HORISONT – Sudden Death
~ 2020 (Century Media) – Stil: Classic / Prog Rock ~
Meister der Musik. Was sich einst J.B.O. auf die Fahnen bzw. ihr Plattencover schrieben, trifft bei HORISONT ins Schwarze. Die Schweden machen vor nichts und niemandem halt und klingen dermaßen authentisch, unverkrampft und frisch, dass es einfach eine Wonne ist. Diese Unbekümmertheit teilen sie auf Gottes weitem Erdenrund lediglich mit ihren britischen Spielkameraden CATS IN SPACE, die ebenso begeistert in der Natur des Classic Rock ihre Zelte aufgeschlagen haben, sich diese Musik aus vergangenen Zeiten einverleiben und sich daraus einen eigenen Grenzstein setzten, den nur wenige anpissen dürfen…wenn überhaupt, dann lediglich die legendären Originale selbst.
Das Hirn ist befreit und macht sich die Welt widdewidde wie sie den Enkeln von Pippi Langstrumpf gefällt. Die auf dem sechsten Longplayer in vierzehn Jahren startende ´Revolution´ erhebt sich aus den großen Fußstapfen von ELO und THE SWEET und direkt im Anschluss wird der Gaul ohne Sattel untern Hintern geklemmt und das ´Free Riding´ führt im Mittelpart zum wonnigsten Bad im STYX, das man seit langem genießen konnte. Tommy Shaw und die Jungs hätten früher Applaus geklatscht und euch hinterher abgetrocknet.
Wo könnte man heutzutage größere Hits für Anhänger des BLUE OYSTER CULTs finden als hier mit ´Pushin‘ The Line´, ´Breaking The Chain´ oder die Hymne ´Into The Night´, für die man sich gleich noch ohne mit den Wimpern zu zucken die TOTO-´Hold The Line´ und BON JOVI-´Runaway´ Keyboards schnappt und ekstatisch losklimpert. Witzigerweise folgt das eigene, flotte ´Runaway´ zwei Nummern später. Diese Schelme und ihr scheinbar unendlicher musikalischer Horizont…
Doch keine Zeit zum Sinnieren, die Hitline dieses „Best Of“s vergangener Tage geht unvermindert weiter. Das Kunststück besteht weiterhin darin, immer neue, alte, andere Einflüsse und Spielwiesen zu entdecken und mit dem bisher gebotenen dermaßen hervorragend zu verschmelzen, dass es auf keinen Fall „nur“ ein weiteres HORISONT-Album ist, sondern man irgendwann abschaltet und einfach nur mehr will, anstatt ständig mit den Vorgängern oder Inspirationsquellen zu vergleichen.
Das alles hört sich nach einem Heidenspaß an, doch das wunderschöne ´Standing Here´ oder das hymnische ´Hold On´ bergen ernsthaftes Drama, HORISONT haben sich neben dem Spielspaß auch die Gefühle einer Zeit verinnerlicht, die von Sehnsüchten und großen Träumen erfüllt war, statt dem leichten Geld mit einfach scheinender Musik nachzueifern . Die unendlichen Weiten des schwedischen Americana-Westens erforscht ´Gråa Dagar´ mit Sonne im Herzen an ganz und gar nicht „grauen Tagen“.
´Sail On´ lässt die wunderschönen Harmonien von CAMEL ins „Jetzt“ segeln. Als Kirsche auf dem sahnigen Kuchen bestreiten ebendiese CAMEL mit ELOY und vielen anderen eine Art friedliche Version des legendären ´War Of The Worlds´ in Form des ´Archaeopteryx In Flight´, der sich über acht Minuten majestätisch über sämtliche Köpfe der Siebzigerliebhaber erhebt und dem geneigten Fan ein letztes Mal – rein instrumental – komplett den begeisterten Kopf verdreht, bei dem Versuch einen klaren Blick auf diesen wunderschönen Meisterflieger zu erhaschen. Brillant.
Was CAPTAIN BLACK BEARD und THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA der 80ger Fangemeinde bieten, zelebrieren HORISONT in der Dekade davor, aber auf ihre stets frische Art, die im Gegensatz zu vielen anderen zu nahe am Original kuschelnden Mitbewerber zu keiner Zeit angestaubt klingt – zumindest für Musikliebhaber, die stets ihre alten Heroen noch auflegen. Und da zu jener Zeit fast ausnahmslos Klassiker aufspielten, müssen mindestens neun Punkte dafür her. Sieg durch ´Sudden Death´ für Schweden!
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