SAMSAS TRAUM & THIS ETERNAL DECAY
~ 14.02.2020, Cotton Club, Kammgarn Kaiserslautern ~
Ich bin doch eigentlich ganz normal. Ich stehe samstags wie jeder andere auch auf, mache mir mein Tässchen Kaffee und genieße am heiligen „Nicht-Arbeits-Tag“ den heimlichen Gewinner des Jahres 2019 namens DISILLUSION. Doch heute bin ich klein und schwach…Höllenqualen und ich brauche KRACH! (frei nach IDEAL – ´Herrscher´, 1981). Was ist passiert? Die Erklärung findet sich im selben Song, der das ausdrückt, was SAMSAS TRAUM ihrer kleinen Käferarmee zurufen könnten:
„Abends bin ich der Herrscher der Welt – und ihr müsst mich grüßen!
Ich der Science-Fiction-Held – und ihr liegt mir zu Füßen!
MIR gehör’n die Sterne, ICH habe die Macht – ihr seid froh, in meinem Licht zu steh’n;
ICH bin es, der die Welt verlacht und ihr kommt alle mich zu seh’n…“
Und so war es. Der Meister hatte gerufen und seine Käferlein kamen aus ihren Behausungen gekrochen, um im Cotton Club der Kammgarn Kaiserslautern seinen lyrisch-anspruchsvollen, avantgardistischen Hits zu frönen. SAMSAS TRAUM waren gestern vier. No Artist-Namedropping, sondern eine Einheit, die ich nur bei ihrem übergeordneten Kunstnamen nenne, gab sich die Ehre in unserer Drittligastadt und als faire Herrscher, die sie nunmal sind, brachten sie die Römer THIS ETERNAL DECAY mit. Und das war gut so.
Da ich mit MXD sowieso gerade auf Indie-Wolke 7 schwebe, waren meine Ohren mehr als empfänglich für den energetischen, von drei Mann dargebotenen, eigenständischen, mitreißenden und stilikonenzitierenden Elektro/Riff/Rock. Wahrlich auf einer Qualitätsstufe mit unserer heimischen Legende ARTS & DEACY. Was war da alles drin!
Von NINE INCH NAILS über GARY NUMAN, DEPECHE MODE, AND ONE und VNV NATION bis hin zu aggressiveren SISTERS OF MERCY beinhaltete dieser eigene Mix alles, was mich musikalisch in dieser Richtung geprägt hat.
Die Darbietung an sich mit programmiertem Bassbums, aber echtem Standschlagzeuger Andrea in guter, alter Bela B. Manier, Sänger / Klampfer / Synthiemann Riccardo und Bassist Pasquale hatte dermaßen Power, dass man sich plötzlich in den Hangar des M’ERA LUNA zur besten Spielzeit gebeamt sah.
Selten solch einen frischen, endgeilen Industrial / Postpunk / Wave / Rock gehört. Da musste ich sogar auf das von mir zutiefst verachtete Medium CD zurückgreifen, um diese fantastische Band zu unterstützen und mir natürlich in egoistischster Weise einzuverleiben.
So. Nun krabbelten die bereits glücklichen und bis zum Sehnenabriss gespannten Käferlein weiter in Richtung Bühne, wobei der Tanz-und Bangradius glücklicherweise recht entspannt war und von mir auch voll ausgenutzt wurde. Was wird uns der Meister heute servieren?
Es war klar, dass es eine Art Best-Of-Schaffen des bekennenden Black Metaller / Neue Deutsche Welle & Härte / Märchensongs-für-Erwachsene-Schöpfers werden würde, aber was hier zelebriert wurde, toppte jede der mittlerweile schon mehr als eine handvoll Finger zählenden SAMSAschen Liverfahrungen meinerseits.
Ein TRAUM für jeden, der irgendwann mit diesen einzigartigen Werken eine audiosexuelle Liason eingegangen ist. Ich wünschte, mein schwarzer Engel Uta wäre hier, um zu bekunden, ob sein Black Metal wirklich so schlecht sei als von Printmagazinen allgemeinen Vertrauens bekundet. OK, das Gekeife und die weibliche Sirene kommen vom Band, damit ER sich komplett in der Musik verlieren und auf die Lyrik konzentrieren kann, doch SAMSA träumt von mehr – Doom, Heavy Metal (sehr Schade, meine truen Bros, dass ihr‘s zum Großteil nicht kapiert), präzise Perfektion von live und Einspielungen auf epischste Weise vorgetragen.
Daneben auch „lustige Hits“ (nach eigener Aussage) wie ´Für immer´ (nein, Doro, nicht du) oder der Brecher ´Stromausfall im Herzspital´, welcher durch seine Stakkatoriffs wohl dafür verantwortlich ist, dass er auf diversen NDH-Samplern gelandet ist. Durch geschicktes Umarrangieren setzen SAMSAS TRAUM nicht immer auf pures Vertrauen in unterstützendes Playback, was für die simple Komplexität mancher Stücke jedoch unumgänglich ist.
Sehr schön und mutig. Fast menschlich gab sich der Meister, als er für sein Töchterlein via Handykonferenz ein Geburtstagsständchen beim höchst motivierten Publikum einforderte als Wiedergutmachung dafür, dass Papa eben an solchen Tagen im Kreise seiner Käfer feiert…und zurecht gefeiert wird. Und wie PETER GABRIEL schon 1986 feststellte mit ´We Do What We’re Told´ liessen wir uns natürlich nicht lumpen.
Sinnlos, aber ich versuch’s nochmal: Stellt euch GOETHES ERBEN auf Steroiden mit Heavy Metal vor, dann wisst ihr, wie manche Songs klingen. Augen zumachen, bei Nichtgefallen die deutsche Lyrik verdrängen und schon könnten SAMSAS TRAUM auf dem KEEP IT TRUE den ein oder anderen überzeugen.
Goethe wer? Jaja, schon gut, ich kann nicht mehr als empfehlen, die Komfortzone zu verlassen und über den Tellerrand zu schauen. Wäre auch blöd, wenn die Käferarmee unüberschaubar werden würde und im ZDF Fernsehgarten ihren Meistern lauschen müsste.´Alles oder alles!´ dagegen ist ein Elektrosmasher mit Schlagzeug, als wie wenn DAF in einer metallischen Stimmung auf LAIBACH treffen würden. Und wieder: fucking Black Metal! Schnell, hart, laut, simpel, episch.
Lessmeisters TRAUM: einmal mit Fräulein Violet neben SCHAMMASCH auch dieses Konzert genießen…Scheisse nein, geht ja nicht, denn das Chameleon spielt niemals die gleiche Tour noch einmal, es wird immer anders sein. Damit kommen wir ins Märchenland und besuchen ´a.Ura´ in ihrem ´Schnecken.Haus´. Hier punktet das Fachpublikum, welches eine textsichere A-Capella-Version von ´Ich wünsch’ mir, dass das Zebra schweigt´ zum Besten geben darf, was die Musiker sichtlich beglückt.
Unglaublich geil, danke Mitkäfer. Nun muss natürlich der freundliche Kuttenträger für ´Satanas´ herhalten, bevor die Abrissbirne endgültig zuschlägt mit ´Die Zärtlichkeit der Verdammten – Willkommen bei den Peingebrecks´, ´Ein Foetus wie Du – Komm’ auf mein Begräbnis, Baby!´ und natürlich dem WEENA MORLOCH-Klassiker ´Kugel im Gesicht´. Dabei ist natürlich Pogo angesagt, während die Menge mit zufriedenem Lächeln „mir geht es schlecht, schlecht? natürlich gehts mir schlecht!“ gröhlt.
Die Akte X, der Steven King und der Clive Barker der deutschen Musik heißt weiterhin SAMSAS TRAUM. Nach diesem Abend mehr denn je. Mehr abgefahren bin ich in letzter Zeit nur bei PYRACANDA. Dass dazu am Merchstand echte Preisbrecherangebote a lá „buy one, get one free“, 10€ Shirtkrabbelkiste als auch Comics erhältlich waren, rundeten das Fanleben zusätzlich ab. Da könnte sich so manche Band eine Beispiel dran nehmen.
Eigentlich bin ich doch ganz normal. Trotz allem. Trotz meiner Liebe zu SAMSAS TRAUM. Auf dem Heimweg lief übrigens die neue PSYCHOTIC WALTZ im Auto. Wie bei jedem anderen normalen Menschen eben.