ELECTRIC MOON – You Can See The Sound Of Electric Moon (Extended Version)
~ 2012/2020 (Sulatron) – Stil: Spacerock ~
Ich bin schon im Besitz der 10“ Version, die 2012 veröffentlicht wurde, habe sie 2013 bei einem Konzert in einem lokalen Laden in Itzehoe nach dem Auftritt erstanden. Der bunte Reigen beginnt, wie soll es auch anders sein, typische ELECTRIC MOON Musik der damaligen Zeit: lange Jams, pulsierende Bassgitarre von Lulu, der Kometenpilotin, spaciges Flirren, singende Melodien und sphärische Sounds der Gitarre, ein treibendes, aber zurückhaltendes Drumming, welches zuweilen aussetzt. Spacerock galore. Wie damals die Show mit blubbernden Lavaprojektionen und einer Band, die sich in einen Trancezustand gespielt hat, so flasht einen der Opener ´The Inner Part´.
Düster, melodischer, erdiger und menschlicher, dadurch auch besessener kommt dann ´Your Own Truth´. Das Stück treibt in einer recht flotten, immer gleichen Geschwindigkeit. Bass und Gitarre umspielen einander mit recht klaren Läufen. Eine Dame singt hingebungsvoll, fast wie in einer Beschwörung. Dieses Stück fällt aus dem üblichen Rahmen, da es mehr an Spät-70er und Früh-80er Postpunk erinnert bzw. derlei Einflüsse mit dem für diese Band üblichen psychedelischen Rauschsound verknüpft.
Ein Rausch ist übrigens auch das dritte Stück ´No Escape From Now´, die damalige B-Seite der inzwischen teurer bei den Verkaufsportalen angebotenen 10“. Erst brodelt es recht chaotisch und strukturfrei ganz im Sinne der alten kosmischen Musik, türmt sich auf wie der Schatten einer infernalischen Gottheit des äußersten Kosmos und verschlingt Dich geradezu, dann bekommt es langsam rhythmische und melodische Strukturen, das Schlagzeug, die Gitarre und der Bass erschaffen einen klingenden Körper. Natürlich wabern, zischen, summen und surren Sula Bassanas Synthesizerläufe an, auf, hinter, neben, in, über, unter, vor und zwischen den per Hand gespielten Noten und Rhythmen, wenn nicht gerade die eine oder andere kleine Melodie erscheint. Diese kosmische Rockmusik hätte sich prima Anno 1972 auf Platten der Kosmischen Kuriere gemacht und sollte alle Freunde von ASH RA TEMPEL, TANGERINE DREAM, HAWKWIND, COSMIC JOKERS und ähnlichen Rabauken in einen Glücksrausch versetzen. Halleluja.
Neu auf der LP-Version (lim. auf je 500 LPs und CDs) sind drei Songs aus einer weiteren Aufnahmesession, von denen nur rohe Abmischungen die Zeit überdauert haben. Aber auch diese können sich hören lassen, fügen sich sehr harmonisch ins Gesamtbild des Albums ein.
´Windhovers´ ist ein solches Sessionrelikt, etwas melodischer, mit nachdenklicher Regenwetterstimmung, dem Livegefühl der Band ähnlich. Es beginnt sanft, entspannt und verströmt durch seine gedämpften Gitarrenmelodien eine starke Melancholie und intensive Verträumtheit. Bei gleichbleibend entspannter Geschwindigkeit legen die drei Musiker spielerisch an Intensität zu, während das Schlagzeug mit Macht den Groove bestimmt, tanzen Lulus Bass und Sula an der Gitarre versunken in einem innigen Lustrausch miteinander, bis das Stück in einer melodischen Passage kulminiert und langsam entschwindet.
´The Great Exploration Of Nothing´ lebt zunächst von Synthesizerteppich und schöner Orgel, verfällt dann in einen düsteren Spacerock mit sägender Gitarre, bevor die Orgel wiederkommt. Ist das überhaupt eine Gitarre? Das gespenstische Flüstern gibt dem Stück eine geisterhafte Begräbnisatmosphäre. Sehr makabre Musik, die sich perfekt als Soundtrack zu einem italienischen 70er Jahre Untotenfilm machen würde. Ist das nun eine sägende Gitarre oder ein zerriger Synthesizer mit etwas Orgel darunter? Um das genau zu sagen, ist der Klang ein wenig zu roh. Fakt ist, dass auch mit recht irdischem Groove dieser Song einem sämtliche Lichter ausbläst und einen sehr eigenen, morbiden Film vor dem inneren Auge des Hörers ablaufen lässt. Nicht ganz 5 Minuten, dann ist es auch schon vorbei.
Nun zwitschert, surrt und flirrt es wieder synthetisch, während Bass und Gitarre ganz dezent kleine Akkorde und Melodiefragmente anspielen, das Schlagzeug sich sachte dazuschleicht, ohne dass man genau sagen könnte, wann es denn eingesetzt hätte. Der Elfminüter ´Mushroom Cloud No. 4´ beginnt wie ein Wetterinferno sehr lau, wird dann aber intensiver und intensiver mit jedem gespielten Takt. Die Melodien werden dunkler, böser, gefährlicher. Die Tür ist geöffnet und die atomare Wolke dringt zu Dir herein, an ihrem Ende die tosende Flammenhölle. Dieses Stück ist wie eine Reise von der Spitze eines Atompilzes über seine Rauchsäule hinunter in das infernalische Brennen und Bersten, Explodieren und Brodeln. Unten angekommen wogt dann, so wie der Song nach einer Weile, die Druckwelle über das Land und zerdrückt und zermalmt alles in ihrem Weg.
Was für wahnsinnige Visionen erscheinen einem bei diesem Lied, dabei ist der wogende, groovende Jampart eher entspannt, trotz seiner Schwere und man ist nicht Teil des Infernos, sondern schwebt und tanzt auf dessen Rücken. Vielleicht schwebt man mit den vom Inferno gefressenen Seelen davon, wieder hinauf zur Spitze des Atompilzes, hinauf in eine schönere Welt, vor den Thron der Götter, die einen mit Sanftmut und Liebe empfangen.
Vielleicht ist der Hörer aber auch nur einfach in einem Rauschzustand gefangen, tanzt am Rande der Besinnung, getrieben von rockenden Gitarren und straighten Rhythmen über den Parkettboden seiner Träume. ELECTRIC MOON haben hier einen wirklich bildhaften Song komponiert, wenngleich das Jamgefühl immer omnipräsent ist. Die Struktur spricht eine klare Sprache.
Das Mastering hat Eroc übernommen, ehemals bei GROBSCHNITT und berühmter Soundtüftler mit diversen atmosphärischen Soloalben, dazu ein Meister an den Reglern und im direkten Gespräch ein sehr freundlicher, bodenständiger Typ. Eroc weiß, wie Krautrock zu klingen hat, vor allem heutzutage.
Hier passt also alles zusammen für den geneigten Liebhaber kosmischer Rockmusik. Lehnt Euch nun zurück, trinkt vom Trank der süßen Träume und lasst Euch mitreißen. Gute Reise!!!
(9 Punkte)
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(VÖ: 29.05.2020)