AXEL RUDI PELL – Sign Of The Times
~ 2020 (SPV) – Stil: Hardrock ~
Eine richtig schlechte Scheibe hat AXEL RUDI PELL noch nicht veröffentlicht. Wie alle Vielarbeiter – beispielsweise MAGNUM, MICHAEL SCHENKER oder SAXON – wirft man auch AXEL gerne vor, immer das gleiche Album mit neuem Cover zu veröffentlichen. Und ja, vordergründig hat auch ´Sign Of The Times´ exakt die selben Qualitäten, die seit 1989 jedes einzelne PELL-Album prägen. Klassischer Hardrock mit großen Hooklines, Pathos, Pomp und Epik, der trotz klar erkennbarer Einflüsse halt urtypisch nach PELL und niemand sonst klingt.
Aber Butter bei die Fische – so viel herausragendes Material auf einmal hat man letztmalig auf ´Kings And Queens´ gehört – und die ist auch schon rund sechzehn Jahre her. Alleine der nach dem Intro ´The Black Serenade´ erfolgende Start mit dem archetypischen Double-Bass-Kracher ´Gunfire´ klingt erstaunlich frisch und zupackend. Auch wenn mir Bobby Rondinellis Spiel und Sound nach wie vor zu steril, ideen- und emotionslos klingen, das wird ausgeglichen von einer sehr dominanten Hammond-Orgel aus dem Hause Ferdy Doernberg. Zusammen mit dem an Mick Box erinnernden Riff ergibt das einen Song, der auch einem der bockstarken letzten URIAH-HEEP-Werke ein echtes Glanzstück gewesen wäre. Selbst Johnny Gioeli singt deutlich engagierter als zuletzt – sogar in die ganz hohen Lagen, die er in den letzten Jahren eher vermieden hat, traut er sich wieder regelmäßig. Es folgen zwei ebenso starke AOR-beeinflusste Nummern in Form von ´Bad Reputation´ und dem siebenminütigen Titeltrack, bevor ´End Of The Line´ wieder kraftvollen Melodic-Metal-Stoff bietet. Alle vier Songs haben das Zeug zu zukünftigen Live-Krachern und müssen sich nicht hinter Hits wie ´Tear Down The Walls´, ´Fool Fool´ oder ´Rock The Nation´ verstecken. Damit hat man zwar die vier größten Highlights schon zu Beginn verbraten, aber auch die zweite Hälfte hält noch ein paar echte Schätzchen bereit. Die unumgänglichen RAINBOW-Hommagen im Stil von ´Casbah´ gibt´s natürlich auch wieder. ´Wings Of The Storm´ ist dank eines echt schnieken Ohrwurm-Refrains und an DAVID COVERDALE erinnernder Gesangslinie klar die stärkere der beiden, der Album-Rausschmeißer ´Into The Fire´ fällt hingegen als einziger Song des Albums in die “hatten wir doch schon mal”-Falle.
Deutlich besser gelungen sind ´Waiting For Your Call´ (wieder mit AOR-Anleihen) und ´Living In A Dream´, das sich in der Tradition von ´Tokyo Nights´ (KROKUS) und ´Is There Anybody There´ (SCORPIONS) an Reggae-Klängen versucht, bevor die Band in einen knackigen URIAH-HEEP-Shuffle übergeht. Da der Schreiber dieser Zeilen – im Gegensatz zu mehreren zehntausend Fans (!) – die Begeisterung für die Balladen des Bochumers nicht so recht teilen kann, gilt auch die Tatsache, dass diesmal nur eine einzige Engtanznummer vertreten ist, als Bonus. Tatsächlich gehört ´As Blind As A Fool Can Be´ sogar zu den besseren Schlüpperstürmern im PELL-Kanon und hat sogar sowas wie Schmackes – passt.
Auch wenn AXEL RUDI PELL mit ´Sign Of The Times´ sein musikalisches Konzept nicht revolutioniert, hat er durch den Fokus auf die Gesangslinien und eingängige Refrains sein stärkstes Album seit Langem abgeliefert – in einer Qualität, die man ihm offen gesagt fast schon nicht mehr zugetraut hatte. Hier sollten also nicht nur PELL-Alleskäufer zuschlagen, sondern generell jeder, der mit melodischem Hardrock traditioneller Prägung etwas anfangen kann. Very well done!
(8,5 Punkte)
(VÖ: 20.04.2020)