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NIGHTWISH – Hvman. :||: Natvre.

~ 2020 (Nuclear Blast) – Stil: Nightwish ~


Ich versuche immer so objektiv wie möglich an eine Sache heranzugehen und versuche daher niemals vorher oder während ich eine Scheibe höre, andere Meinungen zu lesen. Doch wenn ich am Rande mitbekomme, dass es Stimmen gibt, die bei 17 Songs von „das ist kein Metal“, „dumm, blöde“, „0 Punkten“ oder sonst irgendeinem Schwachfug in Bezug auf eine solche Band reden, dann möchte ich mit diesen Leuten bitte nicht eine Szene teilen, vor der gleichen Bühne stehen oder sonst was. Da vergesse ich meine jahrelang aufgebaute Diplomatie und sage frei heraus: Unwissende [SELBSTZENSUR]. So einfallslos und beschränkt wie eure tollen Webnamen. Dann geht doch zu Netto. So, da das geklärt ist, fange ich an.

Das war klar. Der Frauenbeauftragte Nummero Zwo bei Streetclip – der andauernd in seinem tiefsten Inneren bei irgendwelchen Bandbeschreibungsversuchen jede junge Sangeskünstlerin an der Schwelle zum Thron einer gewissen Göttin namens Floor zerschellen lässt – verpasst beinahe ein neues NIGHTWISH Album, da er zu sehr im Underground wütet. Wie gut, dass es da diese Modekataloge gibt, die Künstler aus dem Heavy-Bereich auf ihre Cover drucken.

Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, muss ich gestehen. Denn hier handelt es sich um den heiligen Gral einer Stilrichtung und der Verfasser dieser Zeilen war – meines Wissens – einer der ersten, der die überirdische Gabe einer jungen Niederländerin schon zu AFTER FOREVER-Zeiten entdeckte und des Öfteren in der Öffentlichkeit erwähnte, dass – sollten die Finnen irgendwann die beste Band der Welt werden wollen – NIGHTWISH mit dieser Göttin unschlagbar wären. Der Rest ist Geschichte.

 

 

Einige Jahre und etliche optische und akustische Live-und Konservenorgasmen später sitze ich hier im Jahre 2020 gebannt vor meiner Anlage und meine geliebte Karin fragt mich, ob ich denke, dass diese Scheibe wieder gut werden könnte. Ich frage mich selbst, ob NIGHTWISH mich seit der Floorifizierung jemals enttäuscht haben…außer auf COPENHELL, als man den Verdacht hatte, dass live die überirdische Energie dem selbst auferzwungenen, professionellen Musikeralltag Platz gemacht hat.

Ja, klar, betrunken war ich damals auch, aber das schürt meist nur noch meinen Enthusiasmus. Einerlei, hier sitze ich wieder und lausche einer Perfektion, die mit Worten nicht zu beschreiben ist. Nach einem monumentalen Beginn aus dem JEAN-MICHEL JARRE & VANGELIS Evangelium trifft nach der Hälfte vom Opener ´Music´ engelsgleicher Gesang ohne Pseudo-Operettengenerve (entschuldigt meine Ausdrucksweise, liebe Musicalfans) auf meisterhafte Orchestrierungen und ja, Metal. Wenn Opera, dann richtig.

Denn dass Diva Jansen in der Metalwelt recht unerreichbar in Können und Ausstrahlung alleine in Feld, Wald und Flur oder den Bühnen dieser Welt steht, ist unbestritten, da muss man kein Fanboy sein, um das zu erkennen. Der Opener ist ein Gottesgeschenk, kann wahrscheinlich andererseits nur von Satan selbst ersonnen sein, oder Tuomas Holopainen, wie sein Künstlername im Musicbiz lautet. The Best of ABBA-Spirit meets the mightiest Symphonic-Metal. Aus. Der Großteil der anderen Genrebands: Heimgehen. Nachdenken. Aufhören.

 

 

´Noise´ ist nichts anderes als einer der typischsten, mitreißendsten NIGHTWISH Songs, die wohl jeder erwartet, in gewohnt brillanter Ausführung mit Spannungsbögen, Heavyness durch Emppu Vuorinens fette Metalgitarren, fucktightes Powerdrumming von Kai Hahto und mächtig Breitwand-Drama vom Chef. Ebenso überirdisch geil (entschuldigt – in Anbetracht dieser Klasse bleibt mir nur noch der Sprachschatz eines Siebenjährigen) der ´Shoemaker´, der dann die Grenze zur Klassik oder Leinwandmonumentalepik erstmals überschreitet und Troy Donockley die Möglichkeit bietet, schon mal sein gesamtes Instrumentarium warmzumachen. Boah, wer die erste von fünf Schallplattenseiten (die B-Seite von Platte zwei ist eine bedruckte Blank) geistig überlebt und verstanden hat, kriegt jetzt zwischendurch einen verdienten Lutscher. Ich überlege, ob ich gerade eine akustische Bilderflut aus „Ben Hur“, „Die Wikinger“, „Conan“ und „Herr Der Ringe“ erlebt habe. Wow.

Mit irischer Folklore haben NIGHTWISH schon öfter kokettiert und Troy konsequenterweise als festes Bandmitglied eingestellt. Diese Entscheidung hat langfristigen Wert, denn das von ihm selbst gesungene und mit diversen authentischen Instrumenten veredelte ´Harvest´ ist natürlich eines der schönsten RUNRIG-Lieder des von „Q“ simulierten Paralleluniversums. Ein weiteres Lehrstück für alle Symphonic-Metal-Genreanwärter folgt auf dem Fuße mit unbändiger Kraft, Riffs, Doublebass, fetten Arrangements und Walkürengesang aus den einzigen goldenen Hallen. Mehr Bombast-Powermetal (mit leichten QUEEN-Verweisen?) als bei ´Pan´ iss‘ nich‘. Nicht auf dieser Welt, nicht auf der nächsten und auch nicht im kommenden, von „Q“ erzeugten Paralleluniversum oder dem gesamten Delta-Quadranten.

Da kommt zur Entspannung des aufgepeitschten Organismus’ ´How’s The Heart´ gerade recht als entspanntes Schmusestück für die jahraus, jahrein geschundenen Hörorgane und entfaltet sich zu einem wunderschönen Kommerzhit – mit einem fantastischen, mehrstimmigen Ende inklusive umwerfendem Bariton. Hatten wir schon? Nichts Neues im Westen Finnlands? Haha, der war gut. Wir erinnern uns: Es gibt Leute, die schreien nach Innovationen und sind auf der anderen Seite enttäuscht, wenn was Unvorhergesehenes kommt, da sich ihre Lieblingsband ROGER JOLLY nicht mehr nach EXILE BRANDED anhört. Die ´Procession´ marschiert anfangs etwas unspektakulär, mehr erzählend an mir vorbei, aber durchaus angenehm, was bei dem bisherigen Musik-Overkill immer noch weit über dem globalen Durchschnitt liegt. Die feinen Nuancen dieses Songs entfalten sich jedoch mit der Zeit und ich kann getrost weiter an einer „No-Filler“-Wertung arbeiten.

Maximal erhöhter Puls gefällig mit Ausflippfaktor, Floor als bösem Mädchen, Industrialgitarren, neuseeländisch-angehauchten „Haka“-Warshouts, natürlich fetten Percussions und das alles bei beständiger Sinfonikdichte? Nehmt eine Portion ´Tribal´, sagt aber nicht, dass euer Arzt oder Apotheker euch nicht gewarnt hätte. Einmal am Tag reicht, denkt an euren Kreislauf. Ein weiteres Highlight der Bandhistorie! Zum krönenden Abschluss darf Marko Hietala (Gesang und Bass) das Grande Finale beschwören und die gesamte Band steigt auf – getragen vom Sirenengesang ihrer eigenen Göttin – in den Himmel der hymnischen Epen. Das wurde der Einfachheit halber ´Endlessness´ (hihi- mein Name mittendrin, hihi) genannt. So, fertig. Abwischen.

 

 

Wenn’s nicht El Maestro Tuomas Holopainen wäre, der ab jetzt wohl leider die restlichen ungerechtfertigten Kritiken auf seine Kappe nehmen muss. Dieser Jahrhundertmusiker beglückt nämlich ab jetzt alle Soundtrack-Fans mit einem Werk von Musik, welches sich jeder selbst erschließen sollte und das natürlich nicht nur auf Liebe stößt, aber eines ist gewiss: Dies ist meisterhaft komponierte und ausgeführte Musik, die in den Sphären eines Hans Zimmer schwebt. Wer dazu einen Kinofilm braucht, schalte einfach ab und fange vorne an. Klassik- und Filmscore-Fans jubeln über diese Zugabe, die alleine schon die Höchstnote in der B-Wertung erhält. So einfach ist das. Ganz ohne Hass. Einfach erwachsen werden und was man vom üppigen Büffet nicht will, weglassen. Danke.

Der Sound dieses Monumentalwerks wurde nur möglich mit der Beteiligung des PALE BLUE ORCHESTRAs und der METRO VOICES. Darüber hinaus ist diese musikalische Liebeserklärung an unseren Planeten und die Partnerschaft der Band NIGHTWISH mit WORLD LAND TRUST (siehe Homepage der Band) wohl ein ehrlich gemeintes Anliegen und beispielhaft für alle, die sich Gedanken um den Fortbestand unserer grünen und blauen Heimat machen. Wenn Tuomas irgendwann eine Auszeichnung für sein Engagement bekommt oder endlich einen Monumentalfilm vertonen darf, gratuliere ich als erster. Und gebe ihm den Oskar für den besten Score gleich jetzt schon dazu. Amen.

Also, Fan, was willst du mehr? Wer die Durchschlagskraft und Tragweite dieser Kompositionen nach den ersten paar mal Hören beurteilen kann, hat meinen tiefsten Respekt. An dieser Stelle entschuldige ich mich kurz und komme nach unzähligen, weiteren Hördurchgängen wieder.

 

Photograph by Tina Korhonen, 2019. All rights reserved.

 

Mahlzeit, da bin ich wieder. Um es gleich vorwegzunehmen: Die Scheibe lässt sich nüchtern zusammenfassend – was aufgrund der Länge und den bekannten Vorlieben des Meisters jedem denkenden Menschen klar sein sollte – in einen Metal, oder besser Musik-mit-Vocals- sowie einen Soundtrackpart unterteilen. Und da haben wir auch den Grund für die vielen Hatekommentare, die an Tarjas einfache Metalbrust zurück wollen. Freunde, für euch gibt es doch so viele andere Alternativen – gute, billige, welche mit mehr Sex, mehr Gitarren, mehr gleichbleibender Geschwindigkeit. Also, nochmal: Entweder ganz Finger weg, oder einfach die erste Hälfte hören. Kostet genauso viel wie eine „echte“ Metal-CD.

Wer mir jetzt vorwirft, ich hätte keine Ahnung von Musik, dem Business und der Welt als solcher, der mag Recht haben. Da lächle ich nur vergnügt, lasse schelmisch den HAMMERFALL über dem SABATONenden Kritiker hernieder und frage den POWERWOLF, ob Musik Spaß machen darf, Erfolg haben darf oder es einfach UNHEILIG ist, wenn ehrliche Arbeit über Jahre hinweg im Underground bleiben muss. Ich freue mich über den nächsten Lästerer, der mit unerreichter Street-Credibility seinen Topseller veröffentlicht, um ihn im Angesicht der alten Götter im Feuer des Armageddon zu verbrennen, weil er von Massen geliebt wird. Ach ja, man muss ja erstmal selbst Musik machen können…das war das Problem.

Meisterwerk. Top-Of-The-Bill. Ist so, bleibt so – sprengt meine eigene Skala. Und „Klassiker“ hat selten ein Album so verdient wie dieses. Ein kommender Shitstorm interessiert mich nicht. Ich habe wetterfeste Kleidung.

 

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