MAMALEEK – Come And See
~ 2020 (The Flenser) – Stil: Avant-Garde/Experimental/Black Metal ~
Die ursprünglich in San Francisco gegründeten und mittlerweile im Libanon (!) beheimateten MAMALEEK waren schon von jeher eine ziemlich verwirrende Angelegenheit, bei der roher Black Metal mit jazziger Post Rock- und Lo-Fi-Elektronik verschmolzen wurde und auch Ästhetik und Inspiration US-amerikanischen Folks sowie Musik des Nahen Ostens in den Stilmix mit einflossen. ´Come And See´ ist nun ihre erste Veröffentlichung, für die das Line-up über die beiden anonymen Brüder und Gründer hinaus erweitert wurde und das Ergebnis wirkt weit fokussierter als ihre bisherigen, eklektischen Ausschweifungen.
Die Schwarzmetall-Anteile wurden mittlerweile noch viel deutlicher zurückgefahren und aggressiver Experimental / Noise Rock bilden fortan gemeinsam eine solide Basis aus, wobei der knurrende und schreiende Gesang noch als einziges Erinnerungen an die chaotische Frühphase weckt. Mannigfache Klangfarben an kryptischer Gewalt durchziehen das gesamte Album, wobei der Sound grob umrissen wie ein räudiger Bastard aus dem beschädigten Blues-Rock OXBOWs und der krankhaften Psychedelic ORANSSI PAZUZUs um sich schlägt.
Jazzige Texturen und abstrakte Strukturelemente dominieren eindeutig und wo zuvor noch ein Allerwelts-Doom-Riff oder Blast-Beats den Ton angaben, positionieren sich MAMALEEK inzwischen weit zerebraler und vor allem auch mutiger. Das Ergebnis ist ein Klangbild, das zutiefst dynamisch ist und jeder der sechs Songs trägt einen Sinusbogen an hoher Intensität sowie an angewiderten und unruhigen Tiefen. Dabei interessieren sich die Wahl-Beiruter wesentlich mehr für harmonisch-komplexe Akkorde und Progressionen, die ihren Kompositionen einen jazzigen Reichtum verleihen, dabei jedoch die spirituelle Essenz des Black Metal nicht vernachlässigen. Das tiefe Gefühl von Verlust, Urverletzung und Menschenfeindlichkeit findet sich nach wie vor in ihren Songs und auch ´Love Exchange Failure´ von WHITE WARD ist insofern ein in weiten Teilen zutreffender Bezugspunkt, obwohl deren Album dann doch weit mehr in Richtung traditioneller Black Metal-Formen tendiert.
´Come And See´ ist eine einzigartige und bizarre Mischung aus Angst, Schönheit und Feindseligkeit und keineswegs einfach nur eine seltsame Form des progressiven Black Metal. Nein, es ist genau das, was passiert, wenn du Black Metal so weit wie nur möglich folgst – und dabei auf der anderen Seite angekommen bist.
(8 Punkte)