STREET KOMPASS Oktober 2020
Einen wunderschönen Tag,
wünschen wir Euch allen aus eben diesen, unseren Gelben Seiten heraus.
Lasst Euch heute nicht von all den vielen Nachrichten in Funk, Fernsehen und Internet ablenken, genießt allein unseren neuesten Kompass, der es mit seinen kleinen Reviews wahrlich in sich hat.
Und auch der Kampf um die Monatsherrlichkeit war wie im wahren Leben ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen, das in letzter Sekunde, allein mit demokratischer Mehrheit von WYTCH HAZEL verloren wurde.
M o n a t s h e r r l i c h k e i t
Q u i c k – R e v i e w s
ALIEN – Into The Future
2020 (AOR HEAVEN) – Stil: AOR
Man sollte einfach die Infos genauer lesen. Irgendwie hatte ich die Vorstellung, das ist die Wiederveröffentlichung von “altem und obskuren Kram” aus den 80ern. Dann wundert man sich schon, dass es anders tönt als erwartet. Für Melodic Rock/AOR aus dem letzten Jahrtausend ist der Sound streckenweise doch zu hart und modern.
Ein zweiter Blick macht klar, ja, ALIEN haben 1988 ihre erste Single veröffentlicht. Seitdem spielen sie mehr oder minder zusammen. Im Laufe der Zeit lag die Band auch mal auf Eis, ´Into The Future´ ist dennoch das vierte Album.
Abgesehen vom modernen Klanggefüge, man hört hier Old-schooligen Hard Rock, bodenständig und schnörkellos. Alle Liebhaber von nicht zu softem und melodischem AOR im Fahrwasser von JOURNEY, FOREIGNER und MAGNUM sollten mal ein Ohr riskieren. Schließlich wird, vom abschließenden ´Children´ abgesehen, gut Zunder gegeben.
(7 Punkte – Mario Wolski)
www.facebook.com/AlienBandAOR/
ANGBAND – IV
2020 (Pure Underground Records) – Stil: Heavy Metal
Kraftvoller Heavy Metal, dessen bärig-kerniger, individueller Gesang an meine US-Lieblinge PHARAOH erinnert, schallt beim Genuss der vierten Scheibe von ANGBAND aus den Boxen. HA! Meine Lauscher funktionieren noch, denn es ist Tim Aymar, der dieses Mal das Trio mit Bandgründer Mahyar Dean (Gitarre & Bass) und Ramon Rahimi (Drums) komplettiert.
Gleich beim zweiten Track kommt das besondere Alleinstellungsmerkmal der Iraner in Form von folkloristischen, persischen Klängen zum Tragen, doch Metaltraditionalisten und Kulturmuffel müssen keine Angst haben, die Musik bewegt sich weiterhin stilistisch in geliebten US-Gefilden und strahlt eine true, epische Heavyness aus, die neben den guten, alten MANOWAR locker bestehen kann, die Exotik dient lediglich hervorragend als I-Tüpfelchen im instrumentalen Bereich.
Gefühlvolle Hymnen, herrlich melodische Gitarrensoli in clean als auch verzerrt und sogar ein bisschen Progressivität komplettieren einen fetten Braten, der auch veganen Metallern munden sollte. Auch wenn ich hier und da den Eindruck habe, dass das Schlagzeug zeitweise etwas holprig rüberkommt, tut das der Stimmung keinen Abbruch und da acht lange Jahre seit der letzten ANGBAND ebenso wie auch seit der letzten PHARAOH verstrichen sind, sollte dies für Newcomer ein heißer Undergroundtipp, für Pharaonenfans gar Pflichtprogramm sein.
So geht purer, emotionaler, packender Metal, der weder vor Grenzen noch kulturellen Einflüssen halt macht und das schafft, was keine Regierungsoberhäupter dieser Welt vermögen: Menschen vereinen!
(Less Lessmeister)
BLACK FATE – Ithaca
2020 (Rockshots Records) – Stil: Melodic Powermetal
Warm anziehen, ihr Ritter der Tafelrunde, wenn ihr das Gefühl habt, dass neben CONCEPTION die wärmenden Feuer in KAMELOT am Ausgehen sind. Auch wenn es mittlerweile früher dunkel wird, können BLACK FATE eure Sinne erhellen und euer Schicksal in vielversprechende Bahnen lenken, denn Roy Kahn und seine ehemaligen als auch (wieder) aktuellen Mitstreiter haben nun endgültig würdige Anwärter um den Melodic-Power-Thron gefunden.
Und das hat keineswegs was mit Morganas dunkler Magie zu tun, obwohl es fast schon unheimlich anmutet, wie nahe die Gesangslinien und stimmlichen Nuancen von Vasilis Georgiou an Khan dran sind und in ebenso geschmeidiger Eleganz erblühen wie das Songwriting der Griechen auf ihrem fünften Longplayer. Wer nun „Copycat“ ruft, den bewerfe ich persönlich am kommenden Markttag mit Katzendreck, denn eine Patentrechtsverletzung auf Stimmen ging vor Gericht weder bei CRIMSON GLORY noch QUEENSRYCHE durch und was zählt, sind das Handwerk und die Kompositionen, die mich hier einfach vom Hocker hauen.
Ein wunderschönes Stück Edelmetall, welches gekonnt traditioneller geschmiedet ist, als die derzeitigen CONCEPTION und damit für den Fan so unverzichtbar ist wie Excalibur für KAMELOTs Chef … und diesmal meine ich weder Roy, Tommy oder Thomas, sondern den sagenumwobenen King…nein, auch nicht Elvis. Topalbum!
(Less Lessmeister)
www.facebook.com/blackfategreece
DEAFCON5 – F.E.E.L.
2020 (Independent) – Stil: Prog
Erfrischend entspannt kommen sie rüber. DEAFCON5 aus Bremen legen eher Wert auf den Song als auf virtuose Angeberei. Und so geht sie gut ins Ohr, die Mischung aus Prog zwischen geradlinigen SPOCK’S BEARD und LAZULI und gelassen lässigem Prog Metal der Marke FATES WARNING und THRESHOLD.
Ein paar Samples und Loops erweitern das Klangbild, das auch Leuten gefallen dürfte, denen DREAM THEATER zu kalt und steril erscheinen. Eine gewisse Härte sorgt dafür, dass DEAFCON5 immer nahe am Metal agieren. Anspieltips sind die lässige Ballade ´Dawn´ und das harte, klar Position beziehende ´White House Madness´.
Irgendwie ist es wenig überraschend, dass sich D5 der Legende nach unter dem Eindruck eines FATES WARNING Konzertes gegründet haben.
(8,5 Punkte – Mario Wolski)
EELS – Earth To Dora
2020 (EWorks/PIAS) – Stil: Indie Rock
Mitte bis Ende der Neunzigerjahre, auch noch Anfang der Nullerjahre, waren die EELS eine der schönsten Indie Rock-Formationen auf diesem Erdball. Die Alben – von ´Beautiful Freak´ über ´Electro-Shock Blues´ und ´Daisies Of The Galaxy´ schenkten ein wahres Feuerwerk an Melodien aus.
Unterdessen sind wir beim dreizehnten Werk ´Earth To Dora´ angekommen, das Bandleader Mark Oliver Everett als einzige Konstante im Gefüge von EELS auch selbst produziert hat. Zwölf alternative Indie Rocker, von denen sich nicht alle auf ein imaginäres Mix-Tape der großen Songs von EELS verirren dürften.
Der gewohnte Glöckchen-Klangkosmos von ´Who You Say You Are´ diesmal ebenfalls nicht. Vielmehr das schmerzvolle ´I Got Hurt´ oder das hoffnungsvolle ´Are We Alright Again´. Auch der Titelsong ist eine echter Aspirant. Schon in den Eröffnungsminuten zeigt uns Everett seine wahre Größe, wenn er in ´Anything For Boo´ die besonnen vorgetragene Strophe bereits durch ihre Melodie in den Refrain-Himmel hebt, um die eigentliche Steigerung nur in Schnelligkeit auszuleben. Bei dieser Schönheit stellt sich nur noch eine Frage: ´Are You Fucking Your Ex´?
(7 Punkte – Michael Haifl)
FORTRESS UNDER SIEGE – Atlantis
2020 (Rock Of Angels Records) – Stil: Power Metal
Dunkel in Erinnerung waren sie mir noch die Griechen mit ihrer EP aus 1996, damals über “Hellion” geordert, wenn ich mich recht entsinne. Nach der Reunion haben sie seit 2011 nun ihr drittes Album veröffentlicht. Leider ist von der kultigen Underground-Progpower-Atmosphäre der EP in der Neuzeit nicht so viel übrig geblieben. Jedenfalls gemessen an ´Atlantis´, die beiden Vorgänger sind völlig an mir vorbei gelaufen.
Heutzutage geht man zwar nicht vollständig, aber doch vermehrt in Richtung treuem Power Metal typisch südeuropäischer Prägung. Allerdings merkt man jederzeit am abwechslungsreichen Songwriting, dass hier Profis am Werk sind. Das ist ein klarer Pluspunkt gegenüber den Horden der Mittelrauschen Bands mit ihren Dumpfbacken-Refrains aus dieser Stilrichtung.
Belohnt die Jungs durchaus mit einem Kauf, die nach all den Jahren, trotz heftigem Beschuss, den Metal über Wasser halten. Anspieltipp: ´Spartacus´.
(7,25 Punkte – Markus gps)
www.facebook.com/FortressUnderSiege
HÄLLAS – Conundrum
2020 (Napalm Records) – Stil: Adventure Rock
Mit ihrem selbstbetitelten „Adventure Rock“ und starken Releases wie der selbstbetitelte EP und dem Langeisen `Excerpts From A Future Past` konnten die Schweden schnell begeistern. Der in den Siebzigern angesiedelte Sound war gespickt mit tollen Riffs sowie schönen Melodielinien. Hier und da etwas angeproggt, fand man schnell seine eigene Nische.
So war ich auf `Conundrum` mehr als gespannt. Meine Mundwinkel hängen jedoch jetzt noch auf Knöchelhöhe. Der zweite Longplayer will einfach nicht zünden. Mir fehlen da die prägnanten Melodien, die tighten Riffs und dieses mehr Schielen auf progressive Komponenten macht die Kiste nicht leichter. Es gibt einige Kompositionen wie `Tear Of Traitor`, die bringen den etwas simpleren Spirit des Vorgängers mit, aber das Gros ist gezwungen zu viel verproggt. Gesanglich wäre es cleverer gewesen, beim Mix diesem etwas weniger Raum zu zugestehen. Hier wird mir alles in allem einfach zu viel genudelt und zu wenig straight gerockt. Das klingt alles so nach Jammern und Mitleid, dass mir der Spaß schon etwas vergeht, auch wenn man den selbstgesteckten Anspruch sicher erreicht hat.
Dass es sich bei dem Album um ein Konzeptalbum handelt, dass eine Trilogie beendet, soll nicht unerwähnt bleiben. Als direkten Vergleich zu diesem Album kann man sicher die Amis CRYPT TRIP mit ihrem letzten Album `Haze Country` heranziehen. Nur hat das die besseren Songs.
(5,5 Punkte – Jürgen Tschamler)
LASTRYKO – Limbo
2020 (Necio Records) – Stil: Psychedelia
Das in Lima ansässige Label „Necio Records“ (in diesem Sommer mittels eines Specials schon Gast auf unseren Seiten) ist eine erste Adresse für Psychedelia, Stoner, Doom und ähnliches aus Lateinamerika. Hier ist ihre erste nichtamerikanische Veröffentlichung. Wenn man weiß, dass „Necio Records“ ihren Versand für Europa aus Polen abwickeln, verwundert es eher nicht, dass LASTRYKO genau von da stammen.
Musikalisch aber passen sie wunderbar ins Programm. Mäandernde Gitarrenklänge über wabernden Soundlandschaften. Töne perlen umher, wie Regentropfen an einer Fensterscheibe. Dazu passen die sonoren, auf polnisch vorgetragenen Vocals. Dazu eine kleine Prise 60s Pop und Garage, das ergibt ein insgesamt stimmiges Bild.
Allerdings schleichen sich ein paar Längen ein. Dennoch ist ´Limbo´ ein sympathisches Album, an dem Psych-Freunde ihre Freude haben dürften.
(7 Punkte – Mario Wolski)
neciorecords.bandcamp.com
www.facebook.com/Lastrykoband
LEATHER WITCH – Same
2020 (Steel Shark Records) – Stil: Heavy / Speed Metal
Aus Kolumbien geben sich LEATHER WITCH die Ehre. Das Quintett um Frontfrau Tania Ospina Gomez legt mit seinem gleichnamigen Debüt einen soliden Einstand vor. Heavy Metal ohne Ösen und Haken. Kein Rumgenudel, keine Keyboards, keine Tralala-Melodien. Solider schneller Heavy Metal der alten Schule: druckvoll, ruppig, weitgehend Up-Tempo und deutlich schneller, kurz vor dem Türchen zur Kategorie Speed Metal.
Der Gesang ist leicht egozentrisch, aber absolut passend und schwer vergleichbar. Grob ein Mix aus Leather Leone und ACIDs Kate. Die sehr speedigen Tracks wie `Fast Killer`, `Do It For Money` oder `Leather Witch` überzeugen umgehend und gerade die Gitarren imponieren. Die Truppe könnte locker als eine europäische Band aus den Mid-Achtzigern durchgehen. Schon im Opener wird klar wohin die musikalische Reise geht.
Auch wenn es ohne Innovationen rüberballert, das Album hebt bemerkenswert schnell die Laune. Mit seiner Geradlinigkeit und Direktheit können die Kolumbianer deutlich Punkte sammeln. Sehr gefällig.
(8 Punkte – Jürgen Tschamler)
www.facebook.com/LeatherWitchBand
LUFEH – Luggage Falling Down
2020 (Independent) – Stil: Prog Metal
LUFEH sind das Projekt des Schlagzeugers Batera Lufeh mit Stützpunkt in Los Angeles. Seit sechs Jahren lebt der Brasilianer in der Stadt der Engel und ist zwischenzeitlich nicht nur bei der BLUE MAN GROUP zugange, sondern auch Schlagzeuger bei Kenny Shipman. Gemeinsam mit Gera Penna (Keyboard), Duca Tambasco (Bass) und Dennis Atlas (Gesang) haben sie das Album ´Luggage Falling Down´ in Los Angeles eingespielt.
Die brasilianisch-amerikanische Combo wählt dabei den Weg zurück in die Neunzigerjahre, tönt aber nicht nach ANGRA, sondern zu Beginn des Werkes geradewegs unverkennbar nach DREAM THEATER, insbesondere da Dennis Atlas in die Fußstapfen von James LaBrie schlüpfen könnte (´Find My Way´). Das Drumming fällt trotz Ankündigung weniger heimatbezogen aus, sondern besitzt auch seinen RUSH-Einschlag. Mehr Wendungen im Kompositionsfluss und in der Einbeziehung von Background-Chören sorgen hingegen für eine gewisse Abwechslung (´The Unknown´). Auch wenn nicht alles in höchster Güte glänzt, ändert sich die musikalische Ausrichtung im Laufe des Werkes (´My World´). Der Einfluss von DREAM THEATER verschwindet zunehmend (´End Of The Road´) und bezieht sogar melodische Elemente in den Prog Metal ein, die sogar ein Glenn Hughes gerne besingen würde (´Escape´).
(7 Punkte – Michael Haifl)
LYONEN – This Is Lyonen
2020 (Independent) – Stil: US-Metal
Dort, wo ich herkomme, liebt man Lyoner – diesen nackenrollegrossen Ring feiner Fleischwurst, der mit vier Flaschen Bier einen hervorragenden Working-Class Adventskranz abgibt. Dort, wo ich herkomme, liebt man Heavy Metal. Welcome to ‘This Is Lyonen’ – das ist ursprünglicher, klassischer Heavy Metal mit starkem Sänger und allem auf der Instrumentenseite, was man sich so zwischen verschiedensten US-Einflüssen, aber auch MAIDEN- und PRIEST-Trademarks wünschen kann – und mehr.
Die Qualität von dem aus Venezuela stammenden und in Maryland ansässigen Alleinherrscher Luis „Tato“ Rivas und seinen Songs manifestiert sich in vier Instrumentalen, die so knackig kurzweilig sind, dass schon das nächste Stück läuft, bevor man die klare Stimme des großartigen Gasts Craig Carns vermisst. Die Halbballade ´I Am Not Wild´ passt zudem auf jede liebevoll zusammengestellte, zeitalterunabhängige US-Metal-Highlightcompilation.
Ich kann diese Scheibe uneingeschränkt jedem empfehlen, der straighten, dennoch virtuosen, packenden Metal im Stile der Jungen Wilden, aber mit eindeutigen Übersee-Herkunftsspuren inklusive Mut zum Tellerrandblick hat, wie die aus der Reihe tanzende Robin Hood-Piraten-Indianerhymne ´No Borders´, das herrlich treibende Drumfeuerwerk ´Nehme die Sünde´ oder der gelegentliche Einsatz ungewöhnlicher Würzmittel wie z.B. leichter Elektrik und Violinensound es verlangen. Sehr cool, sehr eigenständig – mehr davon!
(Less Lessmeister)
www.facebook.com/lyonenofficial
MAMMAL HANDS – Captured Spirits
2020 (Gondwana Records) – Stil: Jazz Rock
Nicht ganz leicht macht es einem dieses Trio aus Norwich. Mit Piano, Drums und Saxophon wildert man in den weiten Räumen des Jazz. Und, ja, der Hörer braucht eine gewisse Zeit sich hineinzufinden.
Auch bei mir dauerte es bis der Groschen fiel. Als sich aber vor dem inneren Auge die ersten Bilder zeigten, da machte es Klick. Bei ´Floating World´ etwa ist es der Albatros, der über der weiten, offenen See seine Kreise zieht. Leider viel zu kurz.
Auf einer Insel im Mittelmeer, mit karger Vegetation unter sonnenverbranntem Himmel findet man sich bei ´Ithaca´. Vor der Küste liegt ein antikes Schiff, ein erschöpfter Mann in antiker Rüstung schleppt sich den Hang empor. Oben, auf dieser Anhöhe, findet sich ein altes, von der Zeit zerfressenes, befestigtes Anwesen. Dort wartet sie, die seit Jahren nachts wieder auftrennt, was sie am Tage webt.
Während der Groschen aus zehn Pfennigen besteht, so besteht dieses Album aus elf Traumreisen, elf Kurzfilmen für das Kopfkino.
(8 Punkte – Mario Wolski)
MEGATON SWORD – Blood Hails Steel-Steel Hails Fire
2020 (Dying Victims Productions ) – Stil: Epic Heavy Metal
Die Schweizer Epic Metaller ließen schon vor einem Jahr mit ihrer EP `Niralet` aufhorchen. Auf ihrem ersten Longplayer gehen sie nun noch konzentrierter zur Sache.
`Blood Hails Steel-Steel Hails Fire` lebt von schweren, epischen Riffs, galoppierenden Rhythmen und großen Melodiebögen und suhlt sich tief im Genre des erwähnten Epic Metal. Fans von BROCAS HELM, MANILLA ROAD, SMOULDER etc. dürfen hier umgehend zugreifen. Diskussionen könnte der Gesang aufwerfen, der an sich gut funktioniert, aber bei genauerer Analyse doch sehr eindimensional klingt. Passt aber dennoch gut in die breiten Flutwellen aus galoppierenden Takten und NWoBHM-ähnlichen Versatzstücken, die immer mal wieder durchdringen.
Hervorzuheben sind das treibende `Songs Of Victory`, das knackig-wuchtige `Wastrels` oder das wirklich voluminöse `Verene` mit fast schon kommerziellem Refrain. Dagegen fällt `Crimson River` von meiner Seite aus durch. Zuviel Epos und Schmachten in dem Song, der auf Dauer doch wenig spannend wirkt. Dennoch wird man im Handstreich die Herzen der Genrefans einnehmen.
(7,5 Punkte – Jürgen Tschamler)
NEAL MORSE – Sola Gratia
2020 (Inside Out) – Stil: Prog Rock
Gewohnte Ware gibt es aus dem Hause Morse mit den üblichen WG-Genossen Portnoy & George. Qualitativ wie textlich und letztlich auch musikalisch genau das, was man erwartet. Ich war ganz überrascht, dass gemäß mitgelieferter Discography zwischen 2012 und 2019 gar keine Morse-Soloalben veröffentlicht wurden. Also scheinbar volle Konzentration auf das eingängigere FLYING COLORS-Material?
Und tatsächlich, nach all der Zeit (den Vorgänger aus 2019 habe ich nicht) dürstet es bei mir mal wieder nach galaktisch bärtigen Kompositionen, auch wenn man gefühlt trotz Komplexität alle Melodiefolgen schon im Vorhinein kennt. Und sind wir mal ehrlich, wer nicht beim Refrain von ´Ballyhoo´ voller Begeisterung mit beiden Knien fest am Boden klebend die Lampen schwenkt, wird das Licht nie mehr erblicken („Cause we are the chosen ones – we come with hellfire in megatons…..“). Sollte der Teufel wirklich bis zum Ende der Scheibe durchhalten, wird er spätestens bei der weiteren Lampenschwenkerhymne ´Glory Of The Lord´ von den Aerosolen der mitsingenden Hundertschaften gnadenlos in die Flucht getrieben.
(objektiv 8 Punkte, gefühlt geile 9 – Markus gps)
NINTH CIRCLE – Echo Black
2020 (Pure Underground Records) – Stil: Melodic Metal
Ich bin einfach hin- und hergerissen. NINTH CIRCLE machen prinzipiell alles richtig auf ihrem aktuellen Album. Ein bisschen erste FIFTH ANGEL oder Uralt-RIOT (passend dazu das ´Warrior´-Cover mit Todd Michael & Mike) mit diesem gewissen Oldschool-Flair in Song und Sound (man denkt gerade bei der Doublebass an diverse, legendäre WARLORD-Aufnahmen), ansonsten wohlklingender, melodischer Metal ohne irgendwelche Ecken und Kanten mit angenehmem Sänger und starken Refrains wird auf dem vierten Album in zwanzig Jahren von NINTH CIRCLE geboten. Was stimmt also nicht mit mir? Kann Metal einfach zu “nett” sein, ohne jemandem aufzustoßen?
Außer ´Tokyo Nights´ oder ´Then & There´, die wie aus den BON JOVI-Sessions von deren ersten beiden Scheiben klingen, mir persönlich beim besten Willen zu cheesy sind und auch komplett aus dem gesamten eher metallischen Rahmen fallen, gibt’s kaum was zu mosern. Es gefällt einfach, hat theoretisch alles, was man hören will, aber das ist eben gerade mein persönliches Problem: Metal sollte für mich nicht einfach nur “nett” sein, er braucht etwas queres, anstößiges, unbequemes, rebellisches – den gewissen Kick. Den vermisse ich hier wie auch bei Bands wie HIGH SPIRITS, die jedoch bekanntermaßen eine mächtige Gefolgschaft haben, also mögen NINTH CIRCLE für diejenigen unter euch das perfekte Album ohne Störfaktor komponiert haben.
Immerhin hat mich ´Echo Black´ wochenlang beschäftigt, gut unterhalten und der Großteil der Scheibe ist einfach geile Musik, die auch ich nicht missen möchte. Entscheidet selbst.
(Less Lessmeister)
www.facebook.com/NinthCircleBand
THE NATURAL DISASTERS – Tormenta
2020 (Moondrop Records) – Stil: Post Punk/Gothic Rock
Mit einer stimmigen Mischung aus Post Punk und Gothic Rock spielen sich THE NATURAL DISASTERS sphärisch in meine Herbstplaylist. Ein gewisses Melo-PARADISE LOST-Feeling bis zu alten SISTERS OF MERCY versprüht die angenehm Trübsal heraufbeschwörende Scheibe des Kopenhagener Projekts um Mastermind Alioscha Brito-Egaña (der die Instrumente fast im Alleingang eingespielt hat) mit den klasse Vocals von Anna Sharifi, Trine Trash und Tomas Karlsbjerg.
Kennt jemand noch die Indie-Metal Combo TAPPING THE VEIN mit der unglaublich intensiven Heather Thompson oder Nell Sigland von THE CREST, die nach Liv Kristine bei THEATRE OF TRAGEDY bis zum bitteren Ende das Mikro betörte? Es bestehen durchaus Parallelen zu diesen beiden dunklen Göttinnen und ihren Bands. Schön introvertiert erzeugen die kühlen Tracks eher ein gerade jetzt willkommenes, herrlich-düsteres „mir-doch-egal“-Gefühl statt nebliger Verzweiflung.
Eine ausgewogene Mischung aus flotteren Stücken, bei denen die Gitarren flirren, der Bass stur geradeaus donnert und getragenen, elegischen Lamenten, die durch entrückt-emotionale Stimmen aus der Finsternis und dem Trockeneisnebel treten. Also seid dabei, trotzt dem Virus, legt ´Tormenta´ ein… und schaltet von dem ganzen Alltagswahnsinn ab. M’era Lunaaaaaa – ich vermisse dich!
(Less Lessmeister)
www.facebook.com/TheNaturalDisastersRock
RUSTY EYE – Dissecting Shadows
2020 (Blood Blast Distribution) – Stil: Heavy Metal
Mit Mexiko verbindet man aztekische Menschenopfer, Kakao und Chili Con Carne, Frida Kahlo und einen erschossenen Kaiser. Das Trio RUSTY EYE, das aus Mexico City stammt und jetzt in Hollywood residiert, hat sich auf den Weg gemacht, auch eine Spur im Gedächtnis der Welt zu hinterlassen. Dafür machten sich die singende Schlagzeugerin Miss Randall und ihre Mitstreiter auf nach L.A., darum entstand dieses mittlerweile 5. Album, Livescheiben nicht mitgezählt.
Wenn der etwas platte Opener ´This Is Permanent´ überstanden ist, erwartet den Hörer eine Mixtur aus US Metal und Modern Metal. Dazu kommt eine kleine Prise Mid-Tempo Thrash und fertig ist die Laube. Während mir persönlich die traditionellen Teile ziemlich gut gefallen, gerade die Soli und die melodischen Parts gelingen ziemlich gut, ist der moderne Anteil nicht immer so ganz zwingend. Erschwerend kommt hinzu, der Sängerin Stimme ist doch recht speziell.
Trotzdem, alles in allem ist ´Dissecting Shadows´ gut hörbar. Richtige Spuren in der Geschichtsschreibung werden aber eher ausbleiben.
(6,5 Punkte – Mario Wolski)
STÄLKER – Black Majik Terror
2020 (Napalm Records) – Stil: Speed Metal
Die neuseeländischen Speed Metaller von STÄLKER liefern nach ihrem großartigen Debüt `Shadow Of The Sword` souverän nach und ziehen mächtig vom Leder. Ihr bekannter Mix aus EXCITER, AGENT STEEL und EVIL INVADERS wird hier gnadenlos aufgefahren. Nix Neues, sicher, aber die Power, Energie und der Spielwitz der einem bei `Iron Genocide`, `Demolition` oder `Of Steel And Fire` um die Ohren fliegt lässt die Ohren glühen. Die KING DIAMOND-/AGENT STEEL-artigen Sireneinlagen machen die ganze Kiste noch puristischer und runden den Stil der Neuseeländer sauber ab. Die Band bedient sich aus dem klassischen Fundus der Speed Metal-Bands und kocht damit sein eigenes Süppchen. Für Speed Metal-Maniacs sicher eines der Must-Have-Alben dieses Jahr.
(8,5 Punkte – Jürgen Tschamler)
www.facebook.com/stalkerheavymetal
VANISHING POINT – Dead Elysium
2020 (AFM Records) – Stil: Melodic Metal
Powervoller, leicht progressiver Metal mit bombastischen Farbklecksen erwartet euch auf dem nach langen sechs Jahren endlich erscheinenden Nachfolger von ´Distant Is The Sun´ … und das Warten hat sich gelohnt.
Ein Feuerwerk an harter Rhythmik, gekonntem Handwerk und Melodien haben die Australier um den bockstarken Fronter Silvio Massaro und sein Gitarrenduo Chris Porcianko und James “Bushy” Maier mit neuer Rhythmusgruppe (Gaston Chin – Bass & Damien Hall – Drums) geschmiedet. Besonders Brecher wie ´Shadow World´, ´The Healing´, das Titelstück oder ´To The Wolves´ machen ´Dead Elysium´ unverzichtbar für die EVERGREY-Gefolgschaft.
Kraft und Emotion vereinen sich zu Hymnen, die vielen Kitschcombos, Kommerzmetallern und zu verkopften Musikstudenten zeigen, wo der Hammer des wahren Melodic Metal auf den Amboss trifft. Auch wenn ein Ballädle wie ´Salvus´ einige nach der Skip-Taste der Fernbedienung suchen lässt, so seien wir doch ehrlich: Wir freuen uns immer mal wieder, mit der sanftere Hälfte – egal welchen Geschlechts – des Alltags gute Musik zu teilen.
Und gerade eine Band wie VANISHING POINT schafft es besser, den Corona-Frust eine Stunde vergessen zu lassen, als jedes vollmundige Heilmittelversprechen jeglicher laienhafter Präsidentendarsteller.
(Less Lessmeister)
www.facebook.com/vanishingpointaustralia
Und jetzt, Freunde der harten Klänge, feiert in aller Stille!
Metal on!
Michael und das gesamte Streetclip-Team
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