HELLHAMMER – Apocalyptic Raids
~ 1984/2020 (Noise Records/BMG) ~
Wenn ein Musiker in aller Munde ist, obwohl er seinem Lebenswerk keine frischen Alben oder Klassiker hinzufügen kann, befindet er sich auf dem Zenit seines Künstlerlebens. Tom G. Warrior ist solch eine Legende. Sein Lebenswerk ist CELTIC FROST. Ebenso historisch wertvoll muss der Vorläufer HELLHAMMER angesehen werden. Und so fällt der Blick in Gegenwart und Zukunft immer wieder auf die Vergangenheit und ihre Großtaten.
Eine CELTIC FROST-Reunion verlief indes Anfang des Jahrhunderts zwischenmenschlich wohl nicht so erfolgreich, doch spätestens mit dem Tod von Martin Eric Ain war auch für Tom G. Warrior das letzte Kapitel von CELTIC FROST zugeschlagen. Neue Wege beschreitet er mit TRIPTYKON, obwohl das letzte Album bereits sechs Jahre zurückliegt.
Da sein Lebenswerk zwar nicht mehr angetastet wird, aber Herz und Seele trotzdem nicht in Ruhe Schlafen lassen, vollendete Tom G. Warrior zuletzt sein dreiteiliges ´Requiem´. Der erste Teil ´Rex Irae´ erschien 1987 auf CELTIC FROSTs ´Into The Pandaemonium´, der dritte ´Winter´ 2006 auf ´Monotheist´. Allein das Mittelstück fehlte. Im vergangenen Jahr hat er diesen Missing Link mit TRIPTYKON und dem Metropole Orchestra auf dem “Roadburn Festival” uraufgeführt. Außerdem ist plötzlich das kleine schwarze Schaf HELLHAMMER wieder in den Mittelpunkt gerückt. Tom G. Warrior hauchte diesem mit dem Tribut-Live-Projekt TRIUMPH OF DEATH wieder etwas Leben in die rot-schwarzen Adern ein.
In der kurzen Periode ihrer Existenz gehörten HELLHAMMER zu den Extrem-Metal-Bands. Zeit ihres zweijährigen Bestehens prägten zahlreiche Besetzungswechsel die Formation: Satanic Slaughter (aka Tom G. Warrior aka Thomas Gabriel Fischer) übernahm durchgehend Gesang und Gitarre, Denial Fiend (aka Bruce Day aka Jörg Neubart) saß seit Ende 1982 am Schlagzeug und Slayed Necros (aka Martin E. Ain aka Martin Erich Stricker) bediente seit Dezember 1983 den Bass.
Der Urknall fand 1982 noch unter dem Namen HAMMERHEAD durch Tom G. Warrior, Steve Warrior (aka Urs Sprenger) und Pete Stratton (aka Peter Ebneter) statt, angefixt von BLACK SABBATH, VENOM, RAVEN und MOTÖRHEAD, aber auch DISCHARGE.
Am 31. Mai 1984 begruben Tom und Martin HELLHAMMER, der selbst gesetzte, primitive Rahmen war ihnen zu eng geworden.
HELLHAMMERs Vermächtnis sind drei Demo-Kassetten aus dem Jahr 1983: ´Death Fiend´, ´Triumph Of Death´ und ´Satanic Rites´ sowie eine EP und Songs für den “Noise Records”-Sampler ´Death Metal´. In den “Caet Studios”, Berlin-Kreuzberg, nahmen sie vom 2. bis 7. März 1984 für “Noise Records” vier Songs für die EP sowie zwei für die Kompilation auf.
Die drei Demos wurden 2008 unter dem Titel ´Demon Entrails´ in einem Paket wiederveröffentlicht, zuletzt sogar über “Darkness Shall Rise Productions” auf Kassette. Der Kult lebt.
Der Studio-Nachlass wurde dagegen dereinst inklusive EP- und Sampler-Songs recht frühzeitig unter dem Titel ´Apocalyptic Raids 1990 A.D.´ nochmals herausgebracht. Da aber jede Generation von diesen Urstücken des Black- und Death-Metal kosten soll, erscheint in diesen Tagen eine Neuauflage der 1984er EP ´Apocalyptic Raids´ im CD-Mediabook sowie als Deluxe-Gatefold-LP, natürlich mit allen sechs Studioaufnahmen aus 1984 sowie remastered von V. Santura.
Die Songs ´The Third Of The Storms (Evoked Damnation)´, ´Massacra´, ´Triumph Of Death´, ´Horus / Aggressor´ sowie ´Revelations Of Doom´ und ´Messiah´ dienten Bands wie BATHORY und DARKTHRONE als Blaupause. Die Ende 1983, Anfang 1984 von einem guten Freund aufgenommenen Bilder mit Proto-Corpse Paint ebenso. Der Titel ´Apocalyptic Raids´ geht auf Martin E. Ain zurück, der “Sitting Death” als Cover-Artwork auf Tom G. Warrior. Martin kreierte auch das Symbol auf der Plattenrückseite mit Wiedererkennungswert. Inspiriert von Aleister Crowley, kombiniert es ein Babalon Heptagram mit einem Pentagram aus Dolchen sowie einem Schädel als Emblem für Memento Mori. Darunter stand erstmals ihr künftiges Lebensmotto.
Aus einem primitiven Kompositionsansatz, laut und grimmig, röhrend und kauzig, noch etwas ungelenk, aber einmalig, Tom G. Warrior nennt es “unbestreitbar dark, extreme und heavy, aber auch in jeder Hinsicht grob und unvollkommen und weit davon entfernt, wettbewerbsfähig zu sein”, schöpften unzählige Formationen hernach ihre Katharsis. Gruppen wie WARHAMMER versuchten sogar ohne jegliche Weiterentwicklung komplett in die Fußstapfen von HELLHAMMER zu treten.
Dass die damalige Fachpresse kaum ein gutes Haar an HELLHAMMER ließ, konnte ihrem angehenden Status nichts anhaben. Der Name HELLHAMMER geisterte bereits aufgrund Mund-zu-Mund-Propaganda sowie in all den fotokopierten Fanzines durch die Szene. Ohne jemals live gespielt zu haben, stehen HELLHAMMER, wie ein Fels in der Brandung auf seinem Platz, unverrückbar in der Metal-Historie.
Only death is real.