MONUMENTAL – Purification
~ 2020 (Massive Sound Recordings) – Stil: Progressive/Crossover Metal ~
Kindererziehung ist so eine Sache. Und die richtige musikalische Grundbildung erst recht. Mit welchen Bands fängt man zur Prägung des Lendenstolzes an und mit welchen Stilrichtungen macht man weiter, wenn der Sprössling bereit für die härtere Schiene ist?
Gehen wir einfach mal davon aus, daSs sich folgendes irgendwo in Großbritannien ereignet haben könnte:
– Grandfather, tell me a story about metal!
– Alright, go and get your printmag.
– No, no, not one of those, a real story about ALL kinds of metal!
Und damit sind wir direkt bei MONUMENTAL, ihrem Konzeptalbum ´Purification´ und der Tatsache, dass dieses Werk ein Crashkurs in fast allen Spielarten des Metal darstellt und zu einem Fest für den aufgeschlossenen Fan wird, der Melodien ebenso mag wie extreme Musik oder ein modernes, neuzeitliches Storykonzept über das ewige, alte Ringen von Gut und Böse im menschlichen Wesen. Sozusagen AYREONs ´The Human Equation´ in absolut abgefahren – ein musikalisch-mentales Monument über unser inneres Ich, welches in sechs Wesenszüge als Charaktere der Handlung aufgeteilt wird, die in Diskurs miteinander treten mit dem Ziel der Reinigung – we all need ´Purification´ right now. Right? Definitely!
Mein lieber Herr Gesangsverein, das ist also mal wieder meins. Ist es die Crazyness? Ist es die fünfzigminütige Albenlänge des einen Liedes? Man muss schon kerngesund sein, um sich darauf einzulassen und es hilft, einen Musikgeschmack von den APOKALYPTISCHEn REITERn über ATROCITY, CHAPEL OF DISEASE, CRYPTEX, DEPRESSIVE AGE, DEVIL DOLL, DEVIN TOWNSEND, DISILLUSION, EDGE OF SANITY, FAITH NO MORE, LAIBACH, PRIMUS, SYSTEM OF A DOWN bis hin zu WALTARI sein Eigen zu nennen – und das alles auf Steroiden oder mit einem gewissen Sinn für Humor, aber auch textlicher Tiefe.
Dann jedoch, liebe Freunde der ausgefallenen Metalkunst, wird euch diese musikalische Erzählung begeistern über den durch die gesellschaftlichen Versuchungen unvorhersehbar agierenden „Brainfucker“, der alle menschlichen Sünden personifiziert und auf seiner Reise zu den Toren der Reinigung mit den anderen fünf Charakteren konfrontiert wird, die ihrerseits Wesenszüge bzw. Geisteszustände wiederspiegeln. Diese dienen den Musikern gleichzeitig als Alter Egos, somit personifizieren sich neben dem screamenden und shoutenden „Brainfucker“ weiterhin an Keyboards und Gesang „Esus Corpse“, ein „Stylish Maniac“ an den Vocals, der „Mad Dog“ an Gitarre und Gesang und die „Purification“ selbst zeigt sich für Bass und Vocals zuständig. Komplettiert wird das Orchester des Wahnsinns durch „Disciple Of Plague“ an der Gitarre und den nicht in der Story verankerten „Anonimus“ an der Schießbude.
Mit all’ diesem künstlerisch erstklassig umgesetztem Wahnsinn entsteht ein Crossover aus Thrash-, Core-, Progressive-, Doom-, Noise-, Power-, Death-, Funk-, Punk-, Melodic-, Alternative-, Groove-, Heavy-, Atmospheric-, Epic-, Viking-, Acoustic-, Math-, Black-, Symphonic-, Piano-, Gothic-, Weird-, Rap-, Ethno-, Retro-, Cinematic-, MONUMENTAL… äääh… Metal. Und nicht zu vergessen Einsprengsel von Rock und Hard Rock. Und das wie vom Deibel besessen in mehreren Sprachen und unverständlichen Lauten durch die Membranen in euer Hirn gefisted – alleine das Textblatt mit den Lyrics und den musikalischen Hintergrundelementen ist ein Fest für sich.
Even their souls cannot be saved from death
Sie waren vor langer Zeit verloren
Dein Gift ist zu stark
Es verschlingt ihre Kraft
Nobody’s souls cannot be saved from death
Keine Angst, eure Seelen werden gerettet und diese Droge von Klangszenarien stärkt euch und gibt umso mehr Kraft, je öfter ihr sie euch einflößt. Denn anstatt sich im stilistischen Wirrwarr zu verlieren, schaffen es MONUMENTAL immer wieder durch die Rückkehr zu fett riffendem Thrash- und Powermetal eine rote Linie zu etablieren, die durch diverse Soli, stilistische Zwischenspiele und diverse „Chöre“ aufgelockert und aufgemischt wird. Somit finden sich zwar von den vielen weiter oben angeführten Bands mehr oder weniger eindeutige Bruchstücke oder Parallelen, die Mischung selbst ist und bleibt dennoch 100% MONUMENTAL.
Ja, so strange und nicht nachvollziehbar dieser Erklärungsversuch erscheint, so abgefahren-einzigartig ist die ´Purificitation´ von MONUMENTAL, die in ihrer Gesamtheit den Hörer einfach fesselt und in ihren Bann zieht. Definitiv eines der interessantesten, eigenständigsten und mutigsten Werke dieses Jahres und damit vielleicht einer der wenigen wirklich progressiven Outputs – und mehr Metal in dieser allumfassenden Flutwelle von Musik geht nun wirklich kaum noch…Wetten dass?