POLYMOON – Caterpillars Of Creation
~ 2020 (Svart Records) – Stil: Heavy Prog/Psychedelic/Space Rock ~
Ich schwebe, ich gleite, ich fließe…bezirzend säuselnde Frauenstimmen treten aus dem Hintergrund hervor und begleiten mich zu den Toren von Morpheus Heimstätte. Räumliche Klangwelten tun sich auf. Beschwörende Stimmen dringen in mich ein. Wellen wohliger Gefühle umströmen mich.
Betäubende Nebelschwaden ziehen herauf… ziehen mich runter…tragen mich hinauf! Hinauf in den sternenklaren Himmel, der Unendlichkeit entgegen.
Ein Strom harmonischer Klänge reißt mich aus meinen Träumen. Und dann ist es vorbei.
Vorbei? Nein! Betörende Gitarrenklänge umschmeicheln meine Sinne und weiter geht die Reise. Durch phantastische knallbunte Landschaften. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus und bekomme meinen Mund nicht mehr zu.
Nein, ich habe nichts geraucht…und zu viel an alkoholischen Getränken hatte ich auch nicht. Aber diese Scheibe ist die perfekte Ersatzdroge, falls man einfach mal loslassen und seinen Geist frei und ungezügelt auf Wanderschaft ziehen lassen möchte! Das Licht dimmen, die Anlage aufdrehen und die Welt um einen herum existiert nicht mehr. Keine Viren, keine Unruhen, kein Hass, keine Gewalt, keine Hektik…da ist einfach nichts mehr. Nur noch Ruhe und Frieden.
Aber damit man in der heißen Wanne nicht einschläft und ertrinkt, wird es zwischendurch auch schon mal dynamischer, wofür ganz besonders die perfekt aufeinander abgestimmten Gitarren sorgen. Beispiele hierfür finden sich in nahezu jedem Song und ich möchte hier exemplarisch nur den Beginn von ´Helicaling´ und das Grande Finale des letzten Stückes ´Metempsychosis´ anführen, nach welchem man mit einem tiefen Seufzer und äußerst widerstrebend aus den Tiefen des Meeres langsam dem grellen Licht der Oberfläche entgegen gleitet. Und dann hat einen die Realität wieder fest im Griff. Schade. Aber: “Lebbe geht weider!”
Wer wie ich ebenfalls über eine Vergangenheit verfügt, bei der auch die Klänge von TANGERINE DREAM eine Rolle spielen (bei mir waren es die Alben ´Alpha Centauri´, ´Zeit´ und ´Atem´), der fühlt sich bei POLYMOON sogleich in die siebziger Jahre versetzt. In eine Welt also, die von den Anschlägen der RAF und dem kalten Krieg geprägt war, wo wir Jugendlichen aber in einer eigenen Welt lebten, in der uns das alles zwar umgab, aber nicht betraf. Die Musik von TANGERINE DREAM, PINK FLOYD und Co. erlaubte die tägliche Flucht in eine bunte Traumwelt, weit weg von den Bildern, die täglich über den Schwarzweißbildschirm flackerten.
POLYMOON sind jedoch komplexer, dynamischer, organischer als es TANGERINE DREAM waren. Ihre Musik besteht nicht aus ausschweifenden elektronischen Klängen, sondern wird durch melodische Keyboardpassagen, wummernde Bassriffs, einem effektvoll eingesetzten Schlagzeugspiel und vor allem durch ein harmonierendes Gitarrenduo geprägt. Natürlich kommt dieses Duo zumeist mit allerlei Effekten verziert zum Einsatz, worauf ja bereits der Bandname hindeutet. Es ist nämlich zu vermuten, dass dieser sich nicht auf viele oder vielfältige Monde bezieht, sondern wohl eher vom gleichnamigen Effekt-Delay-Pedal herrührt. Aber trotz aller Effekte stehen die Melodien zu jedem Zeitpunkt ganz klar im Vordergrund. Nicht im Vordergrund steht jedoch der Gesang. Zwar handelt es sich bei ´Caterpillars Of Creation´ um kein Instrumental-Album, viel fehlt aber dazu nicht, denn die Stimme von Kalle-Erik wird nur punktuell eingesetzt und dann zumeist auch mit viel Hall versehen. Der Text scheint nebensächlich. Vielmehr wird die Sprachmelodie als zusätzlich agierendes Instrument eingesetzt, welches ein weiches und warmes Fundament für die eigentlichen Instrumente schafft. Alle soeben beschriebenen Eigenschaften der Musik von POLYMOON finden sich exemplarisch in der ersten Singleauskopplung ´Malamalama´ wieder, die unten verlinkt ist. ´Malamalama´ ist hawaiianisch und bedeutet (geistiges) Licht, was häufig auch mit “Licht des Wissens” oder “Licht der Weisheit” übersetzt wird.
Das Debüt der Finnen aus Tampere, die bisher auch sonst in keinerlei Weise in Erscheinung getreten sind, ist ein hochinteressantes Werk geworden und es bleibt abzuwarten, welche Richtung sie zukünftig einschlagen werden. Aber zumindest eine illustre Persönlichkeit haben sie sich mit Jun-His (eigentlich Juho Vanhanen), dem Sänger von ORANSSI PAZUZU, für ihren Erstling an Bord holen können, der ´Caterpillars Of Creation´ co-produziert hat.
(8 Punkte)
´Caterpillars of Creation´ erscheint am 4. September 2020 über das in Turku (Finnland) beheimatete Label “Svart Records” und zwar sowohl in einer auf 200 Stück limitierten Version in türkisem Vinyl, als auch in normalem schwarzem Vinyl und natürlich auch auf CD.
https://www.facebook.com/polymooooon/
https://www.instagram.com/polymooooon/
https://soundcloud.com/polymooooon
POLYMOON sind:
Tuomas Heikura – Schlagzeug
Jesse Jaksola – Gitarre
Otto Kontio – Gitarrer
Kalle-Erik Kosonen – Synthesizer und Gesang
Juuso Valli – Bass