PlattenkritikenPressfrisch

SHADOW WITCH – Under The Shadow Of A Witch

~ 2020 (Argonauta Records) – Stil: Heavy/Stoner Rock ~


Bei der aktuellen Flut an Veröffentlichungen ist es manchmal nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten und man muss damit lernen zu leben, dass man nicht in alles Neue reinhören kann. Als Konsequenz hieraus rutscht auch schon mal der ein oder andere vielversprechende Newcomer durch die Finger, oder präziser, an den Ohren vorbei. Komplizierter gestaltet sich die Ausrede bei einer Band, die bereits seit 2015 existiert und mit ´Sun Killer´(2016) und ´Disciples Of The Crow´ (2017) zwei ausgewachsene Alben in Umlauf gebracht hat. Unter dem Titel ´Under The Shadow Of A Witch´ bringt das Quartett aus Kingston (New York) nun also nach drei Jahren Pause ihr nahezu selbstbetiteltes drittes Album heraus, für welches sie das in Italien ansässige und auf Doom, Stoner, psychedelischen und ähnlich gelagerten Rock spezialisierte Label „Argonauta Records“ unter ihre Fittiche genommen hat.

Die Musik von SHADOW WITCH zu beschreiben ist nicht ganz einfach, da sie ihre Stilelemente nicht stur aus einem Genre beziehen, sondern sich genreübergreifend aus einem großen Pool bedienen. Dies wird auch deutlich, wenn man das Name-dropping rund um SHADOW WITCH betrachtet. Dass sich darunter natürlich auch BLACK SABBATH befindet…geschenkt. Die Referenz wird sowieso immer herangezogen, sobald sich ein dunkler Ton in die Musik verirrt. Auch beim Vergleich mit MASTODON soll wohl eher der jungendliche Mainstream angesprochen werden. Aber bei den sich immer wieder neu erfindenden CLUTCH wird es interessant und spätestens bei Vergleichen mit GRAVEYARD und RED FANG sollte man hellhörig werden.

 

 

Ein Blick auf das Bandfoto offenbart, dass es sich bei den Musikern nicht gerade um Jungspunde handelt und angesichts der einfach nur in allen Belangen als großartig zu bezeichnenden Stimme von Rauschebart Earl Walker Lundy ist man mehr als darüber verwundert, dass dieser Sänger vor 2015 scheinbar nur bei einer Rockband namens VOODELIC aktiv gewesen ist, die seit ihrer Geburtsstunde im Jahr 2003 lediglich eine LP und eine EP herausgebracht hat. Der Grundstein für diese phänomenale Stimme, die als Prototyp für eine Hard bis Heavy Rock-Stimme herhalten kann, wurde aber bereits im zarten Kindesalter beim Männerkirchenchor von McComb im Bundesstaat Mississippi gelegt, wohin Earl von seinem Vater mitgenommen wurde. Ich bin absolut davon überzeugt, dass die dunkle und angenehme Stimme heutzutage auch problemlos dazu in der Lage ist, eine gefühlvolle Bluesnummer anzustimmen, oder sich mit ihrem kratzigen, rauchigen und leicht dreckigen Unterton auch dem Südstaatenrock hinzugeben. Wer hierfür eines Beweises Bedarf, der höre sich einfach mal das achtminütige Meisterwerk ´Fountain´ an. Alleine der Beginn des Songs, in welchem Earl nur von einer Akustikgitarre begleitet seine Kunst darbietet, ist zum Niederknien. Wenn dann die elektrifizierte Gitarre richtig loslegt und die Rhythmussektion dazustößt, ist es um mich geschehen und die Mundwinkel ziehen sich unwillkürlich in die Höhe. Gänsehaut beginnt sich breit zu machen, sobald die Gitarre im zweiten Teil des Stückes so richtig losjault und im Wechsel mit Earls Gesang um die Wette klagt, während im Hintergrund zum stoisch vom Schlagzeug vorgegebenen Takt immer wieder das gleiche Bassriff intoniert wird. Was für ein epochales Stück Musik! Allerdings frage ich mich schon, wie sie die beiden (nicht nur in diesem Stück) zeitgleich erklingenden Gitarren, darunter in diesem Fall eine Slide Guitar, bei nur einem Gitarristen auf die Bühne bringen wollen. Gastmusiker? Gitarre von Konserve traue ich ihnen ehrlich gesagt nicht zu und eine Reduzierung auf eine Gitarre käme schon fast einer Kastration des Stückes gleich. Allerdings muss erwähnt werden, dass sich auf einschlägig bekannten Streamingplattformen etwa halb so lange Versionen dieses Stückes befinden, die bereits weit über ein Jahr alt sind und bei denen nur eine Gitarre zum Einsatz gekommen ist. Klar geht das auch, aber dem Stück fehlt dann einfach eine Dimension. Ich hoffe, ich kann irgendwann mal vor der Bühne stehend überprüfen, für welche Lösung sie sich entschieden haben.

Ein ebenfalls formidables und ‘Fountain’ qualitativ an den Hacken klebendes Stück ist ´Saint Magdalene´, bei welchem Earl zum wiederholten Mal sein Können unter Beweis stellt und neben einem erneuten Einsatz der Akustikgitarre nun auch noch das Wah-Wah-Pedal ausgepackt wird. Das Lied beginnt sehr ruhig, nimmt dann aber immer mehr Fahrt auf und entwickelt sich im Laufe der nächsten viereinhalb Minuten zu einem eindringlichen Song, bei welchem Earl seine Stimme sehr gefühlvoll aus der Tiefe seiner Seele hervorholt. Auch ´Demon‘s Hook´ ist ähnlich aufgebaut und bezieht seine Kraft aus einer ruhig dahinfließenden Melodie, die gegen Ende des Stücks mit den Klängen eines von Earl gespielten Mellotrons unterlegt wird.

SHADOW WITCH können aber auch anders und stellen dies unter anderem bei ´Shifter´, aber vor allem beim Opener ´Spearfinger´ unter Beweis, wo die bratende Gitarre eindringlich deutlich macht, wieso die Musik von SHADOW WITCH unter anderem das Etikett Stoner Rock verpasst bekommen hat. Aber auch diese Songs ziehen nicht einfach nur stur das dem Song zugrundeliegende Songkonzept durch. Insbesondere ´Spearfinger´ weiß durch eine eingeschobene Bridge mit anschließendem kurzen Gitarrensolo zu überzeugen. Ein kurzer knackiger Song!

Ganz anders der Song ´6 x 6´, welcher mit einem etwas schief klingenden und eigentlich schon progressiv zu nennenden Gitarrenriff beginnt und dabei von einer intensiven Schlagzeugarbeit begleitet wird, zu der sich bereits nach kurzer Zeit Earls beschwörender Gesang hinzugesellt. Dieses Stück mit seinem knackigen Bass im Mittelteil weckt Erinnerungen an längst vergessene Grungeklänge à la ALICE IN CHAINS oder SOUNDGARDEN, wechselt aber im zweiten Teil in doomigere Gefilde, in die diese Band gerne bei der Beschreibung ihrer Musik geschoben wird. Ein wirklich spannendes Stück Musik, in dessen Kategorie auch das durch ein gesprochenes Sample eingeleitete ’Wolf Among The Sheep’ gehört. Das Stück vermittelt eine überaus bedrohliche Simmung, die fast physisch greifbar ist.

´Sour´ erklingt ungewohnt aggressiv und anklagend enthält ebenfalls alle bereits hervorgehobenen Merkmale, erreicht aber nicht ganz das Niveau der zuvor erwähnten Stücke. Gleiches gilt auch für ’Witches Of Aendor‘ welches, für mich etwas unverständlich, als eines von zwei Songs vom Label als Musikvideo angeboten wird. Vielleicht weil es etwas getragener und einen im Vergleich zu den anderen Stücken leicht erhöhten Grunge-Anteil aufweist. Wer weiß…

Die auf eine Laufzeit von knapp 40 Minuten kommenden, sehr abwechslungsreichen acht Stücke werden von großartigen Musikern dargeboten, wobei neben Sänger Lundy vor allem der Gitarrist Jeremy Hall bei mir einen sehr starken Eindruck hinterlässt. Mir haben aber auch das sehr natürlich klingende Schlagzeug und der immer wieder prominent hervortretende Bass sehr gut gefallen und auch die gesamte Produktion weiß zu überzeugen. Mir ist allerdings nicht wirklich klar, wieso die Musik von SHADOW WITCH als Stoner/Doom Rock bezeichnet wird. Zwar tritt der Stoneranteil bei vielen Stücken klar in den Vordergrund, dafür sorgt alleine schon die dort fuzzy klingende Gitarre, aber Doom? Ich habe da ein ganz anderes Verständnis dafür was Doom ist, selbst wenn man rockigere Varianten wie CANDLEMASS oder SOLITUDE AETURNUS heranzieht. Aber auch für diesen Vergleich fehlt SHADOW WITCH meines Erachtens der epische Anteil.  Für mich ist es schlichtweg hervorragender Heavy/Stoner Rock mit einigen grungigen Anleihen, aber bei weitem nicht so vielen, wie der Band nachgesagt werden, zu dem sich noch ein ganz kleiner psychedelischen Anteil hinzugesellt. Aber das ist ja alles ganz egal, denn die Platte macht mir einfach unheimlich Spaß und bekommt daher von mir

8,5 Punkte.


´Under The Shadow of a Witch´ erscheint am 14. Februar 2020 auf CD und LP.

Das schöne Coverartwork hat übrigens Sänger Earl Walker Lundy gemalt. Ein wahres Multitalent!

 

SHADOW WITCH:
Earl Walker Lundy – Vocals, Mellotron, Loops
Jeremy H. Hall – All Guitars
David Panullo – Bass
Justin Zipperle – Drums


(VÖ: 14.02.2020)

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"