AL NAVARRO – It’s Your Fault
~ 2020 (Independent) – Stil: Progressive Hard Rock/Metal ~
Nein, mein lieber Al, es ist nicht meine Schuld, dass ich für dieses wirklich starke Album weder passende Vergleiche noch eindeutige Genres finden kann. Da jedoch als Einflüsse für das erste Solo-Album des 43-jährigen Spaniers MEGADETH, MUSE und PINK FLOYD genannt werden, die auf den ersten Blick ebenso weit hergeholt erscheinen, ziehe ich die Kappe mit drei Glöckchen auf und nehme mir einfach absolute Narrenfreiheit.
Also probieren wir’s unkonventionell mit einer Band, die absolut nichts mit AL NAVARRO zu tun haben scheint, aber jahrelang auch eben gar nichts mit ihrer eigenen Vergangenheit. Hätten QUEENSRYCHE in den orientierungslosen Zeiten wirklich zündende Ideen gehabt, starke Songs geschrieben und unter anderem Banner eine konstante Linie verfolgt, hätten sie möglicherweise die Tiefe und Brillanz dieser wunderschönen Songs mit ihrer Dramatik und spielerischen Klasse erreichen können. Weder simplem Hardrock noch klischeehaftem Metal ordnen sich diese hervorragend, mit leichter Rob Rock-Röhre in den höheren Bereichen intonierten Stücke, die in ihrer Art so eigenständig sind, dass man hier vielleicht wirklich von “progressivem” Hard & Heavy sprechen kann.
Da die Titellänge sich in sechs von acht Fällen über sechs und sieben Minuten bewegt, ist es schier unmöglich, jeden Song in all seiner stilistischen Pracht auseinanderzunehmen, daher nur paar kurze Anhaltspunkte: Schon der Opener ´Against The World´ verbindet großes Drama mit feiner Heavyness, ´The Way You Are´ kommt zunächst eingängig, flott und leichtfüssig daher, überrascht jedoch mit einem Mittel-und Schlusspart wie aus einem Konzeptalbum. In ´A Real Life´ finden sich Anklänge von Gruppen wie CONCEPTION oder VANDEN PLAS in einem weniger metal-lastigen Gewand…oder auch wieder nicht.
Bei der stimmungsvollen Ballade ´Break Me Now´ und ihren bluesigen Gitarrenklängen mit Klavier und Sängerin Jenny G. wird trotz aller Klasse nicht jeder aus dem Häuschen sein, doch ´Wake Up´ ist definitiv wieder ein Weckruf für die melodische Gefolgschaft, die sich im US-Metal wohlfühlt. Danach bietet ´A Lie Died´ dermaßen viele genreübergreifende Ideen, dass man spätestens beim Mittelpart nur noch eine zufriedene Leere im Schädel verspürt, die man sich jedoch willenlos mit dem sich stetig steigernden Instrumentalpart füllen lässt. Und immer wieder diese variable Röhre von Héctor Llauradó (TIMELESS), der von einfühlsamen Parts bis zu den geilsten Screams alles im Griff hat. Als mystischer Schleicher beginnt ´Grave Of Faith´, nimmt dann ordentlich Fahrt auf und endet als epischer US-Metaltrack. Beim Titelstück darf Scott Foster Harris (L.A. GUNS) am Mikro ran und gibt vom Classic Rocker über den Sleazer bis zu OZZY alles, was der Hardrockhymne zuträglich ist.
Dieses Album ruft sehr unterschiedliche Emotionen und Höreindrücke hervor, hat oft was von melodischem Powermetal, ohne es wirklich zu sein, während Al’s Gusto von Rock über Thrash bis zu Pop, Indie und Klassik reicht. Sämtliche Titel bestechen neben der songschreiberischen Klasse durch die famosen Instrumentalparts, die jedoch niemals langweilen oder in Stress ausarten. Ich freue mich jetzt schon auf seine Metal-Oper, an der er momentan mit Héctor und verschiedenen Sängern arbeitet. Das könnte in Anbetracht der Qualität dieser Veröffentlichung the next Big Thing 2021 werden. Wirklich eine Schande, dass dieses Werk hier erstmal nur digital erhältlich ist.
Es hilft euch alles nichts, da müsst ihr einfach ran. Belohnt werdet ihr mit einem überragenden, so ganz anderen Album, welches sich dermaßen zwischen hochklassigen Stühlen bewegt, dass ihm gerade deshalb eine weitreichende Fanschar folgen sollte.