THUNDERCAT – It Is What It Is
~ 2020 (Brainfeeder/Ninja Tune) – Stil: Funk-Soul-Fusion-Jazz ~
Es ist, was es ist. Ist es das? Ist es das einfach so? Alles einfach hinnehmen? Einfach über alles hinwegsehen? Der österreichische Lyriker Erich Fried spricht sich zumindest dafür aus.
Ist der Albumtitel ´It Is What It Is´ folglich schlichtweg dem 1983er Lyrikband “Es ist was es ist” von Erich Fried entliehen? In diesem spricht sich Fried für die Liebe aus, denn Liebe bezwingt die Angst und den Stolz, die Vernunft und jegliche Berechnung. Die Liebe gewinnt immer. Liebe ist der Schlüssel zu allem.
Die Liebe zur Musik lässt ebenso die innere Unruhe und den inneren Kampf überwinden. Sie ist ein echter Ausweg, der einem Stephen Bruner zu wünschen ist, kämpft dieser doch schließlich seit Jahren mit zwischenmenschlichen Verlusten, dem Tod von ihm nahe stehenden Personen, und obendrein mit seiner Alkoholabhängigkeit.
Stephen Lee Bruner kennen die einen von seinem Einsatz bei SUICIDAL TENDENCIES und INFECTIOUS GROOVES, andere würdigen seine Beiträge bei FLYING LOTUS sowie KENDRICK LAMAR. Mittlerweile ist der Bassist als Solo-Künstler und Produzent unter dem Namen THUNDERCAT weltbekannt.
Bereits die Ausführungen in Stephen Bruners letztem Meisterstück waren sehr vielsagend, ´Drunk´ aus dem Jahre 2017 war dunkel und beschwingt zugleich, womöglich ein Versuch, den eigenen Kampf um Leben und Körper zu gewinnen. Seinem 2018 verstorbenen Freund Mac Miller wollte er glücklicher Weise bislang nicht folgen. Auf dem Weg zur Genesung von allem Leid sind ihm Kummer, Angst und Niedergeschlagenheit weiterhin ein Klotz am Bein. Sein viertes Werk ´It Is What It Is´ soll dazu sein Statement sein.
Der einzige, der sich dem Bass-Genius Bruner in den Weg stellen kann, ist demzufolge er selbst. Ob geistig oder mental. Spielerisch sind er und seine Mitmusiker ohnehin unantastbar. Doch im gesamten Verlauf stellen sich immer wieder kleine Zwischenstücke auf, wie das quirlig-funkige ´Miguel’s Happy Dance´ oder die Bass-Vorführung in ICE-Geschwindigkeit ´How Sway´, inklusive zeitgemäßer Unterhaltung mit nur zwei Wörtern: „Ayy!“ – „Yo!“, die nicht immer eine kompositorische Zielsetzung durchblicken lassen. Ein ´How I Feel´ verliert sich nur eine Minute lang zwischen Synthesizern und Glöckchen. Ganz im Falsett-Gesang präsentiert sich Bruner in ´Existential Dread´. Im drastischen Gegensatz funktioniert ´King Of The Hill´ mit einem Beat von FLYING LOTUS und BADBADNOTGOO. Dass es trotz mancher Albernheit und Selbstdarstellung ebenso virtuos zugehen kann, zeigen ´Dragonball Durag´ oder ´Unrequited Love´.
Geradezu spacig beginnt das nur 37-minütige Werk mit ´Lost In Space / Great Scott / 22-26´, ein Hilferuf, derweil die Luft wegbleibt. Auf dem sich sogleich anschließenden ´Innerstellar Love´ weist gegebenenfalls sein Kamerad und Saxofonist Kamasi Washington den Pfad zur Jazz-Fusion. Und die Liebe findet sich spätestens im Himmel. Dagegen bietet ´I Love Louis Cole´ ein irrwitziges Klappern auf Holz mit dem Gastbeitrag von Louis Cole (KNOWER), das lässige ´Overseas´ den mit Zack Fox. Großen, sentimentalen Disco-Funk lebt ´Black Qualls´ mit dem Gitarristen Steve Lacy, Sänger Childish Gambino und Funk-/Soul-Drum-Legende Steve Arrington aus, in der Hoffnung, niemals mehr in Angst zu leben. Und wenn nicht darüber geredet wird, wie soll es dann enden?
Schwebend und versöhnlich zeigt sich ´Fair Chance´ mit Ty Dollar $ign und Lil B dazu im Gedenken an Mac Miller. Der Titeltrack, mit Pedro Martins, drückt das Zurücklehnen und Nachdenken über den Schmerz des Verlustes aus, über all die Worte, die noch hätten gesprochen werden können. Doch es gibt kein Gespräch mehr, kein Gesang mehr. Allein die Musik bäumt sich nochmals auf und versinkt in der Stille.
Es ist was es ist.
(7,5 Punkte)
https://thundercat.bandcamp.com/album/it-is-what-it-is
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