MELANIE MAU & MARTIN SCHNELLA – Through The Decades
~ 2020 (Independent) – Stil: Acoustic Covers ~
Vor ein paar Tagen war ich mit meinem Sohn (bald 18) im Auto unterwegs. Weil diese CD gerade gern auf der Playlist steht, steckte sie im Player und es startete ´Don’t Stop Me Now´. Ein Stirnrunzeln war auf dem Beifahrersitz zu sehen. “Das ist komisch”, war zu vernehmen. Okay, dachte ich, dann testen wir das. Skip zu ´Creeping Death´. Der Blick auf dem Beifahrersitz wechselte erst zu interessiert, dann zu erkennend. Ein anerkennendes Nicken kann genauso viel Lob sein, wie wenn Herr Schuhbeck sagt, man könne etwas essen.
´Through The Decades´kommt nicht von irgend jemandem. Melanie Mau und Martin Schnella wohnen am Harz und leben in ihrer weiten musikalischen Welt, arbeiten etwa zusammen mit Marek Arnold an SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR oder ihrer eigenen Band FLAMING ROW. Dazu kommt das Studio und wenn dann noch Zeit ist, spielen sie akustische Covers, eben quer durch Zeiten und Stile.
Das tun sie nicht allein. Mit Mathias Ruck kommt eine zusätzliche dritte Stimme ins Spiel. Die mehrstimmigen Parts sind echt der Hammer und sicher wohl durchdacht. Dazu kommt am Bass Lars Lehmann, für Percussions ist Simon Schröder zuständig.
Ein erster Blick über die Trackliste sorgte auch bei mir für beides, Stirnrunzeln und freudiges Grinsen. Da gibt es zum einen ´Poesie Im Sand´ von ÁRSTíðIR, eine Band die mir völlig unbekannt ist. Dafür ist dieses Stück eine Entdeckung. BLIND GUARDIAN oder IN FLAMES gehören nicht zu meinen Lieblingen, aber auch ´Harvest Of Sorrow´und ´I Am Above´ sind es wert so entdeckt zu werden.
Dann sind da aber auch Lieblingslieder. ´Dancing With The Moonlit Knight´, ´Miracles Out Of Nowhere´ oder ´And You And I´, gehören zu meinen Allzeitfavoriten, auch weil sie Alben entstammen, mit denen ich GENESIS, KANSAS und YES entdeckte. Gut, bei QUEEN hätte ich möglicherweise auf einen anderen Song zurückgegriffen, dafür aber ist Melanie und Martin immer etwas gelungen. Sie haben es bei jedem einzelnen Song geschafft, ihn zu ihrem zu machen.
Dazu brauchte es nicht viel. Ein Weg ist das Entschlacken, das Vereinfachen. Der andere dann ist die Nutzung von Pipes und Whistles, gespielt von Jens Kommnick. Das ist die Würze der Stücke, ähnlich der Chilie im Chilli Con Carne. Marek Arnolds Saxophon und Klarinette runden dann ´In Your Eyes´ (PETER GABRIEL) und das schon erwähnte ´And You And I´ ab.
Mit Jelena Dobric kommt für ´Reasons´ (PAIN OF SALVATION) noch eine vierte Stimme ins Spiel. Allein der Beginn sorgt für eine dicke Gänsehaut. Mein Höhepunkt, der Ohrgasmus für mich aber ist ´Creeping Death´. Nie hätte ich mir diesen Klassiker des Metal in einem akustischen Gewand vorstellen können. Und es funktioniert! So heavy kann es zugehen, wenn Akustikgitarren eben nicht an einem Lagerfeuer klimpern; sondern tatsächlich gespielt werden.
Und ja, nicht einmal die abschließende Ballade ´Als Ich Fortging´, im Original 1987 von KARUSSELL, klingt nach Bier und Lagerfeuer, nach Laienspiel und Freizeitmucke. Im Gegenteil, ´Through The Decades´ ist so gut, dass ich das ein oder andere Stück noch einmal mit neuen Ohren versuchen werde zu hören. BLIND GUARDIAN werden sicher nicht mehr zu meinen Favoriten, ein neuer Blickwinkel hat sich aber aufgetan.
Diese CD möchte ich jedem ans Herz legen, der auch die Zwischentöne liebt, jedem, der auch einmal neue Blickwinkel suchen und finden möchte. Jedem, der Akustikgitarren auch nicht nur am Lagerfeuer verortet und jedem, der Prog Rock tief in seinem Herze trägt.
(9 Punkte)
https://melaniemaumartinschnella.bandcamp.com/music
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