ERELEY – Diablerie
~ 2020 (Massacre Records) – Stil: Metal ~
Zwei Reviews zu ´Diablerie´ von ERELEY:
Less Leßmeister
Verteufelt auch, ist das höllisch gut! Das Jahr der kreativen High-End Outputs marschiert munter weiter. Diesmal sind unsere östlichen Nachbarn aus Tschechien am Zug. Äußerst eigenständig zu beinahe Hetfield-mäßigen Vocals nehmen ERELEY uns mit auf die Reise in die ´Diablerie´.
Doch gesanglich und musikalisch passiert noch weitaus mehr als bei den vier Reitern der frühen Thrash-Apokalypse. ´Nephilim´ hat mit den dies im Namen führenden Düsterpropheten lediglich gemein, dass unglaubliche Stimmungen erzeugt werden und das bei fesselnster Heavyness mit feinen Relaxparts hinter harschem und cleanem Gesang. Zahlreiche, jedoch unstressige Breaks und Tempiwechsel gepaart mit unbestreitbaren handwerklichen Fähigkeiten auf sämtlichen Positionen und hervorragenden Skills in Sachen spannendem Songwriting sind ERELEYs Trademark, welches jeden aufhorchen lassen sollte, der sich für Metal abseits des Mainstreams interessiert. Und beim Deibel, ihr werdet belohnt werden!
´Room 666´ ist eine wahrhaft vorwärtsrollende Emotionswalze, die euch den Platz zwischen den Ohren freifegt (“get the fuck out of my way!”), das superb gesungen und gebrüllte ´Hex´ entwickelt sich von kuscheln über moshen zu proggen – wieviel mehr kann man so kompakt in einen Fünfminüter stecken? Wow, was für ein Gefühlsausbruch! Und das ist eben auch “progressiv”, wenn der Vielspartenhörer da mit Beispielen passen muss. Also nehmen wir das Beste, was auf ERELEY nicht zutrifft: es ist einfach THE AWFUL TRUTH, wenn der Drive, die Power und die Originalität von GRIP INC. oder ENEMY OF THE SUN mit der kompletten Gefühlspalette von OPETH und PSYCHOTIC WALTZ kokettiert. Ja, das passt…nicht.
Da hol’ mich doch der mächtig knüppelnde ´Boogie Man´, der flehend seine Botschaft verkündet. Ein wenig Verschnaufpause bietet die ´Enchantress´, doch auch hier überflutet dich eine massive Gefühlspalette, was der Wechsel zwischen Cleangesang, Brüllen und Growlen unglaublich intensiv ausdrückt, fast einem Schauspiel gleich. Ebenso in diese Kerbe schlägt ein weiterer Höhepunkt, der das ´Beast´ entfesselt. Weiter geht’s mit dem famosen, sich spannend aufbauenden, epischen synthie- und akustikgitarrengetragenen ´Flames Of Deliverance´, dem geilen, galoppierenden Gröler ´Love And Hate´ mit seinen emotionalen Cleanmelodien und dem beschwörenden, explosiven Finale ´Burning Hell´.
Das textliche Konzept behandelt die Entscheidungen, die man in seinem Leben treffen muss und die deine Seele aus dem unschuldigen, neutralen Stadium nach dem Erblicken der Welt formen und dich in diese oder jene Richtung führen. Was ist “gut”, was ist “böse” und lassen sich Liebe, Hass, Trauer, Freude oder Angst eindeutig einer Seite zuordnen? Auf der Suche nach Antworten folgen wir einem Protagonisten, der durch schwerwiegende Entscheidungen einem eher diabolischen Pfad folgt. Somit erklärt sich die unglaubliche Intensität der Musik von alleine und man kann nur noch ob der kaum zu steigernden Umsetzung staunen.
Es ist mir nicht peinlich, es ist einfach die nackte, betörende Realität und Qualität von Wunderwerken wie diesen, dass ich wieder einmal meine mittlerweile inflationär anmutende, aber auch in diesem Fall gerechtfertigte obere Punktekarte zücke. Schuldig im Sinne der Anklage, zufällig ständig über solche Gruppen zu stolpern. Hier höre ich und kann nicht anders:
(9 diabolisch-verzückte Punkte)
Less Leßmeister
17.2.2020
Michael Haifl
ERELEY präsentieren ein Konzeptwerk, das sich in die progressiven Weiten der Musik begibt. Bereits in dieser Ankündigung lag der Anreiz, sich dem zweiten Werk der Formation aus Tschechien zu widmen.
2014 von den Brüdern Lukáš Réda (Gesang, Gitarre) und Jiří Réda (Gitarre) gegründet, gab es bis in das vorletzte Jahr hinein immer wieder Besetzungswechsel. Auf das 2015er Werk ´Katharsis´ folgt dennoch 2020 ´Diablerie´, ein Anschauungsunterricht über die grundsätzlich nicht verdorbene, menschliche Seele. Denn diese, bei Geburt reine Seele des Menschen kann innerhalb der Lebenszeit, aufgrund ihrer Taten, eben wie der Protagonist zu einem teuflischen Wesen heranwachsen.
ERELEY stellen ein Album in großer stilistischer Vielfalt vor, dem in seiner Gesamtheit leider vielfach die letzte Konsequenz abhanden gekommen ist. Der Titelsong führt uns als Opener mit französischer Electronik á la AIR in das Werk ein, zeigt sich jedoch sogleich im harschen Power Metal an der Grenze zum Thrash, so dass bei cleanem Gesang gerne die Schwaben VANISH in den Sinn kommen. Aufgrund der Gitarren-/Keyboard-Präsenz kann man BIG HEAT einwerfen, andererseits wiederum FEAR FACTORY. Denn Gitarrenfummeleien gemahnen zwar kurzerhand an PSYCHOTIC WALTZ, der Refrain frohlockt jedoch sogleich in DEVIN TOWNSEND-Manier. Allen Songs wohnt zudem immer eine gewisse Dunkelheit inne, die hier an SENTENCED erinnert und in ´Nephilim´ gar an DARK AT DAWN. Selbst der Gesang wird hierzu gröber und gönnt sich fast nur noch Growlings, derweil die Instrumental-Abteilung sogar Neo-Classical-Töne einstreut.
Dass Lukáš Réda an James Hetfield erinnert, kommt insbesondere im, von dicken Kirchenorgeltasten beherrschten ´Hex´ zum Vorschein. Ganz nah, auf den Spuren von RIVERSIDE wandelt dagegen ´Room 666´ – und das Klavier gibt die Marschroute im Heavy-Sound vor. Dagegen ist der ´Boogie Man´ echter Doom, der sich in der Epic findet. Bei der Einleitung von ´Echantress´ warten wir gespannt, aber vergebens auf YNGWIE MALMSTEEN, wird doch die ´Toccata and Fugue in D Minor´ von Johann Sebastian Bach zitiert. EVERGREY und BEYOND TWILIGHT sind im Traum der Hoffnung gleichwohl nicht fern.
Letztlich ist nicht alles Gold, was aus dem Dunkeln von ´Diablerie´ hervorschimmert. Unbeschadet vieler Lichtblicke müssen sich Underground-Junkies diese Kompositionen über die Länge von knappen 60 Minuten oft gönnen, ehe der kleine Schimmer glimmt.
(6,5 Punkte)
Michael Haifl
25.2.2020