PlattenkritikenPressfrisch

SILVER TALON – Becoming A Demon

~ 2019 (Alone Records) – Stil: Heavy/Power Metal ~


Kurz vor Abschluss meines Jahresrückblicks kam mir der Gedanke, dass ich hier bei Streetclip ja auch mal wieder meine TOP 6 aktualisieren könnte. Als ich mir aber meine letzten TOP 9 (!) nochmal angeschaut habe musste ich (nach kurzer Recherche) feststellen, dass es bedauerlicherweise keine dieser Scheiben zu einem Review an dieser Stelle geschafft hat. Da es aber meiner Ansicht nach wirklich schade wäre, wenn diese Werke dem Vergessen anheimfallen würden, muss ich mich nun wohl persönlich dieser Aufgabe widmen. Also werde ich nun in den nächsten Wochen ein mehr oder minder kurzes Statement zu jeder (oder fast jeder) Scheibe abgeben. Direkt pressfrisch wird dann zwar keine mehr sein, aber das schmälert ja nicht den Genuss. Letzteres gilt somit natürlich auch für die ´Becoming A Demon´ von SILVER TALON, die vor über einem Jahr erstmalig das Licht der Welt, zunächst im Oktober 2018 digital, dann im November als CD und Kassette und schließlich am 1. Juli dieses Jahres via ´Alone Records´ aus Thessaloniki auch auf Vinyl. Da nachfolgende Besprechung auf dem Vinyl basiert, ist das Release also gar nicht so lange her…

Kennern der Szene dürften die Gründungsmitglieder der aus Portland (Oregon) stammenden SILVER TALON nicht ganz unbekannt vorkommen, entstammen sie doch bis auf Sänger Wyatt Howell samt und sonders der letzten bekannten Formation von SPELLCASTER, einer ebenfalls in Portland  gegründeten Band, die in der ersten Hälfte des ablaufenden Jahrzehnts mit ihren Veröffentlichungen für Furore im metallischen Underground sorgten. Aber auch Wyatt kann als Sänger der wiederum aus Oregon (aber diese Mal aus Eugene) stammenden SANCTIFYRE auf eine bis 2014 zurückreichende und eine Demo und EP umfassende Historie verweisen. (Da er erst 1996 geboren worden ist, kann die Historie auch nicht viel weiter zurückreichen!)

Aber obwohl der Übergang von SPELLCASTER zu SILVER TALON im Jahre 2017 nahezu unterbrechungsfrei stattfand, hat die Formation nicht bis zum heutigen Tage Bestand gehabt. Aktuell sind neben Wyatt am Gesang nur noch die beiden Gitarristen Bryce Adams Vanhoosen und Sebastian Silva von der Originalbesetzung übriggeblieben, wobei letzterer zusätzlich auch noch bei den Senkrechtstartern IDLE HANDS (ebenfalls aus Portland) mit von der Partie ist. Da ich SILVER TALON eindeutig IDLE HANDS vorziehe, würde ich es sehr bedauern, wenn ein andauernder Erfolg von IDLE HANDS das Zünglein an der Waage für das weiteren Fortbestehen von SILVER TALON wäre und diese EP deren einziger Output bleiben würde. Nicht falsch verstehen…natürlich wünsche ich IDLE HANDS nur das Beste! Bestenfalls wird er aber einfach nur wie bei LEATHÜRBITCH (ja, auch aus Portland) ersetzt, denn auch dort bediente der aus Mexiko stammende Sebastian Silva bis zu diesem Jahr eine der beiden Gitarren und ist folglich auf beiden Veröffentlichungen der Band zu hören. Oder es kommt doch alles ganz anders…mal schauen!

Ich gebe zu, dass mir SANCTIFYRE bis zum Auflegen dieser EP von SILVER TALON völlig unbekannt waren, weshalb es mich bei den ersten Tönen aus der Kehle von Wyatt wie ein Blitzschlag durchfuhr. Einer meiner absoluten All-Time Lieblingssänger, nämlich Michael Grant (ONWARD, CRESCENT SHIELD, CYPHER SEER etc.) ist wiederauferstanden. Diese Ähnlichkeit im Timbre ist einfach unglaublich. Hat man diesen anfänglichen (positiven) Schock aber überwunden, so kann man sich ganz und gar den acht Stücken auf dieser EP vollständig hingeben. Bei einer Spielzeit von insgesamt nur knapp über 31 Minuten verwundert es nicht, dass darin ein Intro und ein Outro von unter zwei Minuten enthalten sind. Das soeben ausgesprochene “nur” relativiere ich natürlich an dieser Stelle wieder, denn es gibt genug Bands, die ihre Werke mit einer unter 31 Minuten liegenden Spielzeit als vollwertige Alben ausgeben. Da aber mit ´Battle Angels´ auch eine Coverversion von SANCTUARY enthalten ist, womit tatsächlich lediglich fünf eigene vollwertige Stücke auf das Vinyl gepresst worden sind, ist das wohl der Grund dafür, dass dieser Output als EP bezeichnet worden ist.

Neben dem Gesang sticht vor allem die Arbeit der beiden Gitarren heraus. Ich gebe zu, dass ich ein Liebhaber guter Gitarrenarbeit (und -soli) bin und ich mich über das auf dieser EP gebotene wahrlich nicht beklagen kann. Wenn das ganze dann auch noch mit guter Schlagzeugarbeit (einfach mal in ´Devil Machine´ reinhören – siehe auch unten) und einem druckvollen Bass unterlegt wird, die Songs allesamt spannend konstruiert sind, das Tempo geschickt variiert, aber dennoch den Puls permanent hoch hält und auch der Sänger, wie oben bereits angedeutet sein (Stimm-)Werk versteht, dann ist für mich die Welt mehr als in Ordnung! Das muss sich wohl auch Jeff Loomis (NEVERMORE, ARCH ENEMY etc.) gedacht haben, der bei der oben bereits erwähnten Coverversion mitwirkt.

Und noch ein Wort zum Sänger…je häufiger man die Scheibe durchlaufen lässt, umso mehr Feinheiten treten zu Tage, die einem teilweise an den späten Warrel Dane, aber auch an James Rivera erinnern, natürlich ohne deren hohen Gesangseinlagen.

Ich will jetzt nicht jeden einzelnen Song sezieren, aber Liebhaber eines technisch versierten, dunkel eingefärbten Heavy-/Power-Metals sollten auf jeden Fall mehr als nur ein Ohr riskieren. Die fünf Eigenkompositionen bieten alles, was meiner Meinung nach guter Heavy Metal enthalten muss, nämlich Power, Speed, Melodie, Abwechslung und all das zusammengesetzt von Musikern, die ihr Handwerk verstehen. Wenn dann auch noch, wie im vorliegenden Fall, die Produktion stimmt, dann kann man eigentlich nur noch

9 Punkte

zücken.

P.S.: Das Vinyl ist in einer lediglich 250 Stück umfassenden handnummerierten Auflage erschienen. Die ersten 100 davon in Splatter, die letzten 150 in schwarzem Vinyl. Das Album enthält einen Beileger mit Texten und allen sonst noch interessanten Informationen.

 

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