NERO DI MARTE – Immoto
~ 2020 (Season Of Mist) – Stil: Progressive Death/Post Metal ~
Für all diejenigen, die mit NERO DI MARTE noch nicht vertraut sind, sei gesagt, dass es sich dabei um ein italienisches Quartett handelt, und einen Sound, in einer besonders abstrakten, eckigen und atmosphärischen Form. Auf ihrem ersten, selbstbetitelten Album von 2013 hatten sich die Bologneser noch von ihrer reinen Death Metal-Seite gezeigt – mit scharfem, drahtigen Riffing und mit treibendem Vorwärtsdrang. Der Nachfolger ´Derivae´ zeigte schließlich deutlich komplexere, verzerrtere Strukturen und Arrangements, indem sie zusätzliche Schichten von Ambient, Dissonanz und Atmosphäre in den Mix mit einbauten.
Nach sechs Jahren Albumabstinenz setzen NERO DI MARTE diesen Weg nun fort und kanalisieren erneut ihre Outré-Death-Metal-Dissonanz, die zweifellos von artverwandten Acts wie den GORGUTS, ISIS oder MESHUGGAH inspiriert wurde – eben nur anders und vor allem deutlich besser! Die Hüllkurve ihres Sounds wurde noch weiter verschoben, verkörpert sowohl die Ästhetik des Dark Jazz und der Avantgarde, und wirkt in ihrer Fließfähigkeit und Struktur oftmals schon beinahe improvisatorisch.
Die Dissonanz des Albums strahlt dabei eine eher einladende Wärme aus, im Vergleich zur düsteren Kälte der zuvor genannten klanglichen Verwandten der Band. ´Immoto´ brilliert durchweg mit verführerisch-labyrinthartigen Riffs, die sich mit wilder, aber kontrollierter Hingabe drehen und ineinander greifen, um großartige Schichten mit lebendiger Textur zu bilden. Auf eine geradezu abweichende Art wirft die Band dabei das Playbook des Post Metal beiseite und lässt die gespannte Erwartung, dass alles irgendwann einfach nur brutal zusammenbricht, in einem fast unerträglichen Ausmaß verweilen. NERO DI MARTE zeigen über das gesamte Album hinweg ein ausgeprägtes Gefühl für subtile Nuancen, und nutzten Stille und Raum, um die kontemplativen Dimensionen ihrer Musik fortwährend zu bereichern.
Was aber ´Immoto´ wirklich so besonders und herausfordernd macht, ist schließlich das Songwriting, das diesmal in einem fließenden, fast schon bewusstsseinerweiternden Strom abläuft. Lange Passagen von impressionistischem Ambiente und grüblerischer, schmerzerfüllter Atmosphäre, köcheln langsam vor sich hin und schwellen zunehmend im Tempo an. Kaskaden dissonanter Unstimmigkeiten strömen von den Rändern herein, rumpeln und rauschen, bevor sie in eine Lawine von bestrafendem Sound und Wut ausbrechen. Riccardo Pasinis exzellente Produktion ist geradezu perfekt für die zahlreichen meditativen Passagen, geschichteten Kreuzungen und knackenden Stellen an kulminierender Intensität.
´Immoto´, ein erstes frühes Highlight dieses Jahres, ist der eindeutige Beweis dafür, wie ausdrucksstark Metal in Bezug auf Songwriting und Ausführung auch heutzutage noch sein kann. Es ist ein derart dichtes, vielschichtiges Werk, und wird seine Hörer wahrscheinlich für den Rest des Jahres noch beschäftigen. NERO DI MARTE haben sich jeglichen Konventionen und Genre-Schubladen entzogen und präsentieren ein Album der Superlative. Ein packendes Erlebnis und eine anspruchsvolle Reise, die Geduld erfordert und stets belohnt wird, da sie durchweg neue Ebenen und Tiefen kreativer Spitzenleistungen offenbart. Wie ein farbenfrohes Quadrat in einer Welt voller trostloser, runder Löcher.
(8,5 Punkte)