STREET KOMPASS August 2020
Hallo und Guten Tag!
Da sind wir wieder! Ist schon wieder ein Monat vergangen? Präsentieren wir bereits den nächsten Kompass?
Tatsächlich! Und erneut hat sich in allen Ecken des musikalischen Universums etwas getan, irgendwo sind neue Klänge entstanden, die wir Euch hier in gewohnter Kürze frisch auf Eure digitalen Lesegeräte senden. Zwischen Pop und Metal, Piraten und Kampfpiloten werden alle Richtungen und Thematiken abgefrühstückt.
Aber haltet erst mal Eure Geldbörsen fest, haltet Euch vom Buy-Button fern, ehe Euch die Sucht packt, schnellstens alle Schönheiten der eigenen Sammlung einzuverleiben. Hebt Euch ein paar für Weihnachten auf. Die schönsten Geschenke macht man sich schließlich selber. Nur die Limited-Editions, ja die, die muss man gleich besorgen, nicht dass Ihr nachher meckert, wie letztens einer von uns, dass auf einer regulären LP nicht die Bonus-Stücke der Special-LP-Edition enthalten sind. Shit happens. That´s life.
Und jetzt zur Herrlichkeit …
M o n a t s h e r r l i c h k e i t
Q u i c k – R e v i e w s
HANNAH ALDRIDGE – Live In Black And White
2020 (Icons Creating Evil Art) – Stil: Singer-Songwriter/Country/Dark Americana
Was für eine Stimme, was für ein Gefühl. Wenn ihr mal wieder eine Gänsepelle sondergleichen haben wollt – die Hannah beschert sie euch auf ihrem aktuellen Livedokument und zeigt neben ihren tiefgehenden Songs mit Blueseinschlag eindrucksvoll, dass auch Countryausflüge ganz und gar nicht nur für biertrinkende Trucker sind, die abends beim Bier ´Ring Of Fire´ in ihre Barhocker furzen. Spätestens seit der grandiosen Serie „Nashville“ dürfte jedem Musikjunkie klar sein, dass die „Volksmusik“ des weiten Landes in Übersee weitaus mehr Facetten bietet und mit bluesigen Wurzeln dem Rock näher ist als unsere Schlageraffenparade.
Schon alleine beim rein vokal angestimmten Beginn erkennt man, woher der unheimliche ´Devil Man´ der BLUES PILLS seine Locken hat, der ebenso wie diese Songs gerade live sein ganzes Potenzial entfaltet. Hannah bleibt jedoch komplett akustisch geerdet und erzählt mit ihrer fantastischen Stimme sehnsuchtsvoll mit einer gewissen „southern“ Düsterkeit – durchzogen von Depression und Hoffnungslosigkeit – von großen Gefühlen, inneren Dämonen, religiösem Wahn, Drogen – aber auch dem Wiederaufstehen und lässt sämtliche Genregrenzen des besinnlichen Songwritings verschmelzen, bis hin zu ihrem kraftvollen Gefühlsausbruch bei ´Lace´, der dir die Pumpe stillstehen lässt.
Ein Soundtrack der sentimentalen Harmonie, der denkende und fühlende Menschen aller Couleur und Klassen wenigstens für eine knappe Stunde vereinen sollte, gerade jetzt. ´Live In Black And White´ really matters – auch im übertragenen Sinne.
(Less Lessmeister)
www.facebook.com/HannahAldridgeOfficial
ASSIGNMENT – Reflections
2020 (Massacre Records) – Stil: Progressive Metal
Unglaubliche Gänsehaut. Endlich wieder diese Stimme… doch es kann nicht sein… oder doch?!? Nein, unmöglich, doch gleich mehr dazu. Endlich wieder Progressive Metal… oder anspruchsvoller Power Metal? Auf jeden Fall gelingt den Nordrhein-Westfalen der Spagat zwischen ordentlich Wumms, großen Melodien und nicht zu verfrickeltem Instrumental-Show-Off. Das fünfte Album der Progmetaller klingt durch die kraftvollen Vocals von Diego Valdez ein wenig wie die progmetallische Version unseres geliebten DIOs.
Unnütz dabei zu erwähnen, dass musikalisch weitaus andere Farben leuchten und es powermetallisch in die grobe Richtung MORGANA LEFAY, KAMELOT oder TAD MOROSE rummst, anstatt der Regenbogen hardrockig seine Farben entfaltet. Bei zehn Songs in einer knappen Stunde ist Aufmerksamkeit gefordert, die dazu auch noch durch die aussagekräftigen Lyrics und Themen belohnt wird. Das Material zeichnet sich durch wunderbares Drama und eine gewisse Düsternis aus, das I-Tüpfelchen ist der famose Gastauftritt von Ines Vera-Ortiz (INNER STREAM, BLACK OCEANS) – eine Dame mit einer Klasse, der ich gerne die “Balls” in der Stimme attestiere.
´Reflections´ ist ein Highlight für den Fan des anspruchsvollen Metal mit dem Bonus eines Sängers in der Liga der “Göttlichen”.
(Less Lessmeister)
www.facebook.com/AssignmentMusic
CALAROOK – Surender Or Die
2020 (Independent) – Stil: Pirate Metal
Piratenmetal aus der Schweiz, das klingt schon mal bizarr. Etwa so wie Alpenromantik in Ostfriesland oder Flamenco am Nordkap. Ob jetzt am Äquator Eisbären und Pinguine miteinander Ringelreihen tanzen?
Für ihren Mix nutzen CALAROOK ein paar RUNNING WILD-Riffs (sogar ein paar sind dabei, die Rock’n’ Rolf gut zu Gesicht stünden…) und Death-Growls, ewig jammerndes Geigengefiedel (noch übler als mancher Dudelsack auf dem Mittelalter-Markt) und drollige Troll-Melodien.
Das liest sich spannender als es ist. Irgendwie schießen die Gletscherseepiraten aber meilenweit an jedem Treffer vorbei. Es passt einfach kaum etwas zusammen. Der letzte Sargnagel ist dann der ausdruckslos monotone Grunzer. Da tanzt nichts. Außer vielleicht der Finger zur Stoptaste. Ich kann mir ja einiges geben. Das heißt aber nicht, dass ich alles gutheißen muss. Hier gehört der Jolly Roger abgenommen und ein lebenslanger Rumentzug angeordnet. Da gibt es keine Goldene Ananas, die Goldene Himbeere ist völlig ausreichend.
(5 Punkte – Mario Wolski)
https://www.facebook.com/Calarook.Metal/
FLARES – Spectra
2020 (Barhill/Cargo) – Stil: Post Rock / Pop
“Der Weltraum, unendliche Weiten …” – auf ihrem aktuellen Werk `Spectra´ befassen sich die fünf Saarbrücker von FLARES in sieben Kompositionen mit der Klassifizierung der Sterne nach dem Aussehen ihres Lichtspektrums, was in der Astronomie die sieben Spektralklassen oder auch Spektraltyp genannt wird. Und ganz gemäß dem Thema musiziert das Quintett äußerst experimentell, futuristisch und sehr progressiv und unterlegt seine Kompositionen mit einer hörbar “spacigen” Atmosphäre.
Im Großen und Ganzen gehen FLARES hierbei sehr ruhig zu Werke, um den Zuhörer gelegentlich mit schroffen Gitarrenwänden aus seiner verträumten Melancholie und der stoischen Monotonie – die streckenweise ihre Klangwelten begleiten – zu reißen und wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. Hierzu passt hervorragend der etwas im Hintergrund platzierte, oft gesprochen und geflüsterte Gesang und so fühlt man sich nicht selten an ein Instrumental-Album oder einen Soundtrack erinnert. Leider ist der schöne “Spuk” nach nicht einmal 30 Minuten schon wieder vorbei und die Realität und der Alltag hat einen wieder. Aber allemal gut genug, um sich verzaubern zu lassen und dem stressigen Hier und Jetzt zu entfliehen. Sehr geil!!
(8 Punkte – Armin Schäfer)
https://www.facebook.com/flaresmusic/
FORTUNE – The Gun’s Still Smoking – Live
2020 (Frontiers) – Stil: AOR, Melodic Rock
Mitten im Genuss dieses Livealbums kommt die Ansage, der nächste Song, ´Through The Fire´, stammt vom Soundtrack zu “Top Gun”. Gut, mein Film war das nie, aber da sollte ich doch die Band kennen. Oder etwa nicht? Also ab in den Recherchemodus.
Siehe da, FORTUNE sind alte Hasen. Immerhin existierten sie erstmals von 1978-1984, einzuordnen unter US-amerikanischem AOR und Melodic Rock der zweiten Reihe. “Frontiers” sei Dank wurden sie aus der Versenkung geholt, ein drittes Album (betitelt ´II´) erschien 2019. Und sind immer noch AOR der zweiten Reihe. (Entgegen dieser Annahme muss zumindest das gleichnamige FORTUNE-Werk aus 1985 als unumstößlicher Klassiker angesehen werden – Anm. v. MH.)
Dieses Livealbum hier kommt tatsächlich nicht schlecht. Es hat einen guten, nicht zu gebügelten Klang, die Songs gehen recht gut rein. Wie alt oder neu sie sind, egal, wer die rockigen FOREIGNER oder die 80er BON JOVI liebt, macht nicht viel verkehrt. Außer, dass es vieles gibt, das den Markt füllt. Ob nun FORTUNE sich da behaupten, sei dahingestellt. Ein Recht, nicht vergessen zu werden, haben sie sich sicher erspielt.
(Mario Wolski)
https://www.facebook.com/fortunerockers/
GAME ZERO – W.A.R. – We Are Right
2020 (Art Gate Records) – Stil: Melodic Modern Metal
Muskulöser, moderner Metal mit feinen Arrangements unter der rauen Schale, packenden Refrains und einem kernigen Sänger ist die Devise. Das sollte doch die DISTURBEDen FIVE FINGER DEATH PUNCHer oder die STONESOURen Freaks unter der Tischplatte vorlocken. Doch nicht gleich weglaufen, ihr Lieben. Man stelle sich vor, unser Peavy tut sich in einem Anfall von RAGE mit ein paar jungen Wilden zusammen, spendet griffige Melodien seiner Hausband, die jedoch keineswegs aus der „unter ferner liefen“-Ideentonne stammen und reichert diese hitreife Mischung noch durch allerhand zusätzliche, intelligent eingesetzte genreübergreifende Elementen an.
Just dieses Kabinettstückchen gelingt den Italienern GAME ZERO auf ihrem zweiten Longplayer, der mit dieser ungewöhnlichen Mischung ein fast perfektes Stück Musik mit Suchtfaktor darstellt. Die Verbindung von knackigem, modernen Sound und manchmal thrashendem, melodischem Metal mit Hitpotential, der jedoch alles andere als cheesy rüberkommt, spielt auf einem Niveau, das sämtliche Länder dieses Erdenballes im Sturm erobern könnte…falls man auf der einen Seite kein Gebrülle vermisst und die andere Front die Scheuklappen abnimmt.
Für mich eine absolute Überraschung – selten habe ich ein derartige Dichte an ausgefeilten, krachenden Knallern gehört, die mit jedem weiteren Durchgang wachsen.
Anspieltipps: ´You’ve Got To Move On´, ´The Stranger´, ´Full Of Nothing´.
(Less Lessmeister)
FRANCK L. GOLDWASSER – Sweet Little Black Spider
2020 (SlimByrd Records) – Stil: Blues Rock
Ein Album aus dem Wohnzimmer. Aus dem Wohnzimmerstudio von Christoffer ‘Kid’ Anderson. Eine Blues-Scheibe aus San José, Kalifornien. Alles von und für Franck L. Goldwasser vorbereit – und der spielt sich auf zwölf frischen Eigenkompositionen in einen Rausch. Unterstützt von Christoffer ‘Kid’ Anderson an Bass und Piano sowie June Core am Schlagzeug.
´Sweet Little Black Spider´ ist natürlich nicht das erste Werk von Franck L. Goldwasser. Es wird auch nicht sein letztes bleiben.
Auf der zweiten CD dieses Doppeldeckers erzählt er “Stories From The Trenches Of The Blues”, Geschichten von Sonny Rhodes, Charlie Musselwhite, Nick Gravenites, Tim Kaihatsu und Ike Turner, alles lässig mit etwas Blues unterlegt. Ein mehr als toller Bonus.
Denn ‘Kid’ Andersen sagt bereits korrekterweise zum richtigen Album, das er mit Franck gemeinsam produziert hat: »This shit is real! This record is so great! I love it!«
(Michael Haifl)
KASKADEUR – Uncanny Valley
2020 (Noisolution) – Stil: Postrock
Was machen, wenn das alte Konzept verbraucht ist und nicht mehr der Realität entspricht? Was machen, wenn die Uraufführung noch gar nicht so lange her ist? Ärgerlich, aber ehrlicherweise ist eine Umbenennung am sinnvollsten.
Nach nur einem Album haben sich die Potsdamer von STONEHENGE von den Fesseln der Vergangenheit gelöst, die aus Album, EPs und Tourneen bestand. Neuer Name, neues Label, neue Linie.
Stoner, Heavy und Psychedelic Rock lebt nun auch den Postrock und Mathrock, wird mit frischen progressiven Auswuchtungen sowie einem Hauch Pop-Appeal geschmückt.
KASKADEUR – wenn Retro zu Post wird.
(8 Punkte – Michael Haifl)
LATITUDES – Part Island
2019 (Debemur Morti Productions) – Stil: Atmospheric Metal
Schwelgen mit LATITUDES auf einer einsamen Insel, kann auch eine Halbinsel sein. Taucht ein in ein Wechselbad der Reflektionen und Eruptionen von elegischen Gitarren als auch Riffbergen, die für einen kinoartigen Panoramablick in Breitwandoptik sorgen. Es stört dabei auch niemanden, wenn es stürmischer wird und sich eine breite „Wall-Of-Sound“ mit tonnenschweren Gitarren aufbaut, denn der Traum geht gesanglich durch die gefühlvollen Melodien von Adam Symonds unvermindert besänftigend weiter, während sich ein um das andere Drumgewitter über den Gitarren entlädt.
Das ist Emotion pur. Ich beobachte das Naturschauspiel im trockenen Heim und genieße die epochale, emotionale Macht dieses Albums … unglaublich, wie sich diese wohlig ans Ohr schmiegenden Vocals in dem kraftvollen Soundgewand behaupten und danach in Akustikparts wunderschöner Trauer weiter brillieren. Große Kunst, Freunde. Zuweilen entfaltet sich sogar die Gefühlswelt eines Devon Graves und würde fast als ein düsteres Pendant für gaaaanz dunkle PSYCHOTIC WALTZer taugen. Wenn von ´The Great Past´ erzählt wird, mutmaßt man, dass diese epische Reise einst an Bord eines glorreichen Wikingerschiffes begann, welches auf dieser Halbinsel der monumentalen Träume strandete.
Ein Orkan von Musik … düster, heavy, bedrohlich und doch wieder beruhigend. Das vierte Album der Engländer ist ein Must-Have für Freunde dieser traumhaften Gegensätze in tiefster, aufwühlender, metallischer Emotion.
(Less Lessmeister)
www.facebook.com/Latitudesmusic
LOGOS – Sadako E Le Mille Gru Di Carta
2020 (Andromeda Relix) – Stil: Prog Rock
Nicht die Kennern bekannten Power Metaller aus Argentinien, die das griechische Wort für “Wort” als Name führen, das hier ist eine nicht ganz neue Prog Rock-Formation aus Bella Italia.
Mit ´Origami´ starten sie ihr viertes Album, ein Konzeptwerk über eine Überlebende von Hiroshima, die nach ihrer Krebsdiagnose in der Zeit, die sie in der Klinik verbrachte, 466 Kraniche faltete. LOGOS falten aber kein Papier, sie falten Töne. Das tun sie auf eine so feine Art, dass der Hörer, trotz des schweren Themas, eine sommerliche, erholsame Reise machen kann. Diese beginnt in den ´Paesaggi Di Insonnia´ und endet im abendfüllenden zwanzigminütigen Titelsong.
LOGOS bewegen sich stilsicher zwischen den zwei Polen des Prog Made in Italy. Der eine ist die immer vorhandene instrumentale Raffinesse, wie man sie etwa von BANCO DEL MUTUO SOCCORSO kennt. Als zweiter Pol findet sich ein konsequenter Pop-Appeal, die feine Melodik mit dem Gusto der Bäckerei PFM. Wenn dann noch der Sound eines Ennio Morricone durchschimmert, weiß der Kenner, so klingt der Sommer.
(8,5 Punkte – Mario Wolski)
https://www.facebook.com/logosprog/
LOST TO WOLVES – Lost To Wolves (EP)
2020 (Barhill/Cargo) – Stil: Alternative Rock
Das Leben schreibt manchmal schon seltsame Geschichten. Kennt Ihr die? Treffen sich ein paar Musiker aus unterschiedlichen Formationen auf der Hochzeit eines Bekannten, zocken gemeinsam ein Akustik-Set und beschließen daraufhin als Kapelle weiterhin gemeinsame Sache zu machen – und voilá, LOST TO WOLVES waren geboren. Anfang des Jahres veröffentlichte die Truppe ihre selbstbetitelte und in Eigenregie aufgenommene EP, bevor diese nun unter den Fittichen von “Barhill Records” einem breiteren Publikum schmackhaft gemacht werden soll.
Und mir persönlich mundet die lässige Mischung aus Alternative- und Indie-Rock, gepaart mit deftiger Stoner-Schlagseite und Grunge-Reminiszenzen ausgesprochen gut, was vor allen Dingen natürlich an den fünf tollen Titeln liegt. Technisch sauber und kompositorisch abwechslungsreich in Szene gesetzt, treten Rocker wie das fette `The Wolves´ oder der Rausschmeißer `Maya´ ordentlich in den Allerwertesten. Und der packende Gesang von Gitarrist und Vokalist Peter Lauer bildet das Sahnehäubchen auf ein durch und durch starkes Werk. Gekonnte Vorspeise für ein hoffentlich bald erscheinendes komplettes Album. Mehr davon!
(7,5 Punkte – Armin Schäfer)
NARCISSISTIC NECROSIS – The Art Of Deformity
2020 (Independent Release) – Stil: Death Metal/Grindcore
Bereits seit 2014 ging der Kanadier William Bigcrow (DETHGOD, Ex-INTERITUM) mit dem Projekt NARCISSISTIC NECROSIS schwanger, bis es Anfang dieses Jahres endlich zur Geburt des kleinen Satansbratens `The Art Of Deformity´ kam. Eine schwere Geburt, schließlich musste der alleinerziehende Vater alles in Eigenregie bewältigen. Angefangen vom Songwriting bis hin zum Einspielen und -“growlen” sämtlicher Stücke. Mittlerweile hat er aber drei interessierte und engagierte Mitstreiter gefunden und so ist aus dem Projekt NARCISSISTIC NECROSIS nun endlich auch eine richtige (Band)Familie geworden.
Zu hören gibt es technischen Death Metal ganz im Stile von CANNIBAL CORPSE oder MALEVOLENT CREATION. Und wie die beiden Bands aus Florida fährt auch das Quartett aus Calgary hierbei meist auf der Überholspur und weiß vor allen Dingen mit sauber platzierten Breaks und Tempowechseln zu glänzen. Besonders hervorzuheben wären die kompositorisch sehr spannend und abwechslungsreichen `Pessimistic Infuriation´ und `Stigmatized Into Desestation´, die ich auch allen Extrem Metal-Anhängern als Anspieltipps wärmstens ans Herz legen möchte. Mit `The Art Of Deformity´ ist den Kanadiern ein toller Einstand gelungen!
(7,5 Punkte – Armin Schäfer)
www.facebook.com/Narcissisticnecrosis/
CHRIS ROSANDER – King Of Hearts
2020 (AOR Heaven) – Stil: Classic Rock/AOR
Spieglein, Spieglein an der Wand – wer spielt das schönste TOTO im ganzen Land? Moin Softrocker, die Zukunft ist gerettet. Seine Liebe zu der Hitmaschine aus der Stadt der Engel kann ROSANDERs CHRIS definitiv nicht leugnen. Aber so unverkrampft können normalerweise nur die legendären Amis selbst klingen – hier stimmt einfach alles, die akzentuierten Keyboards, Percussions, die grandiose Gitarre und eben dieser urtypische, lässige Swing des locker-flockig-tighten Qualitätsdrummings, welches jedoch leider aus der Digidose kommt.
Trotzdem abartig, wenn man bedenkt, dass dieser 22-jährige Schwede dies alles außer dem Bass von P-O Sedin selbst zusammengeköchelt hat! Man vermisst nicht einmal einen Steve Lukather – und Chris‘ Gesang weckt bei mir ekstatische Erinnerungen an Max Bacon (GTR, NIGHTWING, BRONZ), der um ein Haar nach John Wetton den Bardenposten bei ASIA bekommen hätte, bevor John Payne den Zuschlag bekam. Und ja, Freunde – obacht geben: kann auch Spuren von ASIA enthalten! Da TOTO schon ´Pamela´, ´Rosanna´, ´Carmen´, ´Holyanna´ oder ´Angela´ besungen haben, kümmert sich Chris heutzutage kurzerhand mal für die Sammlung um ihre kleine Schwester ´Angelina´.
Hier bekommt ihr das beste Album, das TOTO mit Max Bacon nicht gemacht haben. Hammer!
Anspiel-Hits: ´She’s A Killer´, ´Don’t Look Back´, ´Could This Be Love´, ´Only For The Night´, ´Crossroads´
(Less Lessmeister)
www.facebook.com/chrisrosanderofficial
SVEDERNA – Härd
2020 (Carnal/Sound Pollution) – Stil: Black Metal
Eine Prügelorgie sondergleichen kommt aus den tiefsten Wäldern Schwedens in Form des dritten Albums von SVEDERNA. Die zehn Kompositionen von `Härd´ hauen nicht nur mächtig ins Gebälk, sondern sind durchweg mit einer starken Gitarrenarbeit, greifbaren Melodien und viel dunkler Atmosphäre bestückt. Und das auf einem starken Niveau, sodass sich SVEDERNA keinesfalls hinter den Genreführern zu verstecken brauchen. Black Metal in seiner reinsten und schönsten Form also.
Zur Abwechslung und als kleine Verschnaufpause zwischendurch brauchen SVEDERNA jedoch keine verwässerten Keyboard- und Symphonic-Spielereien. Vielmehr begeistern die Mannen nach sechs Tracks mit einem herrlich stimmigen Akustik-Instrumental namens `Sanndrömmar Om Evigt Lidande´, bevor sie mit den letzten drei Titeln zum erneuten Schlag in die Magengrube ausholen. Ein tolles Schlachtfest, abgerundet vom brutalen, streckenweise verzweifelt intonierten Gesang von Frontmann J. Holmberg. Geil!!!
(7,75 Punkte – Armin Schäfer)
www.facebook.com/svederna.garde
TELERGY – Black Swallow
2020 (Independent/Just For Kicks) – Stil: Prog Rock
Bereits zum vierten Mal macht Multi-Instrumentalist Robert McClung seine Anhänger als auch Musikerkollegen wuschig. Seit 2009 kreiert er in Eigenregie Prog Rock mit Konzept.
Unter seinem Projektnamen TELERGY hat er bereits mit seinem Debüt ´The Exodus´ aus der Bibel vertont. Diesmal kümmert er sich auf 70 Minuten um Eugene Jacques Bullard, den ersten afroamerikanischen, im Ersten Weltkrieg gestarteten Kampfpiloten.
Das wahnsinnig umfangreiche Konzept drückt sich überwiegend in instrumentalen Klängen aus. Womöglich wären diese bei einer echten Band etwas runder ausgefallen. Die Anzahl der Gastmusiker ist dagegen kaum noch zählbar, u. a. spielen mit Robert McClung die fantastischen Tony Levin, Steve Di Giorgio, Mike LePond, Pete Trewavas, Dave Meros, Vernon Reid, Gary Wehrkamp, Stephan Lill, Andy LaRocque und David Ragsdale.
Konzepthörer legen jetzt schon die Kopfhörer bereit.
(Michael Haifl)
https://www.facebook.com/telergymusic/
THE DEVIL’S TRADE – The Call Of The Iron Peak
2020 (Season of Mist) – Stil: Dark Folk
Das aus Ungarn stammende Projekt THE DEVIL’S TRADE besteht aus dem Sänger und Instrumentalisten Dávid Makó. Er bietet uns aus Gitarren und Banjo bestehende Soundlandschaften. Diese schweben oder plätschern, je nach Gusto des Hörers, mehr oder weniger belangreich in die Gehörgänge. Oder gleich ganz hindurch.
Darüber legt er einen seltsam zwischen monoton und hypnotisch changierenden Gesang, mit dem er Geschichten und Legenden erzählen will, Geschichten aus Ungarn und Transsilvanien. Dazu passen die Refrains, die sehr nach danubischer Folklore tönen.
Das ergibt die ein oder andere schöne Melodie, besonders im ungarisch vorgetragenen ´Három Árva´. So ist das ganz bestimmt nichts für den Massengeschmack. Eher ist das Musik für echte Kenner. Die dürfen denn auch gern den ein oder anderen Punkt aufschlagen.
(6,5 Punkte – Mario Wolski)
https://www.facebook.com/TheDevilsTrade
V/A – Gonna Shake This Shack – From The Vaults Of Decca And Coral Records Vol.1
2020 (Bear Family Productions) – Stil: Country
“Gonna Shake This Shack” ließ die “Bear Family” bereits öfters verlauten, aber in diesem Falle kommt noch ein “No huggee, no kissee” hinzu.
Die neueste Kompilation zeigt Schönheiten aus dem Fundus der Labels “Decca” und “Coral”. Und die Richtung bestimmt bereits der Titel “Gonna Shake This Shack”: Country Boogie bringt alle Gliedmaßen zum Wackeln.
Fast ausschließlich Songs aus den Fünfzigerjahren zeigen die Hillbilly- und Boogie-Wurzeln von Rockabilly und Rock ‘n’ Roll. Wir hören Originale und Coverversionen (´’Sixty Minute Man´, ´Hot Rod Rag´, ´Juke Joint Johnny´). Wir hören Stars wie Hank Penny, Hank Garland, Grady Martin und Jimmie Davis (´Cherokee Boogie´) oder Tabby West und Hardrock Gunter.
“Gonna Shake This Shack” – nicht erst für die Aufhellung der heimischen Wintertage zu gebrauchen.
(Michael Haifl)
ZATYR – Ornament of Proposition (EP)
2019/2020 (Dying Victims Productions) – Stil: Heavy Metal
Ähnlich wie Imperator Palpatine vor seinem Coming-Out schon zum jungen Skywalker sagte: „Wir werden deine Karriere mit großem Interesse verfolgen, junger ZATYR!“ Purer, reiner, unverfälschter Heavy Metal mit leichtem MERCYFUL FATE Feeling ohne jeglichen KING-Imitationsversuch und Black Metal-Roots, die ihren Ursprung eher in der alten Tradition der Insel finden als in den dunklen Blastbeatwäldern Skandinaviens. Dazu unspektakulärer, aber absolut passender Gesang, der mit infernalischem Gekeife hier und da dem Deibel seine Aufwartung macht.
Musikalisch haben die Schweden jedoch einiges mehr zu bieten, um sich von der gewaltigen Flut der jungen Wilden abzusetzen. Bisweilen klingen ZATYR wie der weitaus klassischer orientierte, böse Bruder der IDLE HANDS – ganz ohne „HOOAH!“. Seltsamerweise weicht die Soundqualität von ´I Hear Her Calling´ etwas vom sonst so ansprechenden Gesamtsound ab, aber da wird wohl Satanas seine scharfen Klauen über’s Mischpult gezogen haben – einerlei, das tut der allgemeinen Stimmung keinen Abbruch, denn hier wird wirklich mit ´Heart And Vision´ für Tradition gewerkelt, so dass man nach dem gleichnamigen, letzten Song automatisch erneut auf Play drückt. ACCEPT marschieren hier mit MERCYFUL FATE und TESTAMENT in Richtung kommenden Longplayers.
Abwechslung ist Trumpf und ZATYR sind vielleicht diejenigen, die das Gleichgewicht der Macht des Metal in Zukunft wiederherstellen können!
(Less Lessmeister)
Lebkuchen und ähnliches lasst Ihr bitte noch im Regal, wir haben noch viel Zeit bis zum Jahresende, wenn der Glühwein süffig siedet.
Rock on!
Michael und das gesamte Streetclip-Team
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