ENTHRONED, SCHAMMASCH, CARONTE
~ Cold Black Hearts Tour 2020 ~
~ 10.01.2020, MS Connexion Complex, Mannheim ~
Das erste Konzert im neuen Jahr ist nicht nur eine gute Gelegenheit, nach den eher familiären Feiertagen endlich wieder Freunde wiederzutreffen, sondern auch um sich mal wieder so richtig durchpusten zu lassen von lauter, guter Musik. „Cold Black Hearts“ nennt sich das raffiniert zusammengestellte Tourpackage, welches seit Jahresbeginn Nordeuropa unsicher macht; eine ziemlich explosive Mischung Schwarzpulver, wie auch gleich die Opener CARONTE aus Parma zeigen.
Einen kerzenbewehrten Altar haben sie aufgebaut, zu dem sich die nun mit Asher (WHISKEY RITUAL, FORGOTTEN TOMB) zum Quintett angewachsenen ´Wolves Of Thelema´ (so der Titel ihres neuen Albums) immer mal wieder hinwenden, um Kraft zu tanken während eines energischen, intensiven, düster runtergestimmten Auftritts, der wie immer vor allem von Fronter Dorian Bones beherrscht wird. Nicht nur sein typisches Croonen hält die Zuschauer im Bann, seine extrem expressive und mystische Mimik und Gestik, die an einen dramatischen Schauspieler oder eben auch Schamanen erinnert, fesselt den Blick, wenn man nicht gerade mit Haaren vor den Augen auf Doomschwinger wie ´Abraxas´ abgeht.
Aber auch ihr neuer, deutlich mehr punkig-waviger Sound, in dem sich ihre spirituelle mit ihrer dreckigen Seite vermischt, steht den Italienern sehr gut, ´333´oder ´Hypnopyre´ erzählen davon. Die zwei Gitarren machen den Gesamtklang reicher und tiefer, Henrys Bass brummelt wie immer schöne Linien, es macht einfach tierisch Spass, mit den Doompunx mitzugehen und sie machen es uns heute mit einer gut gemischten, aber auf neues Material fokussierten Songauswahl auch sehr einfach. CARONTE sind weniger denn je in eine Schublade zu stecken und das ist auch sehr gut so!
Das MS Connexion ist gut gefüllt an diesem Freitagabend und es wird heute sehr deutlich, dass die meisten Fans nur wegen jeweils einer favorisierten Band gekommen sind, denn das Publikum des vorderen Drittels tauscht sich jedes Mal fast komplett aus. Unmotiviert steht hier keiner auf der Bühne, denn umso grösser ist natürlich der bandseitige Ansporn, neue Zuhörer zu gewinnen. Und (nicht nur) da heisst der Tagessieger eindeutig SCHAMMASCH! Nach einem sehr langen Soundcheck, der jedoch für die Umsetzung der komplexen, filigranen und vielschichtigen Kompositionen auch absolut notwendig ist, legt das brokatgewandete Quintett, umweht von ordentlich Nebel, auch schon los mit ´Winds That Pierce The Silence´. Wer die Band nicht kennt, mag zuerst skeptisch reagieren auf die einheitlich gekleideten, teils tiefschwarz geschminkten Gestalten, die sich kaum bewegen und doch so viel in Bewegung setzen. Sie zelebrieren ihre Musik und das, was dahintersteht; bei der Band aus dem SAROS Collective ist eben alles Kunst, Philosophie und Mystik, ihnen geht es um etwas ganz anderes mit ihrer Musik als um Party machen, sie wollen Gleichgesinnte auf der spirituellen und Seelenebene erreichen.
Auch die Basler setzen den Fokus klar auf Songs ihrer neuen Platte ´Hearts Of No Light´ und spielen gleich fünf davon am Stück, bevor sie zu ihrem 2016er Opus Magnum ´Triangle´ zurückgehen und ganz zum Schluss sogar mit zwei Liedern von der sehr schwer verdaulichen ´The Maldoror Chants: Hermaphrodite´-EP überraschen. Sehr dynamisch und trotz Ersatzleuten nahezu perfekt aufeinander eingespielt, macht es extrem viel Spass, dem Fünfer auf seinem Weg in düsterste Unterwelten und wieder hinauf in himmlische Höhen zu folgen, stets geleitet von C.S.R.s Sprech- und eben auch cleanem Gesang, genau wie seine Nebenleute an Custom-Siebensaitigen – und auch der Bass hat bei dieser Band, für die Metal eine absolute Kunstform ist, eine Saite mehr…
Nun drängt sich deutlich mehr Publikum vor der Bühne, hat teils die Augen geschlossen, geht mit und schwingt verzückt die Matten, oder steht einfach nur gebannt da angesichts des dichten, vielschichtigen, wabernden und mäandernden Avant Garde-Klangteppichs, aus dem sich immer wieder wie Feuerzungen Gitarrenleads nach oben schrauben und elektrisch entladen, der heutige Auftritt ist einmal wieder pure Magie, viel mehr als nur progressiver Black Metal, zumal wenn mit ´Paradigm Of Beauty´ ein fast lupenreiner 70ies-Rocksong zentral im Programm steht und zum Tanzen einlädt. Lässt man sich voll auf SCHAMMASCH ein, stellt sich trotz der ständigen Gefühlsachterbahnfahrt doch schliesslich ein tiefer innerer Frieden, ja eine Dankbarkeit an das Leben ein. Für viele Zuschauer waren die Schweizer daher der eigentliche Headliner, so dass nach ihrem Auftritt viele schon aufbrechen.
Wie soll solch ein Zauber aufrechterhalten werden? ENTHRONED versuchen es nicht einmal, haben sie doch einen komplett anderen Hintergrund. Die zum schwarzen Satanismus skandinavischer Prägung konvertierten ehemaligen Deathmetaller und Euronymus-Fans sind, ich gebe es offen zu, nicht wirklich meine Tasse Tee, aber natürlich gebe ich ihnen eine Chance, doch ihr oldschoolig-rumpeliger, straighter Blackmetal kann mich trotz sehr engagiert agierender Band gerade im Kontrast zur eben genossenen Feingeist-Kost leider nicht wirklich abholen.
Ein sich derweil an der Bar ergebendes kurzes Geplänkel mit zwei Carontesen endet jedoch abrupt, als die Italiener ihren eigenen Moshpit starten, die Jungs haben sichtbar Spass an den schnellen, garstigen Saitensalven der Belgier und feiern es, auf Tour zu sein. Später werden einige Leute sagen, daß dies der beste von ihnen erlebte ENTHRONED-Auftritt ever war oder dass sie mit der Band zwar bisher nichts anfangen konnten, heute jedoch viel Spass hatten.
Und das ist doch gleichzeitig ein perfektes Fazit für einen gelungenen Abend und Saisonstart! Hoffen wir, daß das Rhein-Neckar-Delta weiterhin das Bermudadreieck der Metal-Welt bleibt, und wir auf diese Art noch viele interessante Bands entdecken koennen!
…der Letzte macht`s Licht aus!