MOTORPSYCHO – The All Is One
~ 2020 (Stickman Records/Soulfood Distribution) – Stil: Rock ~
MOTORPSYCHO schließen ihre “Gullvåg Trilogy” ab. Nach ´The Tower´ und ´The Crucible´ bildet ´The All Is One´ das letzte Glied einer zackigen Kette.
Die Scheibe erscheint mit einem erneut erlesenen Artwork von Håkon Gullvåg als Doppel-LP und Doppel-CD. Eingespielt haben die letztlich produzierten 84 Minuten die bekannten Herren Bent Sæther (Gesang, Bass, Gitarre, Keyboards), Hans Magnus “Snah” Ryan (Gitarre, Gesang, Keyboards) und Tomas Järmyr (Dums). Als Gäste waren in der ersten Session im September 2019 in Frankreich Reine Fiske (Gitarre, Keyboards, KATATONIA) sowie in der zweiten im November 2019 in Norwegen Ola Kvernberg (Violine, STEAMDOME) und Lars Horntveth (Gitarre, JAGA JAZZIST) zugegen.
Mittelpunkt des Werkes ist das 42-minütige Epos ´N.O.X.´ aus der zweiten Session, das bei der Vinyl-Variante die Seiten 2 und 3 abdeckt. Doch vorab stimmen die Herrschaften ihre Anhänger mit kürzeren Oden ein. Der knapp neunminütige Opener ´The All Is One´ lässt die Sonne kraftvoll und filigran innerhalb der alten Tage von LED ZEPPELIN und YES strahlen. Aufgrund dieser Konsistenz beantwortet sich die Grundsatzfrage, weshalb MOTORPSYCHO von Rock-Anhängern jeglicher Couleur geliebt werden, von selbst. Dagegen zeigt ´The Same Old Rock (One Must Imagine Sisyphus Happy)´ den Kontrast zwischen federleichtem Seventies-Prog Rock und mächtig bebendem Heavy Rock. ´The Magpie´ geht dermaßen fiebernd in das Blut von Arm und Bein, dass kein Körperteil reglos bleiben kann. Auch ohne Halluzinogene geht die Sonne inmitten der Nacht auf. Im Schwebezustand der absoluten Stille erklingt ebenso passend dazu ´Delusion (The Reign Of Humbug)´.
Fünf Teile führen sodann den Hörer in die Welt von ´N.O.X.´. Der erste Teil ´Circles Around The Sun Pt 1´ wird zwar von Glöckchen und knarzenden Violin-Klängen liebreizend angeführt, allerdings hält die Dunkelheit des skandinavischen Prog Rock umgehend Einzug. Der Gesang ertönt von Wolke 7 herab, die Formation bebt wie ein Orchester und spielt sich bis zum Ende der neun Minuten in die erste, schrille Ekstase. Ein stringentes Tempo wählt ´Ouroboros´ ohne Unterlass, um den exaltiert solierenden Gitarren nicht die Show zu stehlen, ehe es im hektisch südamerikanischen Groove nach acht Minuten endet. Zum chilligen Verweilen fordert ´Ascension (Strange Loop)´ auf, allerdings wecken die Saitenklänge alsbald jede Katzenkolonie auf. Im Postrock und Jam-Kanon werden in ´Night Of Pan´ fortwährend dieselben, kurzen Tonfolgen angeschlagen. Allein der Wind mag den Gesang zwischenzeitlich dazwischen schieben und sinfonische Klänge zulassen, die umgehend vom Schlagzeug über die restliche Distanz hin zur nächsten Ekstase blubbernd, wehend und sägend hinweggefegt werden. 15 Minuten dauert dieses Delirium. Der letzte Abschnitt von ´N.O.X.´ ist ein einziger Furor – Canterbury in anhaltender Rasanz, Prog Rock kurz vor der Explosion. ´Circles Around The Sun Pt 2´ führt schlichtweg zu einer weiteren, wahnwitzigen Ekstase.
Nachfolgend schenkt ´A Little Light´ mit Akustikgitarre in aller Kürze eine Atempause. ´Dreams Of Fancy´ zeigt frohlockenden Mittsiebzigerjahre-Prog Rock, der auch in RUSH-Nähe wandert und sich abschließend nochmals innerhalb seiner neun Minuten in ausufernden Soli ergießt. ´The Dowser´ ist hingegen glockenklarer Singer-Songwriter-Stoff, nicht unbedingt in Skandinavien zu verorten. Zum Finale holt ´Like Chrome´ nochmals garstige Gitarrenklänge als auch “Kashmir”-Streicher hervor.
´The All Is One´ ist ein ungeheuer irres Werk, das der “Gullvåg Trilogy” die Krone aufsetzt.
(9 Punkte)
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(VÖ: 28.08.2020)