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(DOLCH) – Feuer

~ 2019 (Ván Records & Totenmusik) – Stil: Endzeitmusik ~


“I’m glad we’re not what you want us to be” – wer mit diesem Mantra einen ganzen ´Love Song´ füllt, hat alles andere vor, als sich beim Hörer anzubiedern, und genau das macht (DOLCH)s erste regelrechte LP vor allem aus. Die Hamburger liefern mit ´Feuer´, dem ersten Teil einer Trilogie namens “Feuer, Nacht & Tod” eine Platte ab, die am Ende des Jahres 2019 wegen ihrer Sprödigkeit und Unzugänglichkeit sehr gut neben beispielsweise GOLDs ´Why Aren`t You Laughing?´ platziert passt. Qualitativ sowieso, doch emotional ist sie eher für noch stabilere Gemüter geeignet als es die kritischen Holländer sind.

Ihr Stil ist weiterhin nicht in irgendwelche Genreklischees einzuordnen, bewegt sich auch heute zwischen Post Punk, Dark Ambient, Doom/Drone, Volkslied und schwarzmetallischer Repetition, ist aber nochmal deutlich düsterer, ja widerspenstiger bis hin zu galliger Desillusionierung geworden.

 

 

Dabei steigt das mysteriöse Duo, bei dem die Identitäten der Livemitglieder bekannter sind als die der beiden zentralen Akteure, Sängerin M und Gitarrist/Multiinstrumentalist T, diesmal gleich mit einem echten Hit ein: ´Burn´ ist feinster Zartbitter-Wave/Poprock mit Chilinote, ein Song mit echtem Dancefloorpotential in der Tradition von 80/90er-Sirenen wie Hazel O’Connor, Debbie Harry oder Annie Lennox, wäre da nicht die alles durchwehende Melancholie und Kälte von Gitarren wie Synths, die den Songtitel glatt konterkarieren. Mit Gänsehaut verbrannt, sozusagen, fast schon ein Weihnachtslied. Direkt danach besingt dann ´Halo (Afraid Of The Sun)´ in doomig schleppenden Tempo die Ängste, aber auch schwelenden Aggressionen bleicher blonder Nordlichter angesichts zu hoher UV-Einstrahlung – auch hier ein zwar grundsätzlich feuriges Thema, doch eine dermaßen gedämpfte bis genervt-vorwurfsvolle Ausführung, wie sie eigentlich nur unter starken Psychopharmaka entstehen kann. Diese zeitlupenartige Geisterbahnmusik kennen wir von (DOLCH) natürlich, aber in solch völlig unverblümter Negativität badeten sie bisher dann doch nicht. Die gefühlvoll-schwelgerische Ultraslow-Ballade ´A Funeral Song´ dagegen hätte auch schon auf der letzten EP ´III´ ihren morbiden Abglanz auf den letzten Weg ihres Protagonisten werfen können, ebenso erinnern das volksliedhafte ´Psalm 7´ und ´Feuer´ an frühe Werke wie ´Bahrelied´ oder ´Das Auge´, haben jedoch im direkten Vergleich deutlich an Unbekümmertheit eingebüßt.

Ganz besonders deutlich wird die Neuorientierung bei ´Mahnmal´, der als typischer (DOLCH)-Song zuerst unendlich viel Atmosphäre aufbaut, während seiner ganzen Länge mit im absoluten Fokus stehenden, tribalartigen Percussions einlullt, um dann mit in den Hintergrund verwischtem deutschen (Sprech-)Gesang die Errichtung einer Mauer zu beschwören, die sicherlich nicht zur besseren Verständigung beiträgt – das ist Zuckerbrot und Peitsche par excellence, der Hörer wird gelockt und sogleich wieder abgestoßen. Die Produktion solcher Musik, die sich unseren Hörgewohnheiten widersetzt, ungewohnte Schwerpunkte setzt und Instrumente in den Vordergrund stellt, die sonst nur dosiert im ausgewogenen Gesamtklang erscheinen, stelle ich mir als besondere Herausforderung vor, die von Michael Zech hier jedoch bravurös gelöst wurde, so transparent trotz gewollter Schattenhaftigkeit klangen (DOLCH) bisher noch nie.

 

 

Ich bin spät dran mit diesem Review und während ich es schreibe, wüten nicht nur in Australien ungeheure Brände, Amazonien lodert weiterhin im Flammenmeer, die ganze Erde trägt um den Äquator herum einen Feuergürtel, doch die sogenannte Erste Welt wähnt sich offenbar weiterhin in der Sicherheit, noch ein paar weitere in Reserve zu haben, und macht weiter wie gehabt. So wie Feuer janusgesichtig Zerstörung und Fruchtbarkeit gleichzeitig in sich trägt, so zwiegespalten sind Stimmung und Aussage dieser Platte. Dass auf unserem Planeten kaum noch etwas in Balance ist, und der Mensch die Ursache allen Übels, sei es im Zwischenmenschlichen oder Globalen, ist (DOLCH) schon lange klar. Wie wenig Hoffnung noch besteht, machen sie uns deutlich. Es liegt an jedem Einzelnen, etwas zu ändern – auch Katharsis ist durch Feuer möglich, aber Verantwortung für sein Tun muss schon jeder selbst übernehmen.

Während sich der Neuling mit dieser tief abgründigen und sich dem spontanen Gefallen widersetzenden Scheibe schwer tun mag, ist der Fan begeistert. (DOLCH) werden uns weiterhin Spiegel vorhalten und die Geschmäcker spalten, und das ist auch gut so.

(8 Punkte)

 

http://www.dolch-band.com

https://dolch.bandcamp.com/

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