PlattenkritikenPressfrisch

CLOUD RAT – Pollinator

~ 2019 (Artofact Records) – Stil: Grindcore/Hardcore/Doom ~


CLOUD RAT gelingt es auch nach rund 10 Jahren Bandbestehen immer noch, Musik zu machen, die augenblicklich und vertraut ist. So geringfügig hat sich ihr Sound seit ihrer selbstbetitelten EP von 2010 geändert – und das ist auch gut so! Rastlose Attacken an bratzigem Gitarrenschlamm stoßen gegen wilde Trommeln und treiben CLOUD RATs Philosophie vom unerschütterlichen Grindcore immerfort auf die Spitze. Lediglich auf ihrem letzen Longplayer ´Qliphoth´ von 2015 wurden auch einige elektronische Elemente hinzugefügt. Auf ´Pollinator´ kehren die drei aus Mount Pleasant, Michigan, stammenden Zornesschleifer jedoch nahezu vollständig zu ihren aggressiven Wurzeln zurück.

Textlich befasst sich das aktuelle Album auch weiterhin mit den Brutalitäten unseres gegenwärtigen sozioökonomischen Systems und verleiht dabei Geschichten ein Megaphon, die aus Orten des Hasses, der Angst und des Ekels herrühren oder eben aus unseren eigenen, inneren Ängsten. Trauma, Depression, Körperhorror oder geschlechtsspezifische Gewaltdas Auf und Ab der mentalen Angst, die mit jedem unserer persönlichen Schrecken einhergeht.

CLOUD RAT werden zwar oft als bloßer Grindcore eingestuft, integrieren in ihren Sound jedoch nach wie vor auch nachhaltige Einflüsse von Hardcore-Punk, Black Metal und Doom. Schlagzeuger Brandon Hill und Gitarrist Rorik Brooks kooperieren dabei in etwa auf die gleiche Art und Weise wie Jazzmusiker und stehen auf allen Songs in einem fortwährenden Dialog. Das schafft teilweise sogar harmonische und melodische Momente, ohne dabei jedoch die Wildheit zu verlieren, die die Energie der Band so zielstrebig vorantreibt.

Das Album zieht und dreht dich dabei in alle möglichen Richtungen, ob nun kurze Momente an Melancholie oder Anfälle von intensiver, psychischer Wut. ´Night Song´ etwa kriecht nur ganz langsam aus sich heraus und nähert sich zunehmend einem Doom Metal-Track, nur um dann eine schnelle Kurve machen, in der sich Drums und Gitarre gegenseitig abwehren, ohne dabei jedoch wirklich zu entkommen. Bei anderen Songs bewegen wir uns stets geradeaus und folgen dem typischen 45-Sekunden-Grindcore-Verlauf eines Songs wie ´Zula´.

Letztlich ist es jedoch allem voran die poetische Perspektive von Sängerin Madison Marshall, die dieses Album zu einem so unglaublichen und wichtigen Erlebnis macht. Sie greift dabei textlich die Realitäten des Alltags auf – und verstärkt diese durch ihre unerbittlichen Schreie, indem sie damit versucht, die Wand aus Gitarre und Schlagzeug zu durchbrechen.

´Pollinator´ ist ein Album über die Brutalität in unserer Gesellschaft, die Brutalität, die wir auf unseren Körper und unsere Psyche ausüben. Aber auch über das Auffangen dieser Wut und deren Verwandlung in eine kollektive Macht. Wenn extreme Musik auch weiterhin die Fahnen der Übertretung hissen will, brauchen wir noch mehr von diesen Stimmen.

(8,5 Punkte)

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"