ALL THEM WITCHES – Nothing As The Ideal
~ 2020 (New West Records) – Stil: Hard Rock/Neo Psychedelic/Blues/Power Rock ~
Die Truppe aus Nashville hat mit ihren letzten beiden Alben, `ATW` sowie `Sleeping Through The War`, mächtig Eindruck hinterlassen. Mit einer enormen Eigenständigkeit und wirklich ausgefallenen Songstrukturen sowie dem Vermischen unterschiedlicher Stile, hat man sich eine eigene Nische geschaffen und punktete zudem mit einem hohen Prozentsatz Individualität. Auch durch die hoch emotionale Stimme von Charles Michael Parks, Jr., der zudem der Multi-Instrumentalist des Trios ist, sind ALL THEM WITCHES eigentlich unverwechselbar.
Ich muss jedoch vorgreifen. `Nothing As The Ideal` kann nicht wirklich mit den beiden Vorgängern mithalten, leider. Auch stellt man kein erneutes Weiterentwickeln fest. Was so gesehen nicht wirklich nachteilig ist, hat man doch mit den beiden erwähnten Alben ein hohes Maß an musikalischer Vielfalt bewiesen. Aber irgendwie wirken die acht neuen Stücke weniger befreit, eher hat man das Gefühl, das Trio will schlicht die Erwartungen erfüllen und geht daher weiteren Experimenten aus dem Weg.
Der Opener `Satumine & Iron Jaw` entpuppt sich als zäher Bastard, der einen erst spät mit energischen Riffs aufrüttelt. Aber richtig zünden will das Ding nicht. Dafür geht das folgende Stück `Enemy Of My Enemy` voll durch die Decke. Ultracooler Gesang trifft auf treibende Rhythmik, dazu leicht Tribalartiger-Drumpart – so und genau so müssen ATW klingen. Retro trifft Moderne.
Nach dieser Bombe wird man schockierend belanglos, mit einem lahmarschigen, atmosphärischen Instrumental namens `Everest` ausgebremst. `See You Next Fall` ist da der passende Anschluss-Song. Auch nicht wirklich hart, in typischerweise eher ATW-experimentell. Allerdings mit sehr guter Gitarreneinlage. `The Children Of Coyote Woman` ist wiederum eine balladeske Nummer mit Lagerfeuerfeeling. Eine coole Nummer mit sehr intensiver Atmosphäre. Ein Track, der deutlich zeigt, wie unterschiedlich ATW aufgestellt sind und dabei mit einigen typischen Trademarks sofort klarstellt, wer hier zu hören ist.
Mit `41` geht es erst einmal ruhig weiter und erst eineinhalb Minuten später zieht man das Tempo in einem eleganten Übergang an. Aber letztendlich wieder ein eher ruhiger, progressiver Track im Gesamtkontext mit kurzen heftigen Ausbrüchen. Auch keine langweilige Nummer – im Gegenteil. Aber nach sechs Songs ist es schon erstaunlich, dass man eher die ruhigere Schiene fährt. Viel Neo-Psychedelischer Songaufbau mit wohlüberlegtem Einbau typischer ATW-Riffs.
`Lights Out` reißt das Ruder dann endlich wieder herum. Man lässt harten Riffs, wuchtigen Rhythmen und einer fiesen Gitarre freien Lauf. Dass das Album dann mit einem ruhigen, emotional großen Stück endet, überrascht dann ehrlich gesagt nicht. Die Stimmungsschwankungen auf diesem Album sind enorm. Auch wenn die meisten Tracks weniger hart sind, kommen hier und da verschachtelte Songpassagen zum Tragen. Die Strukturen der Tracks sind eigenwillig, intensiv und wirken fast schon wie ein Soundtrack.
Auch wenn man mit diesem Album, wie schon erwähnt, lang nicht an die Vorgänger herankommt, bleibt es ein spannendes Album mit vielen Alleinstellungsmerkmalen, das sich vom Rest der Szene abkoppelt.
ALL THEM WITCHES-Fans werden es mögen, Neuinteressierte sollten zum Einstieg auf einen der beiden Vorgänger zurückgreifen, wo sich der ganz breite Musikhorizont der Amis deutlich spannender präsentiert.
(7,5 Punkte)