ARS PRO VITA – Peace
~ 2020 (Independent) – Stil: Symphonic Prog Rock ~
Südamerika scheint mir immer mehr ein gutes Pflaster für Musik zu sein, die sich ein Nichts um Mainstream und Massengeschmack schert. So kommen etwa aus Porto Alegre in Brasilien ARS PRO VITA über den Teich. ´Peace´ heißt deren zweites Album. Abendfüllend ist es im wahrsten Sinne, schließlich enthält die Doppel-CD mal eben 150 Minuten Musik.
Das Duo ARS PRO VITA sind die Brüder Luis Fernando und Paulo José Venegas. Ganz Prog-typisch haben sie sich natürlich mit verschiedenen Musikern verstärkt. Der bekannteste Name dürfte wohl Jon Camp (Ex-RENAISSANCE, am Bass bei ´War Is Peace´ und ´Hero´) sein.
Albumtitel und das schlichte Cover, der Boden einer Patrone, weisen darauf hin, dieses Magnum Opus befasst sich mit der Entwicklung der Kriege seit den 1870er Jahren bis heute. Dem Inhalt entsprechend ist immer ein gefährlicher, bedrohlicher, beängstigender Unterton vorhanden. Sprachsamples, Erzählpassagen, Geräusche, jede Szene wird ausführlich beschrieben. Allein, die Fülle an textlichem und musikalischem Material verbietet, hier zu sehr ins Detail zu gehen. Zudem denke ich, jeder sollte für sich selbst dieses Werk entdecken.
Trotzdem, hier ein paar Highlights. Etwa ´On Bibles And Cannons´, das vom Völkermord an den nordamerikanischen Ureinwohnern erzählt, anhand der Schacht am Wounded Knee 1890. Ein chinesischer Sprechtext dagegen erzählt in ´A Handful Of Hope´ von den Schrecken der japanischen Besatzung Nanjings 1936/37.
Aber ARS PRO VITA gehen weiter, der Holocaust wird anhand eines Bordells im Vernichtungslager Auschwitz thematisiert. Was in ´Block 24, First Floor´ geschehen sein muss, man kann es sich nicht vorstellen. So steht die Zeile “Liebe hat mich verlassen” exemplarisch für die Schrecken des Dritten Reichs.
Trotz allem auch reichlich vorhandenem Schönklang, sind ARS PRO VITA weit entfernt von jeglichem Wohlfühlprog der Marke SPOCK’S BEARD. ´Peace´ erschüttert, schmerzt, macht betroffen, etwa wenn ´Drone´ vom Alltag eines Drohnenpiloten erzählt, für den sich die moderne Kriegsführung kaum von einem Spiel mit Controller und Joystick unterscheidet.
Am ehesten kann man das wohl mit VAN DER GRAAF GENERATOR vergleichen, oder den Italienern AREA. An anderer Stelle fallen dann PINK FLOYD ein oder auch GENTLE GIANT. Dazu ein wenig frühe GENESIS, gesanglich hört man oft eine gewisse Nähe zum jungen Peter Gabriel, und moderne E-Musik.
An einigen wenigen Stellen kommen ARS PRO VITA zu spät auf den Punkt, dort schleichen sich ein paar Längen ein. Das sind die Stellen, wo sich der Hörer vielleicht ablenken lässt, was er aber nicht tun sollte. Aber insgesamt ist dieses Album eine angemessenere Beschäftigung mit dem Thema Krieg als ich das bei SABATON empfinde. Gerade weil hier der Schrecken im Mittelpunkt steht und nicht irgendwelches Heldentum. Panzer sehe ich eben immer auf dem Platz des Himmlischen Friedens, und nicht auf der Bühne.
Der Schlusstrack in dieser Form ist nicht nur Schlussgag, sondern lässt den Hörer nachdenklich zurück.
(8 Punkte)