TODAY IS THE DAY – No Good To Anyone
~ 2020 (BMG) – Stil: Post Metal / Psychedelic / Noise ~
Steve Austin hat in seiner mehr als zwanzigjährigen Karriere bewiesen, dass er einer der großen Überlebenden der Rock Musik ist. Seine Arbeit mit TODAY IS THE DAY wird weithin als das Produkt eines der innovativsten und kreativsten Köpfe extremer Sounds angesehen, wenn auch immer noch hoffnungslos unterbewertet.
Austin ist der verrückte, visionäre Frontmann der Band und zugleich deren einzige Konstante und erforscht nun bereits über drei Jahrzehnte hinweg nahezu jegliche Formen des brachialen Sounds – vom Noise Rock, Black Metal und Grindcore bis hin zu Industrial, Psychedelic und experimentellem Post Metal. Dabei überwand er die dauerhafte Instabilität der Besetzung und Kaltschnäuzigkeit des Musik-Business ebenso wie schwerwiegende gesundheitliche Probleme, einschließlich seiner engen Begegnung mit dem Tod, als der Tour-Van 2014 einen schweren Unfall verursachte. Nach sechs Jahren Albumabstinenz kehrt Austin nun mit ´No Good To Anyone´ zurück – und es ist zweifellos eines seiner besten!
Schon der Opener kanalisiert den puren, torkelnden Untergang, mit seinen abscheulich-kriechenden Riffs, die von Austins lakonischem Gesang überlagert werden, über den er uns seine unheilvollen Neurosen ins Ohr flüstert. Der Titeltrack handelt von bloßer Frustration und baut auf beunruhigenden, benommenen und pulsierenden Tönen auf, bevor er mit einer Mischung aus Black Metal und Grindcore draufloswütet. Ein langsam treibender Todesmarsch, durchsetzt mit spastischen Energiestößen – und eine introspektive Reise in eine traumhafte Leere. Die selbstbeobachtende Suche nach der Seele wendet sich zunehmend etwas Wilderem zu, während unerbittlich geschwärzter Gesang und musikalisches Chaos den Song umhüllen.
Das darauffolgende ´Attacked By An Angel´ ist eine köstliche Fuzz-Suppe aus taumelnder Melodie, die an der Schwelle des Wahnsinns tanzt. Ein klangliches Stammesritual mit schwankendem, schamanischen Gefühl, das wie in einer Hypnose dahinfiebert. Beim artverwandten ´Cocobolo´ ist die psychedelische Verzauberung genauso teuflisch wie das Ausmaß, in dem ´Burn In Hell´ schließlich brutal wird. Rohe Emotionen verbinden sich mit krasser Qual, die Vocals sind durchgehend verzerrt und vielschichtig.
Obwohl TODAY IS THE DAY gemeinhin für aggressive Texturen und ungewöhnliche Rhythmen stehen, so gibt es auf ´No Good To Anyone´ eine eindeutige Reichweite in die Ebenen des Surrealen und Erhabenen. Das Album ist nicht mit einer technischen Akrobatik übersät und die Songs sind weit weniger anfällig für die Freakouts aus der „Amphetamine Reptile“-Ära, mit denen Austin ja immer noch so gerne in Verbindung gebracht wird. Damals hatte er noch eine Mischung aus konventionellen Instrumenten, Elektronik und Samples verwendet, um eine heulende Kakophonie zu erschaffen, ebenso verstörend wie wunderschön.
Das neue Album gleicht hingegen eher einer geschichtsträchtigen Erfahrung, die sich hauptsächlich auf lyrische Themen und die Strenge der Musik stützt, denn auf bloße akustische Folter. Das Psychedelische und Progressive werden deutlich stärker betont als die Avantgarde, wobei Austin selbst die dunkelsten Tiefen auf leidenschaftliche Weise auslotet.
So schließt das Album mit einer sanften Low-Fi-Melodie und einer gezackten Wiedergabe von ´America The Beautiful´ eindrucksvoll ab. Ein perfekteres Ende für diese zu Ton gewordene Abrechnung mit dem amerikanischen Traum hätte man auch gar nicht finden können.
(9 Punkte)