THIN LIZZY
THIN LIZZY – Johnny The Fox (1976)
Nach dem unerwarteten kommerziellen Durchbruch mit ´Jailbreak´ war der nächste Studiotermin schon ziemlich schnell gebucht. Noch im gleichen Jahr wurde der Nachfolger von ´Jailbreak´, ´Johnny The Fox´ betitelt, aufgenommen. ´Johnny The Fox´ ist ein sehr starkes Album, aber für mich persönlich kann es den – zweifelsohne auch extrem hohen – Standard von ´Jailbreak´ im Ganzen nicht halten. Ein hervorragendes Covermotiv von Jim Fitzpatrick und wiederum eine glasklare und trockene Produktion von John Alcock brachten die notwendigen Voraussetzungen für einen weiteren Klassiker mit.
Mit ´Johnny´ beginnt es furios, einer meiner absoluten THIN LIZZY-Höhepunkte. Die Poesie von Phil ist in diesem Song hervorragend: ” You see that nun, she’s his sister. She doesn’t know that he’s gone bad. When they told it to his father. It drove the old man mad. Just like his mother warned him, from her dying bed: It’s all right to lose your heart. But never lose your head”. Einmal mehr die Geschichte eines Junkies oder Süchtigen, dessen Leben aus den Fugen gerät. Wie so viele Songs von Philip sich mit Sucht beschäftigen (´Got To Give It Up´, ´Opium Trail´, ´Bad Reputation´, um nur einige zu nennen). Musikalisch perfekt mit gigantischen Brian “Robbo” Robertson-Wahwah-Gitarrensoli und einem entfesselten Brian Downey an den Drums. Die hin und wieder auf dem Album eingesetzten Bläser (und bei späteren Songs auch Streicher) wurden hier (glücklicherweise) fast gänzlich nach hinten gemischt. Irgendwo spielte übrigens auch Phil Collins auf dem Album Percussion.
Und es mangelt auf ´Johnny The Fox´ nicht an weiteren Höhepunkten. ´Don’t Believe A Word´, das in nur 2:18 Minuten alles aufbietet, einen Macho-Text von Phil und meiner Meinung nach eines der besten (Wahwah-) Gitarren-Soli aller Zeiten, wieder von Robbo eingespielt. Ein weiterer Pluspunkt das sentimentale ´Borderline´ mit ebenfalls feinem Text (“Seven beers and still sober. It’s time to change to something stronger…”) und einem coolen Scott Gorham-Solo. Die beiden weiteren soliden Songs ´Rocky´ und ´Fools Gold´ (mit gesprochener Anfangspassage) beenden die erste Seite, die sich durchaus in Richtung Augenhöhe ´Jailbreak´ bewegt.
Seite 2 beginnt mit dem innovativen Klassiker ´Johnny The Fox Meets Jimmy The Weed´, der wiederum meisterhaft von Brian Downey drumtechnisch gespielt wird und lange vor Songs wie ´The Butcher And Fast Eddy´ mit Gangster-Lyrics und einem funkigen Rhythmus (nicht umsonst hat unter anderem MORDRED eine Coverversion aufgenommen) glänzen konnte.
Der zweite Klassiker ist (allerdings für mich deutlich stärker in der Live-Version auf ´Live And Dangerous´) ´Massacre´ mit einmal mehr absolut genialem Text. Dann gibt es allerdings drei Songs, die nicht gerade in der ständigen Rotation bei mir sind: das ganz nette ´Old Flame´, das zu zuckrige ´Sweet Marie´ und das eher bescheidene Ende mit ´Boogie Woogie Dance´. Den Song mögen viele, das ist auch absolut okay, zu meinen Favoriten gehört er nicht. Diese drei Songs trüben ein wenig das Gesamtbild und machen den kleinen, aber feinen Unterschied zu ´Jailbreak´ aus. Vielleicht wurde das Album zu schnell aufgenommen, worunter das Songwriting etwas litt oder – wie andere Quellen meinen – Philip hatte sich von seiner Gelbsucht noch nicht erholt oder die Reibereien zwischen Philip und dem nicht nur gitarrentechnisch exzessiven Robbo sorgten für erste leichte Irritationen.
Damit möchte ich die Qualität von ´Johnny The Fox´ aber nicht schmälern. Was bleibt, sind vier bis fünf absolute Klassiker und das insgesamt dritte sehr starke Album der legendären Besetzung Lynott/Downey/Robertson/Gorham. Das bewirkte, dass zumindest ein großer Teil des Hard Rock-Throns Mitte der 70er-Jahre THIN LIZZY (neben wenigen anderen wie zum Beispiel UFO mit Michael Schenker) gebührte. Was dann folgte, war eine Kneipenschlägerei mit fatalen Folgen für THIN LIZZY, die nicht nur damit ihren “schlechten Ruf” sicherten…