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LORD FIST – Wilderness Of Hearts

~ 2020 (High Roller Records) – Stil: Heavy Metal ~


Die zweite Welle ist da und derzeit in aller Munde. Im Metal ist sie bereits vor gut 15 Jahren aufgetaucht und vorrangig im Thrash sowie im klassischen Heavy Metal zu erleben gewesen. Bands wie WARBRINGER, FUELED BY FIRE und BONDED BY BLOOD (der Name ist Programm) bedienten sich vor allem der Ideen ihrer geistigen Väter aus der Bay Area, wohingegen auffällig häufig aus Kanada und Schweden stammenden Bands ihre Inspiration aus der NWoBHM bezogen und sich bei ihren Kompositionen auf die Kernelemente konzentrierten, die dieses Genre Anfang der 80er groß gemacht haben. Ich denke da vor allem an ENFORCER und SKULL FIST, die diesbezüglich Vorreiter waren und lange Zeit sehr erfolgreich auf dieser Welle geritten sind. Allerdings zeigen gerade diese beiden Bands auch auf, dass keine Welle ewig geritten werden kann. Irgendwann bricht jede und rechtzeitig auf eine andere zu wechseln, erfordert vom Wellenreiter hohes Geschick. Das kann dann auch schon mal furchtbar in die Hose gehen.

LORD FIST stammen aus der im Süden Finnlands liegenden Kleinstadt Mikkeli, wo sich die Bandmitglieder 2011 zusammenfanden. Zu dieser Zeit hatten die oben angesprochenen SKULL FIST und ENFORCER bereits mit ihren ersten Veröffentlichungen aufhorchen lassen. Der Startschuss für die neue Welle, häufig auch mit NWoTHM (New Wave of Traditional Heavy Metal) betitelt, kann auch LORD FIST, selbst im verschneitesten Winkel Finnlands, nicht verborgen geblieben sein. Nichtsdestotrotz nahmen sie die Herausforderung an und sprangen 2012 mit dem Demo ´Spark For The Night´ auf die NWoBHM-Revival-Welle auf. Und warum auch nicht? Was ist denn besser dazu geeignet, um die langen Nächte in den kalten nordischen Gefilden zu verkürzen, als sich mit dem Nachspielen alter Klassiker von z.B. ANGEL WITCH und dem Trinken von finnischem Wodka das Herz zu erwärmen und sich etwas gute Laune zu verpassen. Irgendwann hat man aber keine Lust mehr, immer nur Songs nachzuspielen und probiert sich dann selbst innerhalb dieser Strukturen mit dem Songschreiben aus. Keine Ahnung, ob es sich so oder ähnlich zugetragen hat. Vielleicht auch nicht, denn mit Bassist Pekka Lampinen und Schlagzeuger Eetu Orbinski spielen immerhin zwei der Bandmitglieder auch bereits seit 2007 in der Black Metal-Formation FAUSTIAN PACT. Besagter Eetu und Gitarrist Niko Kolehmainen sind übrigens auch in der Grindcore/Death Metal-Band SONIC POISON engagiert, wobei letzterer dort den Viersaiter malträtiert und das sind nicht die einzigen Bands, in denen die Jungs derzeit aktiv sind. Die Nächte in Finnland müssen wirklich sehr lang sein…
Fehlt eigentlich nur noch Sänger und zweiter Gitarrist Perttu Koivunen, dem es wohl irgendwann zu blöd wurde, dem Treiben seiner Kollegen abseits des Geschehens zuzuschauen, woraufhin er im letzten Jahr kurzerhand den bereits 2016 gegründeten ORPHAN DEVIL als Sänger beitrat. Immerhin eine Heavy Metal-Band, die auch bereits eine Single über das römische Label „Gates Of Hell Records“ herausgebracht hat.

 

 

Auf jedem Fall kamen dann bereits 2013 die EP ´Wordless Wisdom Of Lord Fist´ und 2015 ihre Debüt-LP ´Green Eyleen´ heraus. Nach fünf Jahren, ein für eine junge Band doch recht langer Zeitraum, aber vielleicht durch die vielen anderweitigen Aktivitäten der Bandmitglieder erklärbar, folgt nun also mit ´Wilderness Of Hearts´ ihr zweiter Longplayer, der via „High Roller Records“ erscheinen wird.

Schrieb ich oben noch von der Gefahr, nicht rechtzeitig von einer Welle loszukommen, so trifft dies in hohem Maße auch für LORD FIST zu. Grundsätzlich ist diese Art von sich im Grenzbereich zum Speed Metal bewegendem Heavy Metal ja recht kurzweilig anzuhören und ideal, um nebenbei noch einige Dinge zu erledigen, wie z.B. sich mit Freunden zu unterhalten und dabei ein oder zwei Bierchen zu trinken. Aber wenn ein Song wie der andere klingt und das auch über Alben hinweg, dann treten sehr schnell Ermüdungserscheinungen auf. O.K., das gilt auch für andere, z.T. sehr erfolgreiche Bands, aber wenn diese dauerhaft erfolgreich sind, dann liegt das zumeist daran, dass sie diesen, ihren ureigensten Stil auch kreiert haben. Hinzu kommt, dass Perttu nicht gerade der begnadetste Sänger vor dem Herrn ist, was man beim Debüt noch mit einem zugedrückten Auge durchgehen ließ. Die Hoffnung ist ja dabei immer, dass Übung und vielleicht auch ein paar Gesangsstunden bei einem professionellem Gesangslehrer, den Meister machen, aber im vorliegenden Fall ist das leider meines Erachtens nicht eingetroffen. Die Stimme klingt nach wie vor kindlich dünn und offenbart vor allem in den höheren Tonlagen ihre Defizite, was umso schwerwiegender ist, als tiefe Tonlagen nicht wirklich angeschlagen werden. Aber um die bereits oben zitierten ANGEL WITCH nochmals anzuführen…Kevin Heybourne ist auch nicht gerade ein Sangesgott, hat aber die Musik der Band geprägt und ist von daher nicht mehr von dort wegzudenken. Ob es sich bei LORD FIST auch so entwickeln wird? Mal schauen!

Musikalisch und produktionstechnisch gibt es aber am neuen Album nichts auszusetzen. Auf einem von der Rhytmussektion songdienlich hingelegten Fundament agieren die beiden Gitarren sehr solide und es werden neben eingängigen Riffs auch eine Vielzahl melodischer Soli harmonisch in die Songs eingebettet.

Und das war es dann auch. Solide und gutklassig, deshalb auch

7 Punkte

Allerdings frage ich mich, was sich die Band beim Promofoto gedacht hat. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich es den Lesern hier antun soll, aber LORD FIST wollen es ja so. Hoch auf dem Ross der kleine Bruder von Putin und unten ein Steigbügelhalter (ich weiß, dass das die Trense ist). Daneben noch zwei weitere, recht teilnahmslos wirkende Jünglinge. Ich bin schon auf die nächste Fotosession gespannt.

Dafür wird man durch das Coverartwork aber mehr als entschädigt, dessen Motiv mich entfernt an H.R.Gigers ´Biomechanics´ erinnert. Verantwortlich für dieses Artwork ist, wie bereits für dasjenige des Debüts, die finnische Künstlerin Riika Pesonen.

´Wilderness Of Hearts´ erscheint auf CD und in einer auf 500 Stück limitierten Vinylauflage. Davon sind dann 150 schwarz, 150 olivgrün und 300 in transparentem Lila.

 

LORD FIST sind:
Perttu Koivunen – Gesang und Gitarre
Niko Kolehmainen – Gitarre
Pekka Lampinen – Bass
Eetu Orbinski – Schlagzeug

https://www.facebook.com/lordfistlegions

http://lordfist.bandcamp.com


(VÖ: 20.11.2020)

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