RUNEMASTER – Wanderer
~ 2020 (Rafchild Records) – Stil: Epic Heavy Metal ~
Es gibt keinen Zweifel darüber, worum es bei der Musik von RUNEMASTER geht. Sollte man beim Bandnamen noch etwas unsicher sein, so liefert dessen logotypische Darstellung einen entscheidenden Hinweis, denn die Buchstaben aus denen sich der Bandname zusammensetzt, stammen aus den germanisch-nordischen Runenreihen. Allerdings nicht vollumfänglich, sondern nur im Falle einer Ähnlichkeit mit ihrem phonetischen Pendant aus dem lateinischen Alphabet, was auch gut ist. Denn hätte man sie einer der beiden Futhark, der Futhork oder irgendeiner anderen Runenreihe entnommen, wäre der Bandname für Nicht-Runologen genauso unleserlich, wie der manch einer Black Metal-Band für alle Normalsterblichen. Allerdings handelt es sich beim Symbol welches im Bandnamen das M darstellt und von der Band als Logo verwendet wird, um eine echte Rune und steht unter anderem für „Mensch“. Bezeichnet wird sie als ´Mannaz´, was auch gleichzeitig ein Titel auf ´Wanderer´ ist.
Spätestens beim Lesen der Texte wird dann aber zweifelsfrei deutlich, dass sich RUNEMASTER vollständig von der nordischen Mythologie inspirieren lassen und ihren Namen nicht von ungefähr tragen. Das geht soweit, dass nicht nur zwei Songs, nämlich das bereits oben erwähnte ´Mannaz´ sowie ´Hagalaz´, den Namen von Runen tragen, sondern diese auch mit ihrer jeweiligen magisch-religiösen Bedeutung in den Songs Verwendung finden. Ein besonderes Beispiel hierfür bildet ´Inscription In Metal´, in welchem insbesondere darauf aufmerksam gemacht wird, dass Runen aufgrund dieser Bedeutung auch gerne und häufig auf Gegenstände geritzt worden sind und eher weniger bei der Informationsweitergabe Verwendung fanden.
Thurisaz gleaming in metal,
Tiwaz, Isa in bone,
Othala guard of the temple,
On the shield, Uruz enthrone.
Bei dieser Fixierung der Band auf germanische (nordische) Runen verwundert es schon fast, dass die lediglich unter den Vornamen Keith, Aidan, Guv und Ed (seit 2017) agierenden Musiker sich nicht gleich die Namen alter schwedischer Runenmeister wie Hjälle, Hjälm, Huarpr, Osbjörn oder Tryggve als Pseudonyme zugelegt haben.
Verlassen wir aber an dieser Stelle die Runologie und wenden uns nun der Band zu.
Die Herkunft der Musiker und ihre Identität ist weitestgehend genauso ein Mysterium, wie die der nordischen Helden, denn auch diese haben praktisch keinerlei schriftliche Zeugnisse überliefert (…und kommt mir nicht mit der Edda, denn die ist mehrere Jahrhunderte nach dem Niedergang der Wikinger im bereits christianisierten Island entstanden.)
Angeblich wurden RUNEMASTER bereits 2007 in Edinburgh gegründet (vor Ed zupfte Bob den Bass), haben aber erst ab dem Jahr 2015 Lebenszeichen von sich gegeben, als sie auf digitalem Wege und in Eigenregie drei Stücke auf einer EP namens ´Futhark Dawning´ veröffentlichten. Auf der nachfolgenden EP mit dem Titel ´Wisdom & Darkness´, auf der erstmalig der aktuelle Schriftzug für den Bandnamen genutzt und die ebenfalls nur digital und in Eigenregie veröffentlicht wurde, waren weitere sechs Titel enthalten. Alle bis dahin herausgebrachten neuen Titel wurden 2016 vom griechischen Label „Alone Records“ auf einer CD wiederveröffentlicht. Im Jahr 2017 folgte dann die 3-Track EP ´By Thorn & Thunder´, die bislang lediglich auf digitalem Wege erhältlich ist. Es ist der Band hoch anzurechnen, dass sie es sich nicht einfach gemacht hat, denn keiner dieser Titel findet sich auf ihrem Debüt ´Wanderer´ wieder. Dass dieses nun tatsächlich als vollwertiges und physisch erlebbares Album auf CD und LP veröffentlicht werden wird, ist wohl vor allem dem deutschen Raphael Päbst zu verdanken, der das Potential von RUNEMASTER erkannt und die Band unter die Fittiche seines in Marburg ansässigen Labels „Rafchild Records“ genommen hat, wo unter anderem auch schon die italienischen Epic-Metaller WOTAN und die Finnischen Doomer CARDINALS FOLLY untergekommen sind.
Epischer Heavy Metal ist ja spätestens seit dem fulminanten Siegeszug von VISIGOTH wieder en vogue und auch RUNEMASTER setzen die musikalische Tradition von BATHORY, MANILLA ROAD etc. fort, wobei Vergleiche am ehesten mit den Epic Metal-Bands dieses Jahrtausends und da vor allem mit denen des aktuellen Jahrzehnts gezogen werden können. Ganz weit vorne sind hierbei natürlich VISIGOTH, aber eben auch Bands wie DOOMSWORD, BATTLEROAR, GRAND MAGUS, ETERNAL CHAMPION, BY FIRE & SWORD und nicht zuletzt auch die vom Label selbst zum Vergleich herangezogenen ARGUS und TERMINUS. Nicht nur die Tatsache, dass sie bereits seit 2007 unterwegs sind, zeigt, dass es sich bei RUNEMASTER, obwohl sie erst jetzt ihren ersten Longplayer auf den Markt bringen, keineswegs um irgendwelche Epigonen handelt, die im Kielwasser des Erfolges dieser Bands hinterherschwimmen.
Zwar drängen sich mir immer wieder Vergleiche zu VISIGOTH auf, aber auch die Unterschiede sind unüberhörbar. Während VISIGOTH den leichten, lockeren und hymnischen Epic-Metal mit vielen Chören zelebrieren, entführen RUNEMASTER ihre Zuhörer bevorzugt in die mystischen dunklen Abgründe der nordischen Sagenwelt. Auch die Sänger weisen markante Unterschiede auf, denn während Jake Rogers sich stimmlich einer großen Bandbreite bedient, agiert Sänger Guv zumeist in tieferen Tonlagen, wo er sich auch hörbar wohl fühlt und liegt damit irgendwo zwischen der Stimme, die ein Anführer der Wikinger aufbringen würde, um seine Männer auf die Schlacht einzuschwören und einer, die er nutzen würde, um die Götter für den anstehenden Kampf gnädig zu stimmen! Die Musik von RUNEMASTER klingt dazu passend, zumeist martialisch gnadenlos, stellenweise aber auch durchaus verspielt, jedoch immer druckvoll und mit ordentlich Power aus der Rhythmussektion unterlegt.
Der Opener ´Raven Lord´ starten mit einem Gitarrenriff in bester MAIDEN-Manier, bevor sowohl die Rhythmus-Sektion als auch der Gesang unmissverständlich klar machen, was den Hörer nun 11 Stücke und 57 Minuten lang erwartet, nämlich Musik, die dazu animiert, die Reihen zu schließen, das Schild und das Schwert zu heben und unerschrocken auf die gegnerische Streitmacht zuzumarschieren. Bei ´Raven Lord´ handelt es sich um eine Hymne vor dem Herrn und für den Allvater, die dem rastlosen einäugigen Wanderer, dem Herrn der Raben Hugin und Munin, also Odin, gewidmet ist. Und hier erkennt man auch den Zusammenhang zum Titel des Albums und zum Plattencover, das mit dem durch den düsteren nordischen Wald ziehenden Wanderer und den auf seinen Schultern sitzenden beiden Raben perfekt die Atmosphäre dieser Scheibe wiedergibt, zumal der Waldboden auch noch mit Totenschädeln übersäht ist.
Gleich im Anschluss ist das großartige ´Hagalaz´ zu hören, welches ohne Wenn und Aber eines der Highlights auf dieser Scheibe ist! ´Hagalaz´ ist die erste Rune aus Odins Gruppe (Odins Aett) und bedeutet Hagel, wird aber immer wieder gerne im Zusammenhang mit Tod und Wiedergeburt, oder allgemeiner, mit Zerstörung und Neuaufbau genutzt, was auch in folgenden Zeilen deutlich wird:
At mercy to the wrath that comes forth from the sky,
None shall be unaltered, immune are none alive.
´Hagalaz´ ist ein prächtiger, in mehrere Abschnitte gegliederter Song, der mit einem kraftvoll hämmernden Riff und epischem Gesang beginnt, im zweiten Teil in einen getragenen, melodischen Gitarrenpart wechselt und völlig ohne Gesang auskommt, um dann einfach nur genial in einen dritten Teil hineinzugleiten. Dieser Part wird zunächst von einem bedrohlichen Bassspiel eingeleitet, um dann wieder von den Gitarren übernommen zu werden, die den Rhythmus schneller und schneller werden lassen, bis der ergreifende Gesang wieder den Beginn des Songs aufgreift und das Finale dieses einzigartigen Stückes einleitet.
Und dann wird es kurz, aber nur kurz, beschaulich, denn nun kommt das erste von zwei knapp eine Minute langen Instrumentalnummern, die die Scheibe in drei Abschnitte unterteilen und dort jeweils eine Wirkung entfalten, wie dies mit dem Ausschütteln der Gliedmaßen nach Kraftübungen bezweckt wird, bevor die Muskeln wieder angespannt werden sollen. Bereits die erste kurze Ruhepause ist auch nötig, denn mit dem nachfolgenden und bereits oben erwähnten ´Inscription In Metal´ geht die Schlacht weiter. Schlagzeug, Bass und Rhythmusgitarre legen hier gemeinsam einen dichten Grooveteppich aus, auf dem sich die Leadgitarre und der entschlossen kraftvolle Gesang nach Herzenslust austoben können. Interessanterweise ist das nach dem siebten Stück platzierte zweite Instrumental, obwohl es die gleiche Wirkung entfaltet, völlig anders gestrickt als das auf einer Akustikgitarre gespielte ´The Blood Dimmed Tide´ und erinnert mich stark an ´Eruption´ von VAN HALEN. Aber was gibt es Besseres, als ein derartig aggressives Solo auf einer elektrischen Gitarre, um einen ´Maelstrom´ akustisch zu interpretieren.
Ich denke, meine Ausführungen zu den ersten vier Songs von ´Wanderer´ haben mehr als deutlich gemacht, wo auf dem Debüt von RUNEMASTER der Hase langläuft, oder in diesem Fall treffender, wo der Rabe langfliegt und was ich von diesem Album halte, ohne auch noch detailliert auf die restlichen Stücke eingehen zu müssen. Egal ob beim, wie der Titel bereits nahelegt, durch die Landschaft galoppierenden ´Rider Of The Nine´, dem gefühlvoll vorgetragenen und zum Ende hin doch noch mächtig aufdrehenden und ebenfalls ordentlich galoppierenden ´Helm Of Awe´, oder bei den kraftvollen ´The Hidden Force´ und ´Pyres Of Heathen Kings´ sowie dem ruhig und mit Klängen einer Akustikgitarre melodisch und in Form eines Intros beginnenden, sich dann aber zu einem mit treibenden Riffs, hinreißenden Gitarrensoli und hymnischen Refrain entwickelnden ´Mannaz´, alles passt in den Songs zusammen und weiß mich absolut zu überzeugen. Das abschließende Epos ´Ascendant Lunar Runes´ wird stellenweise mit Synthesizerklängen unterlegt und weist dadurch sogar (jetzt folgt ein böses Wort) symphonische Anleihen auf. Aber keine Angst, es sind nur ganz ganz wenige und es ist bei weitem nicht so schlimm wie es klingt, sondern bildet vielmehr einen würdigen Abschluss für diesen, in meinen Augen großartigen Einstand von RUNEMASTER. Nach so viel Lobhudelei kann ich nun nicht mehr umhin und muss konsequenterweise
9 Punkte
vergeben!
Aufgenommen, gemischt und gemastert wurde ´Wanderer´ von Jamie Gilchrist, dem Gründungsmitglied und Gitarristen der ebenfalls aus Edinburgh stammenden Heavy Doomer KING WITCH (siehe auch hier) und ist bereits am 9. März digital veröffentlicht worden. Am 10. Juli folgt nun die CD und später im Jahr soll das Werk auch als DoLP erscheinen. Ich werde auf die DoLP warten und dann zuschlagen!!
https://www.facebook.com/runemaster/
https://runemaster.bandcamp.com/
RUNEMASTER sind:
Guv – Gesang und Gitarren
Aidan – Gitarren und Synthesizer
Ed – Bass
Keith – Schlagzeug