WOOMERA – Caustics Of A Tidal Spirit
~ 2020 (Independent) – Stil: Prog Metal/Post Rock ~
WOOMERA haben die große Vision vor Augen, sie sehen den monumentalen Berg in nicht weiter Ferne, den sie erklimmen und dabei ein großes Fabelwerk für die Ewigkeit fabrizieren wollen. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass sie nach ihrer über 40-minütigen Debüt-EP aus dem Jahre 2015 fünf Jahre später das neue 43-Minuten-Werk ´Caustics Of A Tidal Spirit´ abermals als EP deklarieren. Wenn sie ihre Meisterprüfung erst in einem überlangen Full-Length-Scheibchen ablegen wollen, dann ist die aktuelle Veröffentlichung das prächtige Gesellenstück.
War die selbstbetitelte Debüt-EP noch eine Symbiose aus Alternative Rock und Progressive Metal im Sinne von KARNIVOOL und TESSERACT mit einem Hauch von RADIOHEAD, lebt das Quartett – Simon Besenthal (Gesang, Gitarre, Aufnahme, Produktion), Nikita Mironov (Gitarre, Gesang), Daniel Janus (Bass) und Dario Schmid (Schlagzeug) – nun seinen Alternative-Progressive-Rock-Metal in den Strukturen des Post Rock aus, das heißt die Kompositionen streben allzeit dem Siedepunkt entgegen, sofern sie sich nicht zwischendurch eine schöpferische Entspannungssphase gönnen. Nunmehr müssen auch Gruppen mit den klangvollen Namen THE CONTORTIONIST und BETWEEN THE BURIED AND ME sowie insbesondere THE MARS VOLTA und COHEED AND CAMBRIA Erwähnung finden. In der Summe trifft sprudelnde Lava auf rumorenden Mountain.
´Caustics Of A Tidal Spirit´ ist ein äußerst ambitioniertes Werk. Es beinhaltet nur vier Kompositionen, die neben dem fünfminütigen Auftaktsong alle Emotionsebenen in jeweils Zehn- bis Fünfzehnminuten-Songs durchlaufen. Das Werk ergibt ein einheitliches Bild, da der Hörer theoretisch an jeder beliebigen Stelle eintauchen könnte, um von der Bannkraft eingefangen zu werden.
Aus herrlichen, beschaulichen Saitenanschlägen wächst in ´Levity´ eine klirrende Eruption heran, ehe das brennende Feuer nochmals der Glut entnommen wird und der Schwall mit weit mehr Gesang, erhöhtem mehrstimmigen Gesang sowie instrumentaler Kraftdarstellung endgültig herausbricht. Fortwährende, fiebrig-betriebsame Saitenanschläge treiben ´Klepsydra´ irgendwann an den Rand des TOOL´schen Universums, ohne die mittlerweile gewohnte Komponente á la THE MARS VOLTA zu vernachlässigen. Doch nach einem Drittel zieht sich alle Betriebsamkeit sacht zurück. Summende und zischende Ruheminuten werden von einem perkussiven Rhythmusaufstand in das schiere Delirium gespielt. Exorbitant. Der Rhythmus-Dominanz müssen sich die überschwänglichen Saitenanschläge bisweilen ebenfalls in ´Farewell´ beugen. Abermals darf eine Periode der Beschaulichkeit vom Bass belebt werden, die sich mit Gesang wieder in die Mitte des Geschehens kämpft, mit dezenter, gesanglicher Verstärkung aus dem Background, und letztlich zum Meeresrauschen “Farewell” in die Ohren aller säuselnd. Wiederum aus dem fernen Universum sprudeln die Saitenanschläge in ´Rebirth II: The Tide´ zur achtsamen Reife. Die Aufwallung wird von den klar strukturierten Gesangseinlage vorangetrieben, ohne sich lange aufzuhalten. Klatschend singen sich WOOMERA in andere, sinnlichere Sphären, bevor Donnerschläge und Hu!-Ha!-Stimmen aus der Ferne für Dauerfeuer sorgen, das im mechanischen Regen ausklingt. Beachtlich.
(7,5 Punkte)
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