NEKTAR – The Other Side
~ 2020 (Esoteric Antenna) – Stil: Prog / Artrock ~
England hatte PINK FLOYD, wir haben immer noch ELOY und zusammen hatten wir NEKTAR…und haben sie ebenfalls noch – sogar doppelt, aufgeteilt in den deutschen Ableger NEW NEKTAR um den Sohn des 2016 verstorbenen Gründervaters Roye Albrighton und den mittlerweile amerikanisch-komplettierten und auch dort ansässigen mit den britischen Gründungsmitgliedern Ron Howden (Schlagzeug), Derek „Mo“ Moore (Bass) und dem damals als vollständiges Bandmitglied hinzugenommenen Lichttechniker und Texter Mick Brockett.
Tia, Freunde – was soll ich groß sagen? NEKTAR haben ein Album aus den Waben gestrichen, das wie Honig reinläuft. Der Ursprung der Kompositionen geht zum Teil bis ins Jahr 1978 zurück, als Mo und Ron mit Gitarrist Ryche Chlanda an Songs werkelten. Natürlich wird die Zeit der eruptiven Instrumentalorgasmen der Siebziger wiederbelebt, doch dieses Album kann sich durch die ständig hohe Musikalität und die harmonischen – statt früherer hektischer oder jazzig-jammiger – Ausschweifungen auch beim Instrumentalverweigerer wahrlich sehen lassen.
´I’m On Fire´ ist ein Statement, denn gleich zu Beginn rocken die Herren sich mit Power und Elan auf den Spuren von URIAH HEEP oder EPITAPH zurück in die (H)Ar(d)trockszene, um im späteren Verlauf ihr eigenes, wunderbares Universum zu zelebrieren und ihren 50igesten gebührend zu feiern. Abartig geile Instrumentalparts mit Gitarren- und Keyboardsoli, die das Herz eines jeden Alt-Progrockers defibrillieren und gewaltig auf Touren bringen und ein Thema, was locker als NEKTARs ureigenes ´Fanfare For The Common Man´ durchgeht.
Floating down the mystery stream, where they’ll take us no one knows.
Far removed from everyone, amazing how time flies by when you’re having fun.
Hold me tighter, feel it deep inside you…
I’m on fire – burning with desire – I’m on fire.
Herrlich altmodisch, doch zeitlos und einfach wunderschön kommt der sentimentale ´Skywriter´ daher und der Refrain lässt dich gar an Glanzzeiten von FOREIGNER denken, bevor die instrumentale Spacevoyage dich nach überall mitnimmt, wo du schon immer sein wolltest und die NASA nicht mehr hinkommt. Der knappe 18-Minüter ´Love Is/The Other Side´ hätte dem unvergessenen John Wetton und ASIA gut zu Gesicht gestanden. Sehr locker flockig läuft es aus dem Honigtopf und kokettiert auch mal mit den 80er-Jahre ELOY bis hin zu YES. Nennt mich alten Lappen, aber das ist genau das, was ich heutzutage von einem Flaggschiff wie NEKTAR haben will.
Now that we’ve been to The Other Side
Finding our way from the past.
Knowing how music became the ride
With memories of songs that will last.
Ein entspannender, mystisch-sphärischer Spacetrip über neun Minuten findet sich – wie der Titel schon andeutet – mit ´Drifting´, bei dem auch ELOY zu ´Ocean´- als auch ´Silent Cries And Mighty Echoes´- Zeiten mitgeflogen wären, wäre da nicht dieser wunderschöne, gefühlvolle Gesang. Oder diese Ian Crichton (SAGA)- Gedenkflitzefingerparts in den Gitarrensoli. Bin dann mal weg…der Junge muss an die frische Luft…
Back on Earth bleibt nur eines: Kniet nieder vor der ´Devils Door´, durch die NEKTAR furchtlos mit Hammond an der Hand treten und euch eine Geschichte von vergangenen Zeiten im Stile der deutschen Kultrocker EPITAPH erzählen, bereichert um Originalaufnahmen von Roye Albrighton, ein fantastisches olschool Keyboard und melodische Basslinien.
We just had to fly away – we found our piece of mind.
We now know something you don’t know, the Devils in your mind.
We walked away from the Devils Door, don’t let it be known you’ve been here before.
We turned around we had the chance, your time is gonna come.
Ein stimmungsvolles Soundintermezzo nennt sich ´The Light Beyond´ und bereitet uns auf das ruhige, herrlich-leuchtende ´Look Through Me´ vor, welches kitschfrei deine Ohren streichelt und dessen Keyboardparts jeden SAGA-Fan aufhorchen lassen.
Look through me to my heart please.
Not to the things I’ve done, the clothes I wear, the situation that surrounds me.
It’s all the same to walk away and never truly meet the hidden me.
Entspannt und nachdenklich präsentiert sich auch der Schlußtrack ´Y Can’t I B More Like U 2020´, dessen Instrumentalpart auch von den grossen RUSH hätte stammen können.
Growing up is knowing what you’ve lost.
The things that seemed so worthless.
Sharing love has taken such a cost, is that why I feel so empty?
Der Fluss dieses Albums ist nichts weniger als Balsam für die Seele. Eine Kreation von wohlklingenden Wohlfühlsongs, die jedoch allesamt genug Drive und Biss haben, um restlos zu begeistern. Eine Platte, die dir die Gelegenheit bietet, einfach nur zuzuhören und mal abzuschalten von all den Problemen einer hektischen, gewalttätigen Zeit und sich der Umarmung des friedvollen Volkes der Eloi hinzugeben.
Freunden dieser Band muss ich eine uneingeschränkte Kaufempfehlung geben, in der Hoffnung, dass auch Neulinge sich am NEKTAR laben und diese große Band für sich entdecken. Ein weiteres Stück Musikgeschichte bedarf keinerlei Einordnung in ein Punktesystem – so schlau ist jeder von euch, liebe Mit-Freaks.
A painting finally finds its wall.
This chapter comes to end as we lift our cup and wonder was it worth it all?
And so we turn again to who we are from what we’ve been,
And where we go our hearts can only tell.