischen Juristen als erste Frau auf einer Nonstop-Atlantik-Überquerung mitflog. Die Frauenrechtlerin wurde bei ihrem Versuch, den Äquator als erster Mensch selbst zu umrunden, nach der zu jener Zeit größten Suchaktion der Luftfahrtgeschichte als vermisst und zwei Jahre später für tot erklärt. Der Song fliegt auf den Routen des träumerischen Neo Prog, eine schöne elegische Gitarre von John Cordy versüßt ebenso die Komposition wie der Chorgesang sowie die Anrufung von Amelia im schnelleren Endspurt. Oliver M. Smiths Gesang erinnert dabei des Öfteren an Peter Gabriel.
In der Ballade ´When I Fell´ über ein universelles Schicksal, über Liebe und Trauer, zeigt der Gesang mehr Soul und Mark Kelly ein schönes Orgelsolo. Dagegen ist ´This Time´ das poppigste Stück, das zwischen Britrock und Poprock wechselt und Beziehungen, die heutzutage über Länder und sogar Zeitzonen hinweg funktionieren, in den Mittelpunkt stellt. In einem wieder mehr klassischen Prog-Sound tritt in ´Puppets´, einer philosophischen Betrachtung des freien Willens und seiner Beeinflussung durch alltägliche Propaganda, MARILLION-Kollege Steve Rothery auf.
Das Finale des Werkes setzt der Science-Fiction-Ausflug in das Jahr 2051. “We think you’d like our planet, we’ve got Richard Strauss, and the Beatles, and Scooby Doo. Who else can say that?”, heißt es in der Einführung. Und der Gesang philosophiert auch sogleich über unsere Existenz: “Sipping Mai-Tais at Trader Vic’s, trying to put the cart before the horse. Who are you? We really want to know. And if we left here tomorrow, where the hell would we go?” Sphärisch fliegen wir in dem 15-Minuten-Epos ´Twenty Fifty One´ in das All und erleben klassischen Neo-Prog, der zwischendurch mit ordentlich Druck, auch vom Gesang her, vorgetragen wird – und sich zum unbestrittenen Höhepunkt entwickelt. “A virus can’t phone home. We’re dying all alone. Here comes the future. We’re all shadows now.”
(8 Punkte)