BILL NACE – Both
~ 2020 (Drag City) – Stil: Avantgarde/Experimental/Drone ~
Gitarrist BILL NACE hat seine Karriere vor allem durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Kollegen aus der experimentellen Musikszene aufgebaut. Nur ein geringer Teil seiner bisherigen Diskografie besteht aus Soloalben, ansonsten machte er sich durch Kollaborationen in der Avantgarde-Szene breit, unter anderem im Free-Jazz mit Mats Gustaffson und Joe McPhee oder aber auch in eher Rock orientieren Projekten gemeinsam mit Thurston Moore und Steve Gunn. Sein bislang jedoch nach wie vor bekanntestes und wohl auch bedeutendstes Schaffen liegt zweifellos in der Kooperation mit Ex-SONIC YOUTH Chanteuse/Bassistin Kim Gordon und BODY/HEAD.
Mit seinem eigenen Label „Open Mouth“ hat Nace die Szene ebenfalls tatkräftig unterstützt und damit beispielsweise die psychedelischen Violinsoli von Samara Lubelski sowie die elektronischen Drones von John Truscinski gefördert. Ein gemeinsames Album mit der Cellistin Leila Bourdreuil und dem Saxophonistin Tamio Shiraishi ist ebenfalls in Planung.
´Both´ bietet nun einmal mehr die Gelegenheit, die gesamte Bandbreite seiner schrägen und entrückten Klänge zu erleben, die er entweder mit einer Ansammlung von Dateien oder mit Bögen aus seinem Instrument herauslockt. Die Songtitel sind allesamt lediglich durchnummeriert, klingen teilweise wie Field Recordings oder aber wie ein sonischer Gitarren-Fiebertraum, wie etwa bei ´Part 8´, das phasenweise auch Erinnerungen an LINK WRAY weckt.
Naces Gitarrenton ist größtenteils grobkörnig und rau und erzeugt kontinuierlich taktile Wellen, die sowohl bedrohlich als auch meditativ wirken. Die Stücke besitzen eine unheimliche, hypnotische Qualität und die Wiederholungen hämmern selten mit einem einzigen unerschütterlichen Klang, sondern weichen auch immer wieder gekonnt in andere Richtungen aus. Da gibt es einige schwenkbare, dem Klaxon verwandte Frequenzen, wie bei einem klappernden Klangrausch, die sich auch gut und gerne auf den rhythmischen Werken von JOHN CALE hätten finden können.
Nace erschafft dabei ungemein laute und kühne Geräusche sowie höchst aktive, engagierte Moves und obwohl die Tracks gänzlich wortlos und zudem unmelodisch sind, besitzt jeder einzelne davon eine erkennbare Struktur. Sie beginnen zwar mit Klängen, die auf den ersten Blick zufällig erscheinen, aber sich durch das Verziehen in Wellen oder Einsetzen von Rhythmen schließlich zu wirklichen Motiven entwickeln. Jedes Stück ist wie ein pechschwarzer Raum – leicht zu betreten, aber schwierig zu navigieren.
Nace hat auf ´Both´ zudem erstmals mit dem in Avantgarde-Kreisen hoch geschätzten Produzenten Cooper Crain zusammengearbeitet – und damit ein sowohl aufwendig gestaltetes, hemmungslos meditatives und subtil ungemein schönes Hörerlebnis produziert.
(8,5 Punkte)