DIE STERNE – Die Sterne
~ 2020 (PIAS Recordings/Rough Trade) – Stil: Indie Pop / Rock ~
Nicht gerade zu Unrecht war unterdessen ein weit verbreiteter Glaube, dass DIE STERNE seit langem verglüht waren. Gegründet 1992 von Sänger und Gitarrist Frank Spilker, wurden sie einst der Hamburger Schule zugerechnet, indessen seit 2014 kein einziges Album mehr erschien. Als 2018 auch noch zwei Gründungsmitglieder, Bassist Thomas Wenzel und Schlagzeuger Christoph Leich, die Band verließen, verpufften alle Gedanken an neuerliche Studiotaten.
2020 sieht die Welt urplötzlich völlig anders aus. Frank Spilker sieht DIE STERNE mittlerweile als Kollaboration von befreundeten Musikern und präsentiert das elfte Album, bei dem sich zum Einspielen die Rhythmus-Abteilung der Kölner VON SPAR einfand, Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch. Zudem gehören die aktuellen Live-Musiker, Keyboarderin Dyan Valdes und Max Knoth, ebenso zur Kommune wie die Jungs des Streichensembles KAISER QUARTETT sowie die DÜSSELDORF DÜSTERBOYS zur Studiobesetzung.
Erstmals selbstbetitelt, ist die Songsammlung abermals von großer, musikalischer Vielfalt geprägt. Im Opener ´Das Herz schlägt aus´ suhlt sich der Pop der STERNE im psychedelischen Rock, lässt ROLLING STONES und BLACK CROWES hervorschauen. Schlichtweg Indie Rock generiert ´Wir kämen wieder vor´. Dagegen stülpt ´Der Sommer in die Stadt wird fahren´ den Disco-Groove über eine KANTE-Spiritualität, derweil ´Unterschiedlich subtil´ gar die Neue Deutsche Welle beim Fred vom Jupiter sowie die New Wave abgräbt und ´Du musst gar nix´ die TALKING HEADS nicht verkennt. Selbst ´Die besten Demokratien´ klingt reichlich tanzbar und ´Drinks & Love´ nach Future-Dub-Pop.
Dass Frank Spilkers Herz und dies für die Musik weiterhin schlägt, offenbart ´Das Herz schlägt aus´, dennoch sind gesellschaftskritische Themen nicht fern. Der erste Ohrwurm, ´Der Palast ist leer´, wird zur gnadenlosen Gesellschafts- sowie Zustandsbeschreibung unserer politischen Führung: Werden wir von einer „Infantin“ regiert, von der es seit zwölf Jahren kein Lebenszeichen gibt, „keine Nachfolger auserkoren“ sind und das „Vermögen verflossen“ ist? Kein Wunder, dass in diesen Zeiten gesellschaftliche Spannungen entstehen. Nur wenn wir alle „Kälte und den Trotz“ aus unseren Herzen verbannen können, werden diese wieder verfliegen, wird ´Der Sommer in die Stadt wird fahren´. Derzeit muss jedoch konstatiert werden: „Es regnet Lügen, es regnet Phrasen.“ Doch „Das Elend kommt nicht aus Sachsen“ „Und es trägt auch keine Springerstiefel“, es ist längst in allen Ecken und Richtungen des Landes angekommen.
Frank Spilker spricht sein Unwohlsein und seine gegenwärtige Angst aus: „Ich fühle mich elend – du nicht? Und ich bleibe – nicht aus Angst, sondern weil ich das will, solange ich will.“ Gleichzeitig erhalten die, die Angst vor dem Fremden und der Bedrohung von „Status und Besitz“ haben, ihre Ansage: „Der Arsch ist die Message. Das Ding auf dem du sitzt. Der Arsch ist die Message. Und der Messenger.“ Die Hoffnung auf einen friedlichen Diskurs der verhärteten Fronten innerhalb der Gesellschaft nährt aber ebenso ´Die besten Demokratien´ leider nicht.
Ist zudem für alle und für jeden letztlich nichts mehr wichtig, bleibt nur eine riesengroße Leere zurück. Im ewig gleichen Groove erfahren wir in ´Du musst gar nix´ was wir nicht mehr müssen, nämlich nichts Müssen müssen. Die fast Vergessenen, die aus dem Palast sind allerdings extrem aktiv: „Man manipuliert, schraubt an den Schrauben“. Oder sind es populäre Influencer, Meinungsmacher im Social Media-Bereich? Der abschließende Psych-Folk Ohrenschmeichler ´Halbvergangener Tag´ schenkt uns wenigstens einen Hoffnungsschimmer im gewöhnlichen Alltagsleben: lieber die Nacht zum Tag machen. Und dabei zu den STERNEN aufblicken und das Leben, das ganz gemeine und das eigene, reflektieren. Ein klarer Blick, und DIE STERNE stehen wieder am Himmel.
(8 Punkte)