VICIOUS RUMORS – Celebration Decay
~ 2020 (Steamhammer / SPV) – Stil: Power Metal ~
Wir hätten mit der neuen Scheibe von VICIOUS RUMORS ein Blinddate-Experiment durchführen können. Im Endergebnis hätte weder ich noch ein anderer jemals die Verfasser und Musiker dieser Songs erkannt. Die Kompositionen von ´Celebration Decay´ klingen weder old-school-as-fuck noch schrullig-up-to-date. Selbst wenn Mastermind/Gitarrist Geoff Thorpe von seiner neuen Truppe um sich herum restlos begeistert ist – Sänger Nick Courtney, Bassist Robin Utbult und der 21-jährige Gitarrist Gunnar Dügrey – und sich diese durch die beinahe nicht enden wollende Jubiläums-Tour zum 1988er Album ´Digital Dictator´ vor den Aufnahmen überzeugend einspielen sowie gleichzeitig den alten Spirit atmen konnten, kreuzigt mich, aber ich sehe keine Gemeinsamkeiten zu meinen geliebten VICIOUS RUMORS, die mich seit den Achtzigerjahren bis zum letzten Album ´Word Of Mouth´ anno 1994 mit Carl Albert am Mikrofon begeisterten.
Der Opener ´Celebration Decay´ startet mit Sirenengeheul, doch die souveräne Heulboje á la Rob Halford gibt Sänger Nick Courtney nicht allezeit ab. Dennoch zeigen VICIOUS RUMORS gerade in diesen Tagen allzu viele Gemeinsamkeiten, gerade gesanglich, mit JUDAS PRIEST und werden somit zu einer von eben solchen Formationen. Besondere Alleinstellungsmerkmale sind nicht mehr gegeben. Zum zeitweise auftretenden Riffgeschrubbe á la Endneunziger in ´Pulse Of The Dead´ wird passenderweise gegrölt. Während ´Arrival Of Desolation´ seine Flucht nach vorne im Galopp sucht, umweht allein ´Any Last Words´ ein Hauch alter Tage. Teilweise mit heiserer Stimme wird ´Darkness Divine´ vorgetragen und gönnt sich einen thrashigen Abschnitt. Ein ´Death Eternal´ klingt zur Hälfte waschecht nach JUDAS PRIEST, wohingegen ´Cold Blooded´ auch aus den Federn der Krauts von RAGE stammen könnte. Der Beginn von ´Collision Course Disaster´ wird zumindest schön im Shredding-Style begonnen, ehe ´Masquerade Of Good Intentions´ einem weiteren Werk nach 41 Jahren Bandgeschichte einen schnellen Abgang verschafft.
Ganz gleich, ob Blinddate oder nicht, Lieder müssen begeistern. Letztlich bestimmen kraftvoll vorgetragene elf Kompositionen das in der Erinnerung verbleibende Bild von ´Celebration Decay´, die sich weder irgendwo festhaken noch zum Aufspringen und Ausrasten animieren. That´s it.
(6 Punkte)
Michael Haifl
VICIOUS RUMORS können in ihrer bislang über 40-jährigen Amtszeit auf fast alle Begleiterscheinungen, die eine musikalische Karriere so mit sich bringt, zurückblicken. Höhenflüge, Misserfolge, Schicksalsschläge sowie stetige Line-Up-Wechsel, und doch sind die unverwüstlichen US-Metaller rund um Mainman und Sechssaitenakrobat Geoff Thorpe immer noch am Start. Nach fünf großartigen Alben von 1985 bis 1994, einem darauf folgenden eher dunklen Kapitel bis Anfang dieses Jahrtausends – wo sich die Band im Zuge von erfolgreichen Gruppen wie PANTERA eher moderneren Sounds anbiederte – haben sich die Amis glücklicherweise wieder gefangen und seither erneut grundsolide Power Metal-Hausmannskost serviert.
Und wieder einmal präsentieren sich die Kalifornier in einem runderneuerten Line-Up und so ist das 13. VICIOUS RUMORS-Werk `Celebration Decay´ auch das Albumdebüt von Sänger Nick Courtney und Bassist Robin Utbult, die jetzt seit gut zwei Jahren Mitglieder in der RUMORS-Familie sind und live bereits ihren Einstand feiern konnten. Los geht es mit einem echten Wutausbruch in Form des Titeltracks, der nicht nur der aggressivste und härteste Track des Albums ist, sondern auch einer der Brutalsten in der bisherigen Bandgeschichte. Und dennoch lässt der Titel die typischen VICIOUS RUMORS-Trademarks wie tolle Gitarrenharmonien nicht vermissen. Lediglich der Gesang von Frontmann Nick Courtney erscheint zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. Doch das ändert sich im Verlaufe des Albums vor allen Dingen dann, wenn der stimmgewaltige Mann hinterm Mikrofon zu normalerem Gesang oder den hohen “Screams” ansetzt, wobei er eine tolle Figur abgibt.
Das Prunkstück von `Celebration Decay´ und VICIOUS RUMORS im Allgemeinen ist natürlich wieder die grandiose Gitarrenarbeit. Mit dem zweiten Sechssaiter Gunnar Dügrey im Bunde liefert sich Meister Thorpe herrliche Gitarrenduelle, die fast schon Gedanken an das geniale Konglomerat Thorpe/McGee aufblitzen lassen. Dies hört man im Besonderen beim Triple `Arrival Of Desolation´ (der beste Song des Albums und könnte beispielsweise auch locker auf `Welcome To The Ball´ bestehen), `Any Last Words´ und `Asylum Of Blood´ besonders gut heraus. Tja, und wie das Leben beziehungsweise das Wetter so spielt, folgt auf ein Hoch meist auch ein Tief. Mit dem anschließenden Song-Trio kommt eine echte Durststrecke mit beinahe schon erschreckend schwachen Kompositionen. Die Titel wirken irgendwie leblos und null spannend. Sehr enttäuschend. Erfreulicherweise kriegen VICIOUS RUMORS zum Ende hin noch einmal gekonnt die Kurve und verabschieden sich mit zwei echten Speedgranaten.
Kompositorisch haben sich mit `Pulse Of The Dead´, `Darkness Divine´, `Long Way Home´ und `Cold Blooded´ zwar ein paar 08/15-Stücke und belanglose Lückenfüller mit eingeschlichen, die Mann/Frau nicht unbedingt braucht, doch auch bei diesen überzeugt die musikalische Umsetzung und vor allen Dingen die famose Gitarrenarbeit. Mit dem Gros – sprich, den restlichen sieben Nummern – ist dem Quintett aber beste US-Power Metal-Ware gelungen, die dem guten Bandnamen allemal zur Ehre gereicht. Macht nach Adam Riese also ein zu zweidritteln sehr gutes Album und so hoffe und warte, sicherlich nicht nur ich, weiterhin sehnsüchtig auf ein endlich mal wieder DURCHWEG starkes VICIOUS RUMORS-Werk im Stile von `Digital Dictator´, `Vicious Rumors´ oder `Welcome To The Ball´.
(7,75 Punkte)
Armin Schäfer
Facebook: https://www.facebook.com/ViciousRumorsThisIsMetal/
Website: http://www.viciousrumors.com
(VÖ: 21.08.2020)